Polizei NRW

Super-Recognizer aus Dortmund: David Paprocki (44) vergisst kein Gesicht

Gegen David Paprocki (44) hat Künstliche Intelligenz keine Chance. Der Dortmunder ist ein Super-Recognizer. Wen er einmal sieht, vergisst er nicht - genau das, was die Polizei braucht.

Selm/Dortmund

, 20.05.2022 / Lesedauer: 3 min

Mehrere Fotografen und zwei Filmteams drängeln sich um den Tisch, an dem David Paprocki sitzt: ein schlanker Mann in Jeans und weißem Hemd. Obwohl er ein gut trainierter Sportler ist, sitzt er etwas steif auf dem Stuhl im Besprechungsraum des LAFP (Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei) in Selm-Bork. Seine Sache ist es mehr zu beobachten als selbst im Mittelpunkt zu stehen. Dennoch ist der Dortmunder über Nacht zum Star der nordrhein-westfälischen Polizei geworden. Denn er hat ein ganz besonderes Talent. Manche bewundern es. Andere haben Grund, es zu fürchten.

Was ist eigentlich ein Super-Recognizer?

„Ich bin ein Super-Recognizer“, sagt Paprocki, als das Pressegespräch in Bork beginnt. Ein was? Bis vor Kurzem war das Wort weitgehend unbekannt. Innenminister Herbert Reul hatte es übersetzt, als er drei Tage vor dem Termin im LAFP den Begriff übersetzte. „Super-Recognizer“, sagte der Minister, „sehen, was andere nicht sehen.“ Was bei Scotland Yard seit Jahren selbstverständlich ist und inzwischen auch durch die deutsche Polizei in einigen ersten Bundeländern genutzt wird, soll jetzt auch in NRW stärker Eingang finden in die tägliche Arbeit. Wie sinnvoll das ist, beweist David Paprocki seit Jahren - ganz ohne Blitzlichtgewitter.

Taschendiebe sind vor ihm nicht sicher. Der Kriminaloberkommissar aus Dortmund sichtet Videomaterial von Überwachungskameras. „Da kann ich eine Person schon an ihren Bewegungen identifizieren und finde sie dann häufig auf unterschiedlichem Bildmaterial an verschieden Orten wieder“. Bei Raubüberfällen funktioniert das genauso. Und wenn er ein Foto von der vollbesetzten Südtribüne im Stadion sieht, gelingt es ihm, in dem Wimmelbild von Fans genau den einen zu finden, der gesucht wird. Trotz Mütze. Trotz Mundschutz. Trotz Bart oder neuer Frisur. Die Nadel im Heuhaufen scheint nichts dagegen zu sein.

Zwei Prozent der Menschen besitzen diese Gabe

Software-Lösungen können sich damit nicht messen: „Das ist besser als jede Künstliche Intelligenz“, sagt Kriminaloberrat Jörg Weßels. In seiner Stimme schwingt Bewunderung mit. Denn er selbst, räumt der Beamte auf Nachfrage ein, besitze nicht annähernd diese Fähigkeit. Kein Wunder: Laut wissenschaftlicher Studien besitzen gerade einmal zwei Prozent aller Menschen Paprockis Gabe: Sie merken sich Gesichter und können sie mühelos wiedererkennen. „Umgekehrt gibt es auch zwei Prozent Menschen, die gesichtsblind sind“, sagt Weßels. Sie können zwar sehen, aber für sie unterscheiden sich Menschen nicht anhand ihrer Gesichter.

Beim Pressegespräch im LAFP in Bork haben David Paprocki (M.) und Jörg Weßels (r.) über das Pilotprojekt der NRW-Polizei berichtet. © Sylvia vom Hofe

Innenminister Reul hofft auf einen schlummernden Schatz. „Bei rund 58.000 Polizeibeschäftigten könnten also 1.000 Super-Recognizer in der nordrhein-westfälischen Polizei sein.“ Diese tausend Talente will die Polizei jetzt finden und fördern. Dafür gibt es jetzt eigens einen Test, den interessierte Kolleginnen und Kollegen absolvieren können - nicht müssen, wie Weßels sagt. Die so gewonnenen Talente sollen nicht etwa versetzt werden, sondern in ihren bisherigen Behörden verstärkt Aufgaben übernehmen, die ihren besonderen Fähigkeiten gerecht werden. Vielleicht werde das Verfahren auch noch auf Regierungsbeschäftigte ausgedehnt.

Die Universität von Greenwich in London hat einen Test entwickelt, mit dem jeder seine Fähigkeiten als Recognizer prüfen kann. © Screenshot

Test zum Nachmachen: So schwer ist es

Wie schwer es ist, Gesichter auseinanderzuhalten, kann jeder selbst testen. Die Universität von Greenwich in London hat dazu einen auch für die Öffentlichkeit zugänglichen Test entwickelt, an dem jeder kostenlos online teilnehmen kann. Für David Paprocki ist es kein Problem, die dort gezeigten Fotos von Menschen richtig zuzuordnen. „In der Regel“, sagt Weßels, „ist das Bildmaterial, das wir in unserer täglichen Arbeit auswerten müssen, viel schlechter.“ Paprocki, dessen Eltern und Geschwister das Talent nicht besitzen, schafft es trotzdem. Wieder klacken die Auslöser der Fotoapparate.

Der Mann im weißen Hemd, auf den die Objektive gerichtet sind, hebt die Hand: „Unfehlbar“, sagt er, „sind wir natürlich nicht“. Aber besser als jede Maschine.

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