"Vergesst den Phoenix See. Der ist schick, modern und größer als die Binnenalster. Aber er ist wenig gegen den Dortmunder Nordsee, den Hafen. Da passt er gleich anderthalbmal rein.
Ja, ich bin Hafen-Fan. Weil ich Arbeit mag, bei der man sich abends noch die Hände waschen muss, und weil ich mir diese kindliche Sehnsucht erhalten habe, die Schiffe auslösen, denen man nachwinkt. Schiffe, die 105 Meter lang sind, mal eben 50 Lkw ersetzen und Dortmund mit ZARA verbinden, den Seehäfen Zeebrügge, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Wer will, kann auf dem Dortmund-Ems-Kanal kurz vor Rheine nach Berlin abbiegen. Aber wer will das schon, außer an diesem einen Samstagnachmittag im Mai?
Immerhin durfte ich so ein Binnenschiff, beladen mit Edelstahlschrott, auf dem Weg zur Schleuse Waltrop kurz steuern. An Bord der »Initium« gab es einen Schnellkurs in Sachen Infrastruktur. Zum eindrucksvollen Anschauungsunterricht gehörten Brücken, so niedrig, dass ich sie mit der Schwimmnudel von unten touchieren konnte. Zu niedrig, um Schiffe mit einer dritten Lage Container zu beladen. Teilweise zu marode, um von Autos überquert zu werden.

Die Hafen-Serie: Kein Telekolleg
Wir haben jetzt die zweite Hafen-Staffel abgedreht, das klingt cool nach Netflix. Man kann sie »bingen«, also am Stück genießen, ohne sich dabei Nächte um die Ohren schlagen zu müssen. Mit dem Ding ist man schnell durch, das ist Absicht. Die Kürze soll verführen, die Information unterhalten und dabei weder belehren noch ermüden. Das Gegenteil also zum altbackenen Telekolleg in schwarz-weiß.
Warum ausgerechnet ich, der Steiger vom Geierabend, mich durch den Hafen arbeite, muss man die Hafenverantwortlichen fragen. Sicher ist: Weder mich noch den Hafen würde es ohne den Bergbau geben. Bei mir ist der Pütt Familiengeschichte, die beiden Oppas waren die Letzten untertage. Dass vor allem Kohle und Koks im Dortmunder Norden umgeschlagen wurden, ist auch schon Vergangenheit.
Das ist das Verrückte am Hafen, er wandelt sich unglaublich schnell, wo der Strukturwandel ansonsten Steine auf der Kriechspur den Berg hochrollt.

Was war los in der ersten Hafen-Staffel?
In der ersten Staffel zwei Jahre zuvor lief ich auch schon die Speicherstraße entlang. Wer dieses Uferstück damals schon „Promenade“ nannte, war entweder Zyniker, Visionär oder Beschäftigter im Hafen.
Das Ding ist jetzt abgedreht. Ab und zu verfolge ich im Netz, wo die »Initium« aktuell fährt. Gerade entdecke ich sie auf dem Dortmund-Ems-Kanal kurz hinter Seppenrade. Vielleicht sollte ich losfahren, um dem Schiff von einer Brücke nachzuwinken."
Den ganzen Artikel von Kabarettist Martin Kaysh findet ihr in der digitalen Ausgabe des einundzwanzig-Magazins.
Alle Folgen zum Anschauen gibt es hier. Viel Spaß!