Aaron Horstmann-Craig (49) hat schon ein Berufsleben hinter sich – als Gardist der Queen und Army-Ausbilder. Jetzt ist er Fotograf in Cappenberg und hat eine ganz besondere Idee.
Cool. Das ist ein Wort, das Aaron Horstmann-Craig oft benutzt, wenn er etwas richtig gut findet. Das Bild, das sein Töchterchen Willow (7) gemalt hat und ihm gerade stolz präsentiert findet er cool. Den Zusammenhalt der Menschen in seiner Wahlheimat Cappenberg ebenfalls. Cool ist aber auch seine eigene Idee: einen Bildband zu veröffentlichen, in dem sich möglichst alle Cappenberger wiederfinden. Titel des Buchs: „Auf Cappenberg.“ Für diesen Donnerstag bittet Aaron Craig die jungen Cappenbergerinnen und Cappenberger zum coolen Fototermin.
Fotostudio neben der Waldschule
Aaron Horstmanns-Craigs Augen strahlen, wenn er von seinem aktuellen Projekt spricht. Das ist sogar im Halbdunkeln des Flurs zu sehen, in dem er steht. „Nur fünf Minuten“, hatte er seinen beiden Töchtern zugerufen. Das war vor mehr als einer halben Stunde.

© Aaron Horstmann-Craig
Fotografie ist seine Leidenschaft. Gut, dass Willow und Lilly-Mae (8) ebenfalls kreativ sind und es ihnen nicht so leicht langweilig wird, während ihr Daddy überzieht. Im großzügigen Foto-Studio am Brauereiknapp – gleich neben der Waldschule – gibt es unter den schweren Scheinwerfern und zwischen den dicken Mauern jede Menge zu spielen. Und zu malen. Und zu fotografieren sowieso. Die beiden Mädchen sind groß geworden mit Fotoapparaten. Und mit der Lust, die Welt um sie herum ins Bild zu rücken.
Digitale trifft analoge Fotografie
Wann ihr Vater selbst damit angefangen hat? Aaron Horstmann-Craig schmunzelt. „Auch schon als Kind.“ Die Fotografie, mit der er aufgewachsen ist, unterscheidet sich allerdings wesentlich von der seiner Töchter. Der kleine Aaron hatte noch Filmmaterial belichtet. Willow und Lilly-Mae belichten Sensoren. Die analoge trifft auf die digitale Fotografie. Noch sind das zwei getrennte Welten. „Wenn die Mädchen älter sind, werde ich aber wieder ein Labor einrichten und ihnen zeigen, wie man Filme entwickelt und aus Negativen Positive macht.“ Keine Frage: Das wird cool. Und wird nicht nur etwas mit Nostalgie zu tun haben. Denn das Arbeitern mit Spule, Entwickler und Fixierer ist nicht nur nostalgisch, sondern auch in. „An der Uni machen sie das alle“, sagt Horstmann-Craig.
Student und Meister gleichzeitig
Mit „Uni“ meint er die Fachhochschule Dortmund/University of Applied Sciences and Arts, und mit „sie“ spricht er von seinen Kommilitonen im BA-Studiengang Fotografie. „Ja“, der durchtrainierte Engländer mit den grauen Schläfen lacht: „Ich bin Student.“ Und Meister.
Dabei wollte er nur das sein, was er immer schon war. Seit seinem Abschied aus der britischen Armee auch hauptberuflich: Fotograf.
Kriegserfahrungen im Ausland gesammelt
Aaron Horstmann-Craig steht immer noch im Flur seines Studios und erzählt. Von seiner Kindheit in England, seiner Arbeit als Ausbilder bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs – „ich war verantwortlich für bis zu 52 Männer“ – , von den sieben Jahren, als er in Münster stationiert war. Von den deutschen Freunden, die er in dieser Zeit gefunden hat. Von der Liebe und dem Entschluss, in Deutschland zu bleiben, „obwohl man hier als Ex-Militär anders angesehen wird als in England.“ Dort sei eine militärische Karriere mit Ansehen und Wertschätzung verbunden, „hier ist das anders“. Von seinen Auslandseinsätzen erzählt er nicht, nur auf Nachfrage und dann nur knapp: „Wir waren im Golfkrieg. Und in Bosnien.“
Auf dem Weg zu einem dieser Einsätze habe er einmal einen jungen Mann abgeholt, der noch bei seinen Eltern wohnte. „Die Mutter kam zum Auto und sagte mir lächelnd: Passen Sie auf, dass mein Junge heil zurückkommt.“ Der Sergeant von damals schüttelt heute noch den Kopf. „Die hatte keine Ahnung, was wir erleben würden.“ Keinen Ausflug, sondern Krieg.
Fotografie als Bindeglied zwischen den Welten
Horstmann-Craigs Kommilitonen, die so alt sind, dass seine Kinder sein könnten, haben auch keine Ahnung. Seine Cappenberger Nachbarn ebenso wenig. Das Bindeglied zwischen den beiden Welten, die so gar nicht zusammen zu passen scheinen, ist die Fotografie. „Ich habe während der 14 Jahre bei der Armee immer fotografiert“: gefragte Bilder bei den Kameraden.
Erfahrung und Leistung genügen nicht
Danach machte er gefragte Bilder bei seinen Kunden in Cappenberg, seit 17 Jahren seine Wahlheimat. Lange Erfahrung, professionelle Ausstattung, gut besuchte Ausstellungen und wachsende Kundschaft – für ihn fühlte sich das alles richtig an. Für andere nicht. Er ist aus allen Wolken gefallen, als man ihn fragte, ob er überhaupt könne, was er da tue – so ohne Berufsabschluss. „In Deutschland braucht man eben für alles ein Papier“, sagt er. Inzwischen hat er es. Das Papier hängt gerahmt im Flur, in dem sein Besitzer inzwischen seit fast einer Stunde unbewegt steht. „Fotografenmeister“ steht darauf geschrieben, und darunter: Handwerkskammer Dortmund, 2016. Damit seien aber noch nicht alle zufrieden gewesen, sagt der Träger des Titels und fischt von der Fensterbank eine Zeitschrift mit einem eindrucksvollen Titelfoto: Schloss Cappenberg im Winterkleid, ein Bild des Fotografenmeisters.
Immer noch ein Schritt weiter
Ein Kollege habe ihn damals angerufen: jemand, der ihn fragte, wie er denn dazu komme, so ambitionierte Bilder zu veröffentlichen. Er verstehe vielleicht das Handwerk, habe das aber nicht studiert. Noch bevor Horstmann-Craig das ärgerliche Telefonat beendete, stand für ihn fest, was er tun würde: studieren – nicht nur um dem unverschämten Anrufer die Luft aus den Segeln zu nehmen, sondern um einmal selbst in die Lehre zu wechseln. „Ich habe immer gerne junge Menschen ausgebildet“ – damals in der Army. Warum nicht jetzt in der Fotografie?
Von Osterfeuer bis Schützenfest
Andere Absolventen machen eine Bilderreihe für ihre BA-Arbeit, Horstmann-Craig gleich ein ganzes Buch. Din-A-3 groß, rund 400 Seiten stark, mit wenig Text – „am liebsten nur Zitate der Abgebildeten“ – , dafür aber mit umso mehr Fotos. „Von der Flüchtlingsunterkunft hinten bis zum Schloss vorne“ – alle Lebensbereiche in Cappenberg sollen sich widerspiegeln: Porträtfotos von Einzelpersonen, Aufnahmen von Gruppen, Cliquen, Freundeskreise, Vereine, Verbände, Kirchengemeinde. Die Druckkosten werde er über Crowdfunding finanzieren: einer Form der Geldbeschaffung, bei dem via Internet möglichst viele Geldgeber für eine Projektidee gefunden werden. Um Gewinn gehe es nicht. Was nach Abzug der Kosten über bleibt, sagt Horstmann-Craig, werde er der Kita St. Johannes spenden.
Die ersten Seiten kann der Cappenberger Fotograf mit den englischen Wurzeln schon füllen. „Mit Fotos vom Osterfeuer am Schloss habe ich in der Osternacht angefangen“, sagt er. Bis Ostern nächsten Jahres will er weitermachen: Unter vielen tausend Bildern wird er dann aussuchen müssen. „Ich habe alleine 4000 vom Schützenfest gemacht.“
Als Gardesoldat Profi im Stehen
Willow fegt um die Ecke. „Ich zähle jetzt bis zehn“, kündigt sie an. Dann müsse ihr Daddy wirklich aufhören zu reden und den Rest eines der letzten Ferientage mit ihr und ihrer Schwester verbringen. „Sonst passiert was.“ „Ich komme“, ruft der Vater und gibt sich einen Ruck – nach einer Stunde Stillstand. „Ich merke das manchmal gar nicht“ sagt er und lacht entschuldigend. Schließlich war er auch einmal Gardesoldat der Queen: einer dieser Männer mit roten Uniformen und schwarzer Bärenfellmütze, die Stunden lang still stehen. Das müssen die Kinder und Jugendlichen nicht, die er an diesem Donnerstag um 17 Uhr am Feuerwehrgerätehaus fotografieren möchte. Nur ganz kurz. Alles andere, das weiß Craig von seinen Töchtern, wäre uncool.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
