Vor 400 Jahren tobte vor den Toren Stadtlohns eine der blutigsten Schlachten des 30-jährigen Krieges. Vor 78 Jahren fiel Stadtlohn in den letzten Kriegstagen in Schutt und Asche. Wenn aber Leana und Charlotte an den Krieg denken, dann fällt den beiden Elfjährigen zuallererst der Ukrainekrieg ein.
„Ich hatte zuerst Angst, dass der Krieg vielleicht auch nach Deutschland kommt“, sagt Leana. „Und ich bin traurig, dass die Menschen in der Ukraine so leiden müssen“, sagt Charlotte. Vielleicht sind diese starken Gefühle ein Grund, warum das Friedenslabor bei den beiden wie auch bei allen anderen Schülerinnen und Schülern der Klasse 5c des Geschwister-Scholl-Gymnasiums so gut ankommt.

Seit Montag hat das Friedenslabor, das mit einem riesigen blau-weißen Truck angereist ist, auf dem Parkplatz des Otgerus-Hauses an der Dufkampstraße in Stadtlohn die Türen für drei Wochen geöffnet. Anlass ist der 400. Jahrestag der Schlacht im Lohner Bruch. Aber weder diese Schlacht noch der Ukrainekrieg spielen konkret eine Rolle in dem Friedenslabor.
„Politik und Geschichte sind für Kinder oft abstrakt und chaotisch“ sagt Jan Durk Tuinier von der niederländischen Stiftung „Vredeseducatie“. Er hat das Friedenslabor entwickelt. „Hier wollen wir zeigen, dass der Frieden in unserer DNA liegt. Dass er möglich ist. Und dass er Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Solidarität braucht.“

Das sind große Worte. Das Friedenslabor aber setzt vor allem auf Sinneseindrücke. Auf ganz praktische Erfahrungen. Aufs gemeinsame Ausprobieren. Kurzum: aufs Spielerische.
Leana und Charlotte machen gerade einen Selbsttest: Wie schwer ist es, jemandem zu helfen? An Schlaufen ziehen sie Holzklötze in die Höhe, die äußerlich gleich, aber mit unterschiedlichen Gewichten beschwert sind. Ein Aha-Erlebnis, das Lena und Charlotte Spaß macht. Die beiden zeichnen eine Motivationskurve in ihr Arbeitsheft: Jemandem zu helfen, weil man muss, ist schwer. Einem Freund zu helfen, ist deutlich leichter.

Zu Beginn des Besuchs haben alle Schüler ein Arbeitsheft mit Aufgaben zur Ausstellung erhalten. In Zweierteams wechseln sie von Station zu Station. Riesige Zahnräder, Spiegeleffekte, Solarisationsbrillen und viele andere Mitmachangebote an fast 50 Stationen geben Anlass nachzudenken: Welche Hautfarbe habe ich und was bedeutet das? Was macht Deutschland schön? Wer darf sich Deutscher nennen? Was bedeutet Freiheit?
Die Fünftklässler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums sind Feuer und Flamme. Klassenlehrerin Gudula Hamachers-Dräger ist beeindruckt. „Seit dem Kriegsausbruch vor einem Jahr hat das Thema Krieg und Frieden in der Schule eine andere Bedeutung. Es ist nun auch emotional näher an die Schülerinnen und Schüler herangerückt“, sagt sie.

Die Deutsch- und Politiklehrerin findet es gut, dass das Friedenslabor eine positiven und spielerischen Ansatz wählt: „Die Schüler erleben hier ganz anschaulich, dass Demokratie die Grundlage für den Frieden ist.“ Die geschichtlichen Fakten zu den Kriegen stünden ja noch später ohnehin noch auf dem Lehrplan.
Das sieht auch Elisabeth Büning so. „Wir haben ja zum 400. Jahrestag der Schlacht bei Stadtlohn einen ganzen Veranstaltungsreigen zusammengestellt. Uns war wichtig, für Kinder und Jugendliche ganz gezielt auch einen positiven Akzent zu setzen und zu fragen: Was können wir heute eigentlich für den Frieden tun?“, sagt die Leiterin des Fachbereichs Bildung, Schule, Kultur, Sport des Kreises Borken.

Der Kreis Borken finanziert den dreiwöchigen Halt des Friedensbusses in Stadtlohn. 20 Schulklassen aus dem Nordkreis haben bereits einen Besuchstermin gebucht. Auf der Internetseite bildungskreis-borken.de können sich weitere Schulklassen kostenlos anmelden. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler im Alter von 10 bis 18 Jahren aller weiterführenden Schulen im Nordkreis.