Besuch in der Tafel-Ausgabestelle in Selm „Weihnachten ist die stressigste und schönste Zeit“

Besuch in der Tafel-Ausgabestelle in Selm: „Weihnachten ist die stressigste und schönste Zeit“
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An diesem Nikolaustag sammelt Heike Hoppe wieder die eine oder andere Extrameile. „Das ist hier wirklich Freitag live“, sagt die ehrenamtliche Koordinatorin der Tafel-Ausgabestelle in Selm und lacht.

Alle zehn Sekunden, so hat es den Anschein, will jemand etwas von ihr. Egal ob ein Lieferant, eine Kollegin im Verkauf oder jemand in der Küche im Hintergrund – die 62-Jährige ist in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde ständig von A nach B unterwegs. Die Ruhe bewahrt sie dennoch und nimmt sich auch noch Zeit, die eine oder andere Frage zu beantworten.

Weihnachtskistenaktion ist gestartet

„Heike ist immer diejenige, die total die Nerven behält“, sagt Andrea Preuß, wie Hoppe seit dem Start 2008 im Leitungsteam der Tafel. „Das ist sehr gut, denn ich bin eher die Hibbelige, und so geht das irgendwie.“

Dass der eine oder andere an so einem Freitagvormittag hier mal unruhig werden kann, ist kein Wunder. Schließlich warten die ersten Kunden schon weit vor der offiziellen Startzeit um 9.45 Uhr vor dem Eingang der Ausgabe, müssen immer mal wieder noch kurzfristig Lebensmittel in Augenschein genommen werden. Und der Verkaufsraum, in dem ansonsten Chorproben oder Konfirmandenunterricht stattfinden, sollte dann auch vollständig mit den Lebensmitteln bestückt sein, auf die die Kunden teilweise schon lange warten. „Wir haben es tatsächlich mal gewogen. Ich meine, dass wir ungefähr eine Tonne bewegen an einem Freitag“, sagt Heike Hoppe.

Viele große und kleine Pakete stehen auf einem Tisch
Im Jugendraum der evangelischen Kirchengemeinde in Selm warten bereits zahlreiche Weihnachtskisten auf die Kunden der Tafel. Sie werden am 20. Dezember verteilt. © Marek Neppl

Ein Ruhepol wie sie tut da jedem Team gut. „Die Weihnachtszeit ist die stressigste, aber für uns auch die schönste Zeit im Jahr“, sagt Andrea Preuß. Nicht, weil im Advent zur üblichen Ausgabezeit mehr los wäre als sonst. „Voll ist es hier jeden Freitag“, weiß Hoppe. Und die bedürftigen Menschen, an die sich das Angebot der Tafel richtet, müssen sich ja ohnehin anmelden.

Doch gegen Ende des Jahres gibt es eben noch mehr zu erledigen als nur den „normalen“ Betrieb. Ganz oben steht da die Weihnachtskistenaktion, die die Selmer Ausgabestelle schon seit vielen Jahren durchführt. Hier können Menschen an mehreren Terminen kleine (oder auch etwas größere) Päckchen mit haltbaren Lebensmitteln, vielleicht auch Spielzeug und Hygieneartikel wie Duschgel abgeben. Diese werden dann beim letzten Ausgabetermin vor Weihnachten, dieses Jahr am 20. Dezember (Freitag), an die Kunden verteilt.

Organisatorinnen denken nicht ans Aufhören

Die ersten Sammeltermine für die Weihnachtskisten haben schon stattgefunden, bis zum 19. Dezember gibt es weitere in Selm und Bork. Schon jetzt lagern zahlreiche Päckchen, zum Teil in weihnachtlichem Geschenkpapier, im Jugendraum der evangelischen Kirchengemeinde, der der Tafel extra dafür überlassen wurde.

„Wenn man die ganzen Spenden sieht, die man bekommt, und dass die Leute uns das so auch anvertrauen, das ist das echte Weihnachten für uns. Das rührt uns richtig“, sagt Preuß und Hoppe erzählt: „Gestern hat mir eine Nachbarin zum Ehrenamtstag gratuliert. Da hab ich mich bei ihr bedankt für die Konserven, die sie uns immer spendet, und gesagt: ‚Ohne euch sähen wir richtig alt aus!‘ Ohne das Zusammenspiel würde es einfach nicht funktionieren.“

Sandra Klusendieck steht hinter mehreren Kisten mit Gemüse
Sandra Klusendieck hilft schon seit mehr als 10 Jahren bei der Tafel in Selm mit. Am Freitagmorgen sind die Gemüsekisten vor ihr noch voll, am Ende wird sie alles unters Volk gebracht haben. © Marek Neppl

Eben diese Gemeinschaft ist es auch, die die Organisatorinnen noch lange nicht ans Aufhören denken lässt. „Neulich haben wir uns noch darüber unterhalten und gescherzt, dass einer von uns das wahrscheinlich auch mit 80 noch macht“, erzählt Heike Hoppe. „Wir waren uns dann aber einig, dass es so lange nicht sein muss. Irgendwann wird einem der Körper ja auch etwas dazu sagen, aber im Moment läuft es noch sehr gut und so kann es erstmal weitergehen.“

Um kurz nach 10 Uhr am Freitag ist der kleine Saal im Gemeindezentrum dann immer noch voll – bis mindestens 11 Uhr wird das auch noch so bleiben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafel bedienen die Kunden routiniert, aber vor allem geduldig und freundlich.

Und bei einem Blick in die Gesichter der Menschen wird deutlich, weshalb hier alle so leidenschaftlich dabei sind. Fast alle haben ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. Vielleicht ist dafür ein bisschen auch die Weihnachtszeit verantwortlich. Aber mit Sicherheit auch die Tatsache, dass die Mitarbeiter trotz Trubel und Stress sich für jeden einzelnen Kunden die nötige Zeit nehmen.