Jäger in Werne schießen mehr Wildschweine In Selm breiten sich Waschbären aus

Werden Wildschweine, Waschbären und Co. auch bei uns zum Problem?
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In den vergangenen Wochen kam es in der Bauerschaft Werne-Langern einige Male zu aufgewühltem Grünland. Grund dafür waren Wildschweine. „Die graben und sind wahrscheinlich auf der Suche nach tierischem Eiweiß, wie Schnecken und Würmern. Das Grünland muss dann saniert werden“, erklärt Egbert Ortmann, Jäger im Jagdrevier Langern und Ratsmitglied der CDU-Fraktion Werne.

Damit das nicht mehr passiert, sitzt er abwechselnd mit drei anderen Jägern in einer Ansitzkanzel, um den Wildschweinen auf die Spur zu kommen und sie zu erlegen. Die Ansitzkanzel, auch bekannt als Hochsitz, ist ein Baumhaus-ähnliches Häuschen auf Stelzen mit einer Leiter für Jäger und besteht meist aus Holz.

Seitdem die Wildschweine in der ersten November-Wochein Werne-Langern Schäden angerichtet haben, saß Ortmann zweimal draußen in der Kanzel. Ortmann startet seine Schicht meist gegen 21 Uhr. „Eine Vorgabe, wie lange man dort sitzen muss, gibt es nicht. Es kommt eher darauf an, wie viel Sitzfleisch man hat. Meistens bin ich bis etwa 24 Uhr in der Kanzel. Die Sauen auf dem Gebiet sind aber unzuverlässig. Man weiß nie genau, wann sie dort sind“, sagt Ortmann.

Deswegen sei die Erfolgsrate besonders hoch, wenn Wildschweine mehrmals hintereinander dort gewühlt haben. „Wenn mehrere Nächte in der Folge nichts passiert, dann besetzen wir die Kanzel auch nicht“, erklärt Ortmann weiter.

Eine Ansitzkanzel aus Holz steht zwischen Bäumen im Wald.
Ortmann erklärt: „Die Ansitzkanzel hat einige Vorteile. Zum Beispiel geht der Schuss von oben nach unten. Die Kugel kann nicht direkt abgetragen werden und geht in die Erde. Außerdem sitzt der Jäger geschützt.“ © Friso Gentsch/ dpa (Symbolbild)

Wildschweine seien in der Region aber nicht erst seit Kurzem ein Problem, sondern - im Herbst und Winter - bereits seit mehreren Jahren. Überwiegend seien die Wildschweine zwischen Oktober/November bis März/April in der Gegend vermehrt unterwegs. „Die richten mal mehr und mal weniger Schaden an. Es ist wichtig, die dann früh zu erlegen, damit die Schäden erst gar nicht groß werden. Meistens ist es aber ein ziemlich großer Aufwand, weil man etwa 15 Mal sitzen muss, bis ein Schwein erschossen wird“, sagt Ortmann.

40 Prozent mehr Wildschweine erlegt

Eine Jagdstrecken-Statistik des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MLV) zeigt, dass die Zahl vieler erlegter Wildtierarten zwischen dem 1. April 2023 und dem 31. März 2024 (Jagdjahr) deutlich gestiegen ist. So wurden beispielsweise 41.611 Wildschweine im Jagdjahr 2023/2024 erlegt. Das sind knapp 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Grundsätzlich ist die Zahl des geschossenen Schwarzwilds in dieser Region über viele Jahre schwankend. Ein Blick nach Werne zeigt, dass auch hier die Zahl des Schwarzwilds im Vergleich der letzten beiden Jagdjahre gestiegen ist. Wurden 2022/2023 nur elf Wildschweine geschossen, waren es 2023/2024 sogar 36 Wildschweine. Im Vergleich dazu ist die Zahl in Selm in den vergangenen beiden Jagdjahren eher stabil geblieben. Im Jagdjahr 2022/2023 wurden 14 Wildschweine geschossen und im Jagdjahr 2023/2024 waren es 15 Wildschweine.

Heinz-Georg Mors aus Selm steht in einem Feld.
Heinz-Georg Mors sieht in Selm eher das Problem bei Waschbären. © Paul Schneider

Heinz-Georg Mors, Leiter des Hegerings Selm, bestätigt das und sieht für Selm nicht das Problem beim Schwarzwild. „Wildschweine sind vielleicht eher Richtung Cappenberg oder Nordkirchen ein Thema. Besonders wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) wurden die scharf bejagt, damit es keine Ausbrüche bei Hausschweinen gibt. Ansonsten gäbe es Sperrbezirke, was ein großes Problem für Landwirte wäre. Gefühlt gibt es aber aktuell nicht so viel Schwarzwild wie sonst. Trotzdem hält der Appell natürlich weiterhin an“, erklärt Mors.

Mors sieht eher ein Problem bei Waschbären. Landesweit wurden 30.023 Waschbären im Jagdjahr 2023/2024 geschossen. Das entspricht einem Anstieg von etwa 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Pressestelle des Kreises Unna schreibt für Werne und Selm: „Im Bereich der Waschbären wird ein sehr starker Anstieg deutlich.“ Dabei gelten Waschbären als invasive Art. „Eigentlich sind sie in anderen Regionen zu Hause und nicht in Europa heimisch“, erklärt Mors.

Waschbären können schnell zur Plage werden

Matthias Möllenhoff, Leiter des Hegerings in Werne, erklärt, dass Waschbären in den 1930er-Jahren zur „Bereicherung der Natur“ aus den USA nach Europa gebracht wurden. Dass sie das heimische Ökosystem durcheinanderbringen würden, habe damals niemand gewusst. Waschbären sind Allesfresser. Sie suchen ihre Nahrung auch in menschlichem Müll. Dabei können sie massive Schäden an Häusern verursachen, wenn sie beispielsweise unter Hausdächer klettern.

Mittlerweile sind sie auch in der Selmer Region unterwegs. „Auf Wildkameras sieht man zwischendurch einen. In Selm nimmt die Zahl langsam zu. Im südlichen Kreis Unna gab es schon eine überproportionale Zunahme. Wenn man da nicht aufpasst, kann das schnell zur Plage werden“, warnt Mors.

Nilgänse und Nutrias sorgen für Ärger

Ähnlich wie die Waschbären, kommt auch die Nilgans nach Werne, so Möllenhoff. Sie dezimiert gemeinsam mit der ebenfalls nicht ursprünglich heimischen Kanadagans nicht nur das Nahrungsangebot heimischer Wasservögel. Nilgänse fressen die Aussaat von Feldern, was zu geringeren Ernteerträgen führt. Außerdem hinterlassen sie Unmengen von klebrigem Kot. Rund um den Stadtsee in Werne ist das im Frühjahr immer besonders schlimm.

Förster Elmar Berks aus Cappenberg steht in orangefarbener Jacke und mit Mütze vor Bäumen.
Elmar Berks sagt, dass im Cappenberger Wald Waschbären kaum vorhanden seien und Wildschweine weniger geschossen würden. © Daniel Magalski

Nutrias, auch bekannt als Biberratten, würden sich allmählich auch zur Plage entwickeln. Heinz-Georg Mors warnt vor den Tieren: „Sie machen Schaden in Gewässern, wie beispielsweise im Auenpark. Die sind auch nicht ganz ungefährlich.“ Rehwild gebe es in Selm gerade etwas mehr, so sei es zuletzt auch mehr geschossen worden. Bei Hasen gebe es zudem die Myxomatose-Krankheit, die auch auf Menschen übertragbar sei. Symptome bei Menschen seien grippeähnlich. Dementsprechend würden Hasen auch öfter gejagt. „Die Bestände von Hasen haben sich inzwischen ganz gut erholt. Eigentlich sollten nur noch kranke und schwache Tiere erlegt werden“, empfiehlt Heinz-Georg Mors.

Ein Frischling, der Mais frisst.
Elmar Berks vermutet, dass besonders die Reproduktionsrate bei Wildschweinen höher ist. „Die Sterberate ist geringer und es gibt mehr Nahrung, besonders wenn Maisfelder in der Nähe sind.“ © Felix Kästle/ dpa (Symbolbild)

Im Cappenberger Wald dagegen seien Waschbären eher rar. „In meinen zwölf Jahren hier habe ich bislang einmal einen Waschbären gesehen. Die Zahl steigt aber auch. Waschbären gehen in Maisfelder, sind eher scheu und nachtaktiv“, sagt Elmar Berks, Förster des Cappenberger Waldes. Bei den Wildschweinen sieht es anders aus. Die werden zwar geschossen, aber auch das sei in diesem Jahr weniger gewesen als im letzten. „Die Zahl der geschossenen Wildschweine befindet sich bei uns im niedrigen, zweistelligen Bereich. Da gibt es zwar immer Schwankungen, aber das hat sich so in den letzten Jahren eingependelt“, sagt der Förster.

Bislang keine Beschwerden im Ruheforst

Neben der Afrikanischen Schweinepest vermutet Elmar Berks, dass besonders die Reproduktionsrate bei Wildschweinen höher ist: „Die Winter sind nicht mehr so stark. Da ist die Sterberate geringer und es gibt mehr Nahrung, besonders wenn Maisfelder in der Nähe sind. Außerdem wird der Wald immer grüner. Dann kann man nicht mehr gut jagen.“ Er sieht aber auch die positiven Seiten der Wildschweine: „Wenn Böden im Wald aufgewühlt werden, gestaltet sich das Bodengefühl anders. Sie verteilen Früchte und fressen alles. Im Prinzip räumen sie den Wald auf.“

Von einem Bereich halten sie sich dabei offenbar aber noch fern: Im Ruheforst Cappenberg hat es bislang noch nie Beschwerden gegeben. „Aschen und Urnen interessieren Wildschweine absolut nicht. Es kommt vielleicht hin und wieder vor, dass sie oberflächlich wühlen. Aber das hat noch nie zu Problemen oder Beschwerden geführt. Meistens laufen sie nur durch“, so Stefan Siegel, Mitarbeiter der Ruheforst GmbH.