
Heinrich Frieling (l.) und Karl-Heinz Overtheil fordern mit ihrer Bürgerinitiative schon länger eine Umgehungsstraße für Selm. © Görlich
Umgehungsstraße für Selm gefordert: „Zu viel Verkehr durch zu kleine Straßen“
Verkehr
Der Durchgangsverkehr sorgt in Selm nicht nur am Bahnübergang an der Olfener Straße für Ärger bei den Anwohnern. Eine Bürgerinitiative fordert deshalb eine Lösung für ganz Selm.
Der Bahnübergang an der Olfener Straße ist für viele Selmerinnen und Selmer, aber auch für so manchen Berufspendler ein Ärgernis. Die Wartezeiten sollen sich allerdings schon bald verringern, kündigte die Deutsche Bahn jüngst an. Auch an der Verkehrsführung soll es Verbesserungen geben. Einer Bürgerinitiative geht das längst nicht weit genug.
Die Selmer Karl-Heinz Overtheil und Heinrich Frieling fordern mit ihrer Bürgerinitiative eine weiträumige Ortsumgehung für Selm. Die Initiative setzte sich in der Vergangenheit bereits für die Verkehrsberuhigung in den Straßen Auf der Sagkuhl, Auf der Geist und Alte Werner Straße ein, die täglich von bis zu 3500 Fahrzeugen als „Abkürzungsstrecke“ zwischen Olfen und Werne genutzt würden.
Mehr Lebensqualität und bessere Gesundheit
Auch um dieses Problem zu lösen, soll die Umgehung als Verlängerung des Zeche-Hermann-Walls (K44) bis zur Neuen Nordkirchener Straße und von dort weiter bis zur Olfener Straße geführt werden. „Wir haben nun einmal die Zwangslage, dass zu viel Verkehr durch zu viele kleine Straßen durch muss“, weiß Heinrich Frieling. Auch im Hinblick auf die Neuansiedlung von Gewerbe in Selm und Umgebung sowie wegen der generell erwarteten Zunahme des Autoverkehrs rechnet er mit einer Verschärfung des Problems.

So könnte eine mögliche Selmer Umgehungsstraße von Ost nach Nord aussehen (rot markierter Verlauf). © GeoService Kreis Unna
Deswegen sieht auch sein Mitstreiter Karl-Heinz Overtheil dringenden Handlungsbedarf: „Wir wissen auch, dass das nicht von heute auf morgen geht und dass es Jahrzehnte dauern kann. Aber es muss ja irgendwann mal angefangen werden.“ Es gehe bei dem Projekt um Lebensqualität – „und um die Gesundheit“.
Bereits vor vielen Jahrzehnten habe eine weiträumige Ortsumgehung für Selm zur Debatte gestanden. Passiert ist seitdem allerdings nichts. Heinrich Frieling nennt als positives Beispiel die Entwicklung in Olfen, wo der Verkehr auch durch den Ortskern geleitet wurde. „Das war eine Katastrophe für die damals. Die haben eine super Umgehungsstraße bekommen und konnten den Ortskern entwickeln“, erinnert er sich. „Unser Ortskern kann ja gar nicht entwickelt werden, weil wir überall Verkehr haben.“
Automatischer Bahnübergang und Unterführung
Der Verkehr müsste – wenn es nach der Bürgerinitiative ginge – künftig auch nicht mehr vor verschlossenen Schranken an der Olfener Straße stehen. Die Initiatoren können sich eine Verlängerung der Umgehungsstraße vorstellen, welche die Bahnstrecke nördlich des jetzigen Bahnübergangs unterquert – oder darüber hinweg führt.
Der aktuelle Bahnübergang an der Olfener Straße könne dann für die Benutzung von Radfahrern und Fußgängern zurückgebaut und mit einer automatischen Schrankenanlage ausgestattet werden, so die Bürgerinitiative.
Über ihre Pläne hätten Karl-Heinz Overtheil und Heinrich Frieling bereits mit vielen Menschen gesprochen, auch mit Experten des Kreises Unna sowie dem Planungsbüro, das mit der Erstellung des Selmer Mobilitätskonzeptes beauftragt wurde. Die Bürgerinitiative fordert, dass die aus ihrer Sicht „zukunftsorientierten Überlegungen“ einer Umgehungsstraße in diesem Konzept Berücksichtigung finden sollten. Eine Vorstellung des fertigen Mobilitätskonzeptes ist noch für dieses Jahr angekündigt.
Bürgermeister Mario Löhr enthielt sich der Stimme
Eine Verlängerung der K44n – ähnlich den Plänen der Initiative – wurde zuletzt im Juni 2020 politisch diskutiert. Die Fraktion „Wir für Selm“ beantragte eine Prüfung des Ausbaus bis zur Nordkirchener Straße/Lüdinghausener Straße. Der damalige Bürgermeister Mario Löhr gab in der Ratssitzung zu bedenken, dass die Verwaltung auf Grund des fehlenden Personals nicht in der Lage sei, einen solchen Prüfauftrag zu erfüllen – und enthielt sich bei der Abstimmung seiner Stimme. Der Antrag zur Prüfung wurde letztlich mit Gegenstimmen von CDU, UWG und Grünen mehrheitlich abgelehnt.
Ende 2020 wandte sich die Bürgerinitiative dann an den neuen Landrat: Mario Löhr. Vier Wochen später kam die Antwort. Darin teilte Löhr mit, dass ihm das zuständige Sachgebiet einen möglichen groben Trassenverlauf auf der Idee einer Fortführung der K44n skizziert habe.

An der Olfener Straße kommt es wegen des Bahnübergangs häufig zu langen Staus. © Marie Rademacher
„Hieraus ergibt sich ungeachtet von Landschaft und Umwelt eine Ausbaulänge zwischen der L507, Werner Straße und der K2, Neue Nordkirchener Straße, von mindestens 5000 Metern.“ Eine Fortführung bis zur Olfener Straße (B236) würde weitere 1,5 Kilometer Strecke benötigen, so Löhr in dem Schreiben – und ergänzt zur Einordnung: „Im Vergleich hat die bestehende K44 eine Ausbaulänge von 1885 Metern.“ Dieser Ausbau hat nach Angaben des Kreises insgesamt rund 6,6 Millionen Euro gekostet.
Verkehrsauswertung angekündigt
Grundlage für Gespräche mit den Planungsträgern zur Ermittlung des Bedarfes einer Umgehungsstraße seien Daten zu den Verkehrsbelastungen einzelner Straßenäste, teilte der Landrat mit. Aktuelle Zählungen sollten bundesweit im Sommer und Herbst 2021 durchgeführt werden – die Auswertung war dann für die zweite Jahreshälfte 2022 angekündigt. „Im Anschluss werde ich mit dem Land als Planungsträger in Gespräche eintreten“, versprach Mario Löhr der Initiative vor knapp zwei Jahren. Karl-Heinz Overtheil und Heinrich Frieling wollen da jetzt noch einmal nachhaken.
1989 im Ruhrgebiet geboren, dort aufgewachsen und immer wieder dahin zurückgekehrt. Studierte TV- und Radiojournalismus und ist seit 2019 in den Redaktionen von Lensing Media unterwegs.
