Zeltstadt in Bork Chronologie der Ereignisse rund um die Notunterkunft

Zeltstadt: Chronologie zu den Ereignissen rund um die Notunterkunft
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Etwas mehr als ein Jahr und acht Monate lief der Betrieb der Zeltstadt in Bork. Nun werden Ende Mai dieses Jahres die letzten Geflüchteten ausziehen. Im Juli soll das Gelände wieder als Parkplatz nutzbar sein.

Das Konzept wurde mehrfach geändert, es gab mehrere Gerüchte, Ereignisse, Versammlungen und Entwicklungen zu der Notunterkunft für geflüchtete Menschen am Sundern in Bork. Eine Chronologie:

17. März 2022: In einer Pressekonferenz im Bürgerhaus in Selm kündigt das Land NRW, vertreten durch die Bezirksregierung Arnsberg, an, dass in Bork eine Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge entstehen soll. Bis zu 1000 Menschen sollen dort aufgenommen werden, heißt es: alles Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Wie schon bei der ersten Borker Zeltstadt 2015 soll die Einrichtung auf dem Parkplatz der Polizeischule LAFP am Sundern entstehen. In Leichtbauhallen sollen die geflüchteten Menschen eine erste Unterkunft finden, bevor sie dann weiter reisen in andere Kommunen in NRW. Ende April/Anfang Mai - so der Plan bei der Pressekonferenz - soll die Unterkunft den Betrieb aufnehmen. Mindestens ein Jahr soll sie bestehen bleiben. Träger wird European Homecare.

1. April 2022: Der Aufbau der Zeltstadt beginnt. Auch, weil die Infrastruktur von 2015 noch vor Ort ist, hat sich das Land NRW entschieden, die Unterkunft in Bork aufzubauen. 18 weiße Leichtbauhallen sind kurze Zeit später schon gut zu erkennen: Borks zweite Zeltstadt.

Inbetriebnahme verzögert sich

7. Mai 2022: Aus dem Ziel, Ende April/Anfang Mai zu öffnen, wird nichts. Bürgermeister Thomas Orlowski sagt in einer Ratssitzung, dass die Zeltstadt wohl erst Ende Mai den Betrieb aufnehmen wird. Bei der Lieferung der Betten gebe es Verzögerung.

Ende Mai 2022: Aber auch Ende Mai ist die Erstaufnahmeeinrichtung noch leer. Knappes Material, Lieferengpässe und noch nicht vorliegende Ergebnisse einer sogenannte Wasserbeprobung führen zu der Verzögerung, sagt die Bezirksregierung. Einen neuen Termin für die angepeilte Eröffnung nennt sie nicht.

Juni 2022: Ende Juni sind es dann fehlende Rauchmelder und Sichtschutze, die fehlen - und die Inbetriebnahme der Zeltstadt weiter verzögern. Immer wieder. Inzwischen kommt die Frage auf: Wird die Einrichtung überhaupt noch gebraucht? Der große Flüchtlingsstrom aus der Ukraine scheint schon vorbei. Auf Nachfrage der Redaktion sagt die Bezirksregierung, dass der Zustrom nach NRW nachlasse. An der Unterkunft in Bork wolle man trotzdem festhalten. Ein Sicherheitsdienst in der leer stehenden Unterkunft auf dem Parkplatz ist schon zeitweise vor Ort. Neuer angepeilter Öffnungstermin für die Zeltstadt ist nun Oktober - rund fünf Monate später als eigentlich geplant.

Start im Herbst 2022

14. September 2022: Dann geht es doch schon vor Oktober los. Die Erstaufnahmeeinrichtung nimmt Mitte September den Betrieb auf. 150 Menschen aus der Ukraine kommen am ersten Tag, ein paar Tage später noch einmal 100 mehr. Die Gesamtkapazität von 1000 Plätzen soll nach und nach erreicht werden - so der Plan.

Oktober 2022: Weil die Zeltstadt in den ersten Monaten weit davon weg war, ihre Kapazitätsgrenze zu erreichen - teilweise war sie nur zu 20 Prozent belegt - , ändert die Bezirksregierung das Konzept in Bork - wie sie erst auf Nachfrage der Redaktion erklärt. Die Unterkunft wird nicht mehr nur von Menschen aus der Ukraine genutzt. „Die Notunterkunft in Selm dient derzeit als Schlafstätte für eine Zwischenübernachtung für Flüchtlinge aus der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Bochum“, heißt es damals.

War vorher noch die Rede von 1000 Plätzen maximal, gibt die Bezirksregierung jetzt an, dass höchstens 750 Menschen gleichzeitig in der Zeltstadt leben können. Der Plan im Herbst ist, dass bis Mitte Dezember die Kapazität voll genutzt wird.

Dezember 2022: Wieder nur auf Nachfrage der Redaktion wird im Dezember bekannt, dass es wieder eine Konzeptänderung bei der Zeltstadt gab. Die geflüchteten Menschen, die dort Unterkunft finden, bleiben für einen längeren Zeitraum – ursprünglich war nur eine Nacht vorgesehen. Für eine längere Unterbringung sei die Zeltstadt nicht geeignet, sagt die Bezirksregierung zu diesem Zeitpunkt noch. Bei den Bewohnern handelt es sich um Asylsuchende aus unterschiedlichen Ländern.

März 2023: Die Zeltstadt sollte für mindestens ein Jahr in Bork stehen - im März 2023 ist das fast rum. Die Bezirksregierung verlängert aber noch mal - bis Ende Dezember 2023.

7. März 2023: Es gibt einen Polizeieinsatz an der Zeltstadt. Den bis dahin einzigen. Zeugen hatten von einer „Massenschlägerei“ berichtet, was sich bei Ankunft der Polizei allerdings nicht bestätigte.

April 2023: Es wird auf Nachfrage der Redaktion bekannt, dass in der Unterkunft in Bork ausschließlich Männer untergebracht sind. 732 sind es zu diesem Zeitpunkt. Die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, aber auch aus anderen Ländern. In einem kleinen Ort wie Bork ist das natürlich sichtbar - und es entstehen immer mehr Gerüchte. Straftaten werden den geflüchteten Menschen zugeschrieben. Die Polizei bestätigt das nicht.

Es gibt außerdem Petitionen zur Notunterkunft. Den Petenten geht es um die Sicherheit in Bork, wie sie sagen. Ihre Petition enthält eine Liste von Vorfällen, die es rund um die Zeltstadt angeblich gegeben haben soll. Vorwürfe richten sich auch gegen die Stadt Selm, die Lokalpolitik und die Bezirksregierung. Die Bevölkerung sei nicht ausreichend informiert worden.

28. April 2023: Ende April sieht das schon ein bisschen anders aus. „Wir müssen uns etwas umorientieren, weil das Einsatzaufkommen durch die Flüchtlingsunterkunft zugenommen hat“, sagt Torsten Juds von der Polizei im Kreis Unna. Und: „Wir müssen gucken, dass das kein Hotspot wird.“

Mai 2023: Auch die Stadt handelt: Sie stellt einen zusätzlichen Sicherheitsdienst ein, der von 13 bis 21 Uhr durch den Ort geht. Er soll das Sicherheitsgefühl der Anwohner stärken. Die Stadt übernimmt die Kosten für den Dienst, Bürgermeister Thomas Orlowski will sich aber bemühen, dass die Bezirksregierung auch etwas übernimmt. Auch die Politik beschäftigt das Thema. Sie regt auch ein Begegnungsfest an.

Flüchtlingsunterkunft Bork
In der Flüchtlingsunterkunft leben teilweise mehr als die vorgesehenen 750 Menschen. © Goldstein

Großes Interesse an Bürgerversammlung

Juni 2023: Weil sich die Lage in Bork mehr und mehr zuspitzt und immer mehr Gerüchte im Umlauf sind, beraumt die Stadt Selm eine Bürgerversammlung an.

Auch Bewohner der Zeltstadt sind nicht zufrieden mit der Situation. Im Gegenteil. Einer von ihnen spricht gegenüber der Redaktion von der „Hölle“. Fotos aus dem Inneren der Einrichtung zeigen unter Wasser stehende Sanitäranlagen und Drogenkonsum. Pro Zelt seien bis zu 60 Menschen untergebracht - gerade an heißen Tagen sei es dort kaum auszuhalten.

28. Juni: Die Bürgerversammlung findet im Feuerwehrhaus in Bork statt. Das Interesse ist riesig, die Diskussion auch. Bürgermeister und Polizei müssen viele kritische Fragen beantworten.

8. August 2023: In der Zeltstadt gibt eine Auseinandersetzung zwischen Bewohnern und Mitarbeitern. 50 bis 70 Bewohner sammeln sich und machen ihren Unmut lautstark kund - aus der Gruppe sollen auch Steine geworfen worden sein. Die Mitarbeiter ziehen sich aus Angst zurück und alarmieren die Polizei, die mit einem Großaufgebot zur Zeltstadt eilt. Drei Bewohner werden kurzzeitig in Gewahrsam genommen, verletzt wird niemand.

9. August 2023: Der Vorfall schlägt Wellen. Landrat Mario Löhr fordert von der Bezirksregierung, dass die Zeltstadt bis zum Ende des Jahres schließt. Länger, so räumt es Selm Bürgermeister Thomas Orlowski ein, läuft derzeit die Duldung auch nicht.

Erst Überbelegung, dann Normalbelegung

10. August 2023: Die Bezirksregierung teilt eine Überbelegung der Zeltstadt in Bork mit. „In der Notunterkunft werden daher seit Mitte der Woche weitere 80 Geflüchtete untergebracht, so dass die Belegung bei derzeit 830 Personen liegt.“

11. August 2023: Wie die Polizei bestätigt, hat es in unmittelbarer Nähe der Zeltstadt - an der Waltroper Straße in Bork - einen Fall von Exhibitionismus gegeben. Ein Mann aus Syrien (34) hat sich vor einer Frau entblößt. Eine Anzeige liegt vor, die Ermittlungen laufen.

Selms Beigeordnete Sylvia Engemann, Bürgermeister Thomas Orlowski und Dr. Christina Schaefer von der Bezirksregierung Arnsberg
Bei der Bürgerversammlung im November 2023 stellen die Bezirksregierung Arnsberg und die Stadt Selm die Pläne für die Zeltstadt bis zum Sommer 2024 vor. © Goldstein

29. August 2023: Nun teilt die Bezirksregierung mit, dass es das Ziel sei, möglichst schnell wieder zur Normalbelegung von 750 Menschen zurückzukehren.

13. September 2023: Melanie Offergeld startet eine Petition zur Zeltstadt in Bork. Der Titel: „Integration gemeinsam und richtig“. Es ist das insgesamt dritte Begehren in dieser Sache, das initiiert wird.

18. September 2023: Das Land NRW will die Zeltstadt über 2023 hinaus betreiben. Einen Zeitraum nennt das Land noch nicht. Die Stadt Selm knüpft die Verlängerung an Bedingungen: eine Verringerung der Bewohnerzahl, verbesserte Privatsphäre und Stärkung des Sicherheitsgefühls vor Ort sind einige davon.

7. November 2023: Zu einer Bürgerversammlung in der LAFP-Mensa kommen etwa 70 Menschen. Bezirksregierung und Stadt Selm stellen den Beschluss für die kommenden Monate vor: Die Zeltstadt wird bis Juni 2024 weiterhin Flüchtlinge beherbergen. Allerdings wird die Belegung um ein Drittel auf maximal 500 Bewohner reduziert, bislang liegt die Obergrenze bei 750 Flüchtlingen.

23. Januar 2024: Die Bezirksregierung macht klar, dass es beim Ende der Zeltstadt zum 30. Juni des Jahres bleibt. Fest steht auch, dass die Stadt Selm nach der Schließung etwa 250 Geflüchtete in mehreren Schritten aufnehmen und betreuen wird.

3. Mai 2024: Die Bezirksregierung teilt mit, dass alle Bewohner die Einrichtung zum 31. Mai verlassen werden. Zum 30. Juni wird die Notunterkunft dann endgültig schließen.