Zu viel Personal, überflüssige Aufgaben, Untätigkeit Kommunen kritisieren Kreis Unna scharf

Überflüssig, teuer, untätig: Kommunen kritisieren Kreis Unna scharf
Lesezeit

In ihrer deutlichen Sprache dürfte eine neunseitige Stellungnahme aller zehn Kämmerinnen und Kämmerer aus den Kommunen des Kreises Unna einmalig sein: Die Städte und Gemeinden kritisieren mangelnden Sparwillen im Kreishaus.

Im Herbst wird traditionell in allen Rathäusern über Geld gesprochen: Der Haushalt für das kommende Jahr muss festgezurrt werden. Ein dramatischer Trend setzt sich fast überall fort: Die Ausgaben steigen, die Einnahmen halten nicht Schritt, im Ergebnis müssen neue Schulden gemacht werden.

Die zentralen Aussagen in der Stellungnahme

Einer der größten Ausgabenposten ist und war immer schon die Kreisumlage, die an die Kasse des Kreises Unna überwiesen werden muss. Hiervon werden Aufgaben bezahlt, die der Kreis für alle zehn Kommunen übernimmt.

Die Kommunen haben das verbriefte Recht, sich zu den geplanten Umlagen zu äußern. Am 10. Oktober ist die Stellungnahme ans Kreishaus geschickt worden. Die zentralen Aussagen in dem Papier:

  • „Die andauernde multiple Krisenlage treibt die von Bund und Land NRW damit alleingelassenen Kommunen in die Handlungsunfähigkeit.“
  • „Die kommunalen Haushalte sind einem so kurzfristig nie dagewesenen massiven Druck ausgesetzt und stehen vor Problemen, die vor Ort – ohne Hilfe aus Bund und Land NRW – nicht mehr gelöst werden können.“
  • „Ein weiterer Verfall der Infrastruktur geht auf Kosten der nachfolgenden Generationen.“
  • „Bedenklich ist die Gesamtanzahl der Stellen und die dauerhafte Belastung der kommunalen Haushalte mit dem Personalaufwand des Kreises.“
  • „Eine konsequente und kontinuierliche Aufgabenkritik wäre für den Kreis Unna allerdings ein weiterer wichtiger Schritt, um Einsparpotentiale zu identifizieren.“

Die Belastungen der Kommunen

Beispielhaft listen die Kommunen Belastungen auf, die zu ihrer aktuell prekären Finanzsituation geführt haben, darunter die anhaltend stark inflationäre Preisentwicklung. Außerdem mit hohen Kosten verbunden:

  • Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen „jenseits der Grenzen der Leistungsfähigkeit sowohl des hauptamtlichen als auch des ehrenamtlichen Engagements“;
  • „unzureichend“ finanzierter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Primarbereich;
  • Verpflichtung zur Erstellung kommunaler Wärmeplanungen;
  • „unüberschaubare Aufwendungen“ mit Blick auf Planung und Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen;
  • steigende Zinslasten für sämtliche kommunalen Kredite;
  • „unzureichende finanzielle Beteiligung“ von Bund und Land an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.

Fröndenbergs Beigeordneter und Kämmerer Heinz-Günter Freck muss wie seine Kollegen im Kreis Unna im städtischen Haushalt eine Tariferhöhung für die Beschäftigten berücksichtigen.
Fröndenbergs Beigeordneter und Kämmerer Heinz-Günter Freck muss wie seine Kollegen im Kreis Unna im städtischen Haushalt eine Tariferhöhung für die Beschäftigten berücksichtigen. © Marcus Land/dpa

Die Kritik am Einsparwillen des Kreises

Kreisdirektor und Kreiskämmerer Mike-Sebastian Janke hatte Ende August vorläufige Finanzdaten für den Kreis Unna vorgelegt und damit auch die erneut steigenden Kreisumlagen bekannt gemacht.

Nahezu 40 Millionen Euro mehr, oder fast 15 Prozent, soll insgesamt aus den Stadtkassen 2024 an die Kreiskasse fließen.

Die Chefs in den Rathäusern sparen wiederum nicht an Kritik vor allem an „Einsparbemühungen“ des Kreises Unna. Janke hatte ganz generell von 1 Million Euro gesprochen, die der Kreis 2024 einsparen wolle. Den Kommunen ist das nicht nur deutlich zu wenig, sondern auch viel zu vage.

„Die Umlagezahler können eine nachvollziehbare Erläuterung der Sparvorgabe durch den Kreis Unna in diesen Zeiten im Rahmen der Benehmensherstellung erwarten“, heißt es recht unverblümt.

Dass man in den Kämmereien um die Macht von Zahlen weiß, wird an einer Rechnung deutlich, die sie ihrem Kollegen im Kreishaus wohl nicht ganz ohne Hintersinn präsentieren: Das Sparziel mache am aktuellen Kreishaushalt in Höhe von 660 Millionen Euro gerade einmal 0,15151 Prozent aus.

„Als echtes Zeichen der notwendigen Solidarität“ von Kreistag und Kreisverwaltung, so die Kommunen, könne nur eine erneute Einsparung von mindestens 4,9 Millionen Euro wie im laufenden Jahr verstanden werden. Eigentlich müsse es noch viel mehr sein.

Die Kritik an der Untätigkeit des Kreises

Vehement kritisieren die Kommunen auch, dass aus ihrer Sicht der Landrat untätig gegenüber dem größten Kostentreiber, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), bleibe: Der Kreis soll nach 129,8 Millionen Euro in diesem Jahr nun 141,4 Millionen Euro an den LWL überweisen.

Bereits in seiner Stellungnahme Ende August zum LWL-Haushalt habe es Löhr an konkreten Forderungen vermissen lassen, wie die Kosten künftig zu drosseln sind.

Es folgt eine für den Landrat wenig schmeichelhafte Aufforderung: Man halte es für erforderlich, dass er seine Stellungnahme an den LWL künftig vor Abgang nach Münster den Bürgermeistern zur Verfügung stelle, „um die Möglichkeit des Austausches mit Ihnen und der Erörterung eigener Anregungen zu haben“.

  • Kreisangehörige Kommunen sind laut Kreisordnung NRW in Form von Stellungnahmen zu beteiligen, wenn der Haushalt des Kreises aufgestellt wird.
  • Vertretern der Kommunen ist vor Beschluss des Haushaltes „in öffentlicher Sitzung Gelegenheit zur Anhörung zu geben“.
  • Über Einwendungen der Städte und Gemeinden beschließt der Kreistag in öffentlicher Sitzung. Der Kreis teilt ihnen das Beratungsergebnis und dessen Begründung mit.

Die Kritik an der Personalpolitik des Kreises

Ganz und gar unzufrieden ist man in den Städten und Gemeinden mit der Personalpolitik des Kreises. Die Kreisverwaltung sei bereits 2019 von der Bezirksregierung Arnsberg „für ihren ungewöhnlich hohen Stellenzuwachs gerügt worden“. Der Stellenzuwachs sei seitdem aber spürbar weitergegangen.

Man erwarte den Nachweis, heißt es schon ultimativ, „dass alles Mögliche unternommen“ werde, um den unzweifelhaft notwendigen Mehrbedarf beim Bevölkerungsschutz an anderer Stelle zu kompensieren.

Man habe in der Vergangenheit gefordert, Synergieeffekte mit den Kommunen zu finden, hierauf sei man aber im Kreishaus nicht eingegangen.

Aufhorchen lässt, dass die Kommunen auch den Kampf um qualifizierte Mitarbeiter ansprechen: Ein hoher Personalbedarf beim Kreis Unna wirke sich auch auf besetzte Stellen bei den Städten und Gemeinden aus. „Es darf keine vermeidbare Konkurrenz um gut ausgebildete Kräfte geben“, verlangen die Stadtoberhäupter.

Holzwickedes Kämmerer Andreas Heinrich kündigt mittelfristig eine höhere Steuerbelastung für die Bürger an.
Holzwickedes Kämmerer Andreas Heinrich kündigt mittelfristig eine höhere Steuerbelastung für die Bürger an. © Montage Greis

Die Kritik an Großprojekten des Kreises

Der Kreis solle sich auf die Kernaufgaben einer Kreisverwaltung konzentrieren. Aufgaben, die er übernehme, zu denen er rechtlich aber nicht verpflichtet sei, müssten vom Kreistag überprüft und dort über ihre Fortführung entschieden werden. Auch beim Stellenplan müsse gekürzt werden, hier sei der Kreistag in der Pflicht.

Die Kommunen fordern den Kreis zudem dazu auf, dass er nicht zwingende Großprojekte oder neue Projekten reduziere. Zuletzt waren u.a. millionenschwere Investitionen in ein Besucherzentrum der Biologischen Station in Bergkamen und in den Neubau des Kreistierheims beschlossen worden.

Auch seine Beteiligungen an der VKU (ÖPNV), an der WFG (Wirtschaftsförderung) und an der UKBS (Wohnungsbau) müsse der Kreis überprüfen und ggf. abstoßen, wenn sie „nicht absolut zwingend für die Aufgaben der Kreisverwaltung benötigt werden“.

Hartmut Ganzke über Mario Löhr: Plötzlich ballt der SPD-Fraktionschef die Fäuste

Bekenntnisse des CDU-Chefs: Pufke nimmt den Landrat in Schutz und lüftet ein süßes Geheimnis

Grüne Frontfrau im Kreistag Unna: Bei ihrem Herzensthema ist Anke Schneider nicht kompromisslos