Wo Milliarden Pappteller produziert wurden Die Geschichte der Firma Bartling in Bork

Wo Milliarden Pappteller produziert wurden: Die Geschichte der Firma Bartling
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Vielleicht gibt es sie noch in so mancher lange nicht aufgeräumten Küchenschublade in Bork oder irgendwo versteckt im Partykeller: die Pappteller, die bunten Papier-Servietten oder die Tortenspitze der Marken „fab“ oder „edo“. Falls dem so ist, dann sind es Relikte einer längst vergangenen Zeit, in der die größte Pappenfabrik Deutschlands Sitz und Produktion in Bork hatte: Bartling.

Die Lippe bei Haus Dahl, hier 1936, spielte in der Firmengeschichte Bartlings eine große Rolle.
Die Lippe bei Haus Dahl, hier 1936, spielte in der Firmengeschichte Bartlings eine große Rolle. © Heimatverein Bork

Rund eine Milliarde Pappteller wurden allein im Jahr 1981 in Bork produziert. Hunderte Menschen arbeiteten im Laufe der Jahre in den Bartling-Werken. „Diese Fabrik war nicht von Pappe“: So ist in dem neuen BorkBuch der Beitrag zu dem Unternehmen überschrieben. Heimatverein-Autor und Lüner Archivar Fredy Niklowitz schaut darin zurück auf die Geschichte der Firma, die Partypappteller in weltweit so viele Haushalte gebracht hat.

Los geht die Geschichte am berühmten Borker Haus Dahl - gelegen direkt an der Lippe. Fredy Niklowitz erklärt: „Ende 1872 gründeten der Kaufmann Julius Haarmann aus Witten und dessen Schwiegersohn, der Ingenieur Wolfgang Kapp aus Düsseldorf, beim Haus Dahl in der Bauerschaft Altenbork die Holz- und Lederpappen-Fabrik Haarmann, Kapp & Co GmbH. Das erforderliche Gelände erwarben sie von dem Freiherrn Max von Boeselager. Der Standort an einem Nebenarm der Lippe, einem ehemaligen Mühlenkanal, war gut gewählt, sorgte der Fluss doch für genügend Produktionswasser und für den Antrieb leistungsfähiger

Maschinen.“ Sie stellten Papier, Pappe und Karton her. „1890 erwarben Haarmann und Kapp noch die Holzstoffmühle und -schleiferei beim Haus Horst in der Bauerschaft Oberlippe zwischen Bork und Waltrop“, heißt es im BorkBuch weiter.

Bauarbeiten für die neue Fabrikhalle über dem dafür trockengelegten Triebwerkskanal der Lippe, dem ehemaligen Mühlenkanal, 1958.
Bauarbeiten für die neue Fabrikhalle über dem dafür trockengelegten Triebwerkskanal der Lippe, dem ehemaligen Mühlenkanal, 1958. © Heimatverein Bork

Anfang des 20. Jahrhundert kommt dann der Name Bartling ins Spiel. Friedrich August Bartling kaufte im Jahr 1919 beide Fabrikanlagen, zwischen denen Schiffe hin- und herfahren konnten. „Beim Haus Dahl wurde das Grundmaterial für die Pappen hergestellt und auf der Lippe flussaufwärts nach Horst zur Weiterverarbeitung verschifft, um anschließend auf demselben Weg zur Trocknung und endgültigen Verarbeitung wieder nach Dahl verbracht zu werden.“

Das Haus Horst wurde nur bis 1940 betrieben: Ein Blitzeinschlag sorgte für ein jähes Ende. Die Anlage dort wurde zerstört und nicht wieder ausgebaut. Der Borker Standort am Haus Dahl wurde dafür aber erweitert. Mit der Produktion der Schalen und Teller aus Pappe begann man dort nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wachstum

Das Unternehmen wuchs immer weiter. „1958 wurde der Nebenarm der Lippe auf einer Länge von 140 Metern trockengelegt, um über dem Gewässer ein dreigeschossiges Fabrikgebäude zu errichten. Ziel war es, mit modernen Maschinen die Produktion zu steigern und gleichzeitig die Herstellungskosten zu senken. Wie wichtig der Lippefluss war, zeigt sich daran, dass die Firma Bartling ein Drittel des Strombedarfs mithilfe von Wasserturbinen selbst erzeugte. Ein weiteres Drittel gewann sie durch Dampfkraft, der Rest wurde von einem Stromanbieter geliefert. Das Flusswasser wurde auch für die Produktherstellung benötigt. Ende der 1950er-Jahre waren für die Herstellung eines Kilogramms Pappe 400 Liter Wasser notwendig. Da das Lippewasser zu dieser Zeit noch stark verschmutzt war, wurde es in einer 1961 eigens errichteten Kläranlage gefiltert. Auch anfallende Abwässer wurden hier geklärt, ehe sie dem Fluss wieder zugeführt wurden“, erklärt Fredy Niklowitz im BorkBuch.

Pappen für Kuchen und Würstchen, Tortenunterlagen, Weihnachtsteller und Bierdeckel gehörten zum Programm der Bartling-Werke. 1981 produzierte das Unternehmen rund eine Milliarde Pappteller. Das Foto zeigt den Produktionsbetrieb 1996.
Pappen für Kuchen und Würstchen, Tortenunterlagen, Weihnachtsteller und Bierdeckel gehörten zum Programm der Bartling-Werke. 1981 produzierte das Unternehmen rund eine Milliarde Pappteller. Das Foto zeigt den Produktionsbetrieb 1996. © Heimatverein Bork

1959 übernahm der Sohn von Friedrich August Bartling die Geschäfte - Friedrich August Bartling Junior. „Unter seiner Leitung entwickelte sich das Borker Unternehmen enorm weiter. 1961 gab es im Werk die seinerzeit größte Wickelpappenstraße Europas, die 1971 durch eine Kartonmaschine mit einer Tagesleistung von 45 Tonnen ersetzt wurde.“

Rohstoff für die Herstellung der Pappen war zunächst Fichtenholz aus dem Sauerland oder Skandinavien. Später wurde aber nur noch Altpapier verwendet. Und das Unternehmen wuchs weiter: 1977 ging das Werk II an den Start - im Gewerbegebiet östlich vom Bahnhof in Bork. „Werk I und II waren zu dieser Zeit mit den modernsten Verarbeitungsanlagen ausgestattet“, so Fredy Niklowitz. „Die Firma entwickelte ein komplettes Party-Programm, bestehend aus bunten Tellern, dazu passenden Bechern, Servietten und Tischdecken, kurzum alles, was auf einen mit Einmalgeschirr modern gedeckten Tisch gehörte. Zum Absatzgebiet zählten europäische und außereuropäische Länder wie Iran, Saudi-Arabien und Singapur.“

Verkauf im Jahr 1984

Ein Zäsur im Aufstieg folgte im Jahr 1984: Da verkaufte Bartling Junior (1926 geboren) das Familienunternehmen an einen Londoner Konzern. Bei 80 Millionen DM lag der Jahresumsatz zu dieser Zeit. Es folgten mehrere Eigentümerwechsel. Und schließlich die Insolvenz.

2004 stand das Werk an der Lippe ein Zeitlang leer, das Unternehmen K&W erwarb es dann 2006 und legte am neuen Standort in Bork bis 2012 einen Schwerpunkt auf Kunststoff- und Apparate-Bau. Heute ist dort das Unternehmen Knäpper Oberflächentechnik angesiedelt. Das Gelände des Bartling-Werks II hat die Firma Wüllhorst Fahrzeugbau übernommen.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist zum ersten Mal am 20. Dezember 2022 erschienen. Wir haben ihn erneut veröffentlicht.

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