Christa Didzun (r.) mit ihrer Tochter: Die Selmerin hat beim Stadtfest-Konzert am Samstagabend mit Milow einen Logen-Platz. Der hat aber einen Haken.

Christa Didzun (r.) mit ihrer Tochter: Die Selmerin hat beim Stadtfest-Konzert am Samstagabend mit Milow einen Logen-Platz. Der hat aber einen Haken. © Sylvia vom Hofe

Stadtfest-Party Selm 2022: Christa Didzuns Logenplatz hat einen Haken

rnStadtfest Selm 2022

Christa Didzun (66) wohnt in einer der 103 neuen Wohnungen direkt am Campus-Platz in Selm. Ihr Balkon ist nur wenige Schritte von der Stadtfest-Bühne entfernt: ein Logenplatz mit Tücken.

Selm

, 19.06.2022, 06:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Christa Didzun ist Selmerin. Zu den Stadtfest-Konzerten war sie in der Vergangenheit aber nie hingegangen. 2022 ist das anders. Dieses Mal ist das Fest zu ihr gekommen - nicht nur in ihre Nähe, sondern zu ihr nach Hause. Unüberhörbar.

Auf Christa Didzuns Balkon steht ein grün-weiß gestreifter Sonnenschirm. An diesem Samstag (18. 6.) ist sein Schatten hochwillkommen. Der Tag wird als einer der heißesten Juni-Tage überhaupt in die Geschichte eingehen. Auch in Selm ist das Thermometer weit über die 30-Grad-Marke geklettert. Die Hitze scheint vom gepflasterten Campus, dem vor drei Jahren neu geschaffenen Selmer Treffpunkt, geradezu gespiegelt zu werden - zurück auf die umstehenden dreistöckigen Häuser. In einem von ihnen wohnt Christa Didzun seit drei Monaten.

„Wer an den Campus zieht, weiß, was ihn erwartet“

Als sie vom Sandforter Weg in die neue Wohnung am Campus umgezogen ist, wusste sie, was sie erwartet. „Mein Blick fällt hier direkt auf den Platz“, sagt sie und macht eine ausladende Geste am gestreiften Sonnenschirm vorbei. Gerade an warmen Tagen gefalle ihr das sehr gut. „Wenn Kinder am Wasserspiel toben, ist das immer ein tolles Schauspiel.“ Zum Stadtfest 2022 spritzt auf dem Platz aber kein Wasser aus dem Boden. Stattdessen fließt Bier aus dem Zapfhahn - unten auf dem Platz. Oben auf dem Balkon steht stattdessen eine Flasche Rotwein auf dem Balkontisch, aus der Christa Didzun einschenkt. Ihre Tochter Daniela Becker ist zu Besuch - aus eben diesem besonderen Anlass.

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Ohne Eintrittskarte kommt kaum jemand der Bühne - und damit Popstar Milow - so nah wie Christa Didzun. Und dann noch so bequem: auf gepolsterten Stühlen mit eigenen Getränken. Allerdings hat ihr Logenplatz auch einen Haken.

Der Logenplatz hat einen Haken - aber nur im Erdgeschoss

„Wir hören alles“, stellt die Mieterin fest und muss dabei gegen die Stimme von DJ Dirk Neuenfels anbrüllen, der das Programm vor Milows Auftritt bestreitet. „Aber sehen können wir leider gar nichts.“ Der Blick fällt auf die weiße Zeltplane. Was Didzun nicht sehen kann: Dahinter stehen Stehtisch mit schwitzenden Gästen, die pro Karte im Vorverkauf 30 Euro bezahlt haben und 35 Euro an der Abendkasse. Christa Didzun lacht. Der schlechte Blick sei schade, aber der einzige Nachteil ihrer 58 Quadratmeter großen Wohnung im Erdgeschoss.

Auch von der Bühne aus ist das Erdgeschoss nicht zu sehen. Die Mieter darüber haben allerdings eine hervorragende Sicht auf das Konzertgeschehen auf dem Campus-Platz.

Auch von der Bühne aus ist das Erdgeschoss nicht zu sehen. Die Mieter darüber haben allerdings eine hervorragende Sicht auf das Konzertgeschehen auf dem Campus-Platz.

Andere haben es besser. Nachbarn aus dem dritten Stock hatten am Vorabend ein rotes Transparent in die laue Abendluft gehalten mit der weißen Aufschrift: „Olaf.“ Dahinter war ein Herz gemalt: eine Liebeserklärung an Olaf Henning- und eine Einladung für den Schlagersänger, die auf der Dachterrasse feiernden Fans vis-à-vis von der Bühne aus zu grüßen. Christa Didzun würde keine Transparente malen: weder für den Mann, der mit „Cowboy und Indianer“ einen Schlager-Evergreen geschrieben hat, noch für Milow, dessen sanfte Pop-Songs seit 15 Jahren eingängige Ohrwürmer sind. Ihre Transparente würde ohnehin keiner der Sänger sehen können - genauso, wie sie die Sänger nicht sieht.

Auflage fürs Stadtfest: Musik muss ab 24 Uhr schweigen

Aber hört. „Und ich muss wirklich sagen. Mir gefällt das gut“, sagt die Frau und lacht wieder. Dass sie in den Jahren zuvor nie zu den Veranstaltungen auf dem Willy-Brandt-Platz oder zuletzt zur Campus-Premiere gekommen ist, kann sie rückblickend nicht verstehen. „Das macht richtig Spaß“ - also so weit sie das hören kann.

Von der Selmer Stadtfest-Bühne sind vom Erdgeschoss aus sind nur die äußeren Umrisse zu sehen.

Von der Selmer Stadtfest-Bühne sind vom Erdgeschoss aus sind nur die äußeren Umrisse zu sehen. © Sylvia vom Hofe

Die Stadt Selm hatte sie und die anderen Bewohnerinnen und Bewohner der von WBG und Bauverein errichteten Campus-Häuser angeschrieben und auf das bevorstehende Fest hingewiesen. Das findet Christa Didzun wichtig, „Jeder konnte sich ja dann darauf einstellen, was kommt.“ Auch ihre 82-jährige Nachbarin finde das so in Ordnung. Stadtfest sei schließlich nur einmal im Jahr - und das wegen Corona mit zwei Jahren Verspätung. Da nicht jeder das so sieht wie die beiden, gibt es aber strenge Auflagen. Um 24 Uhr muss Schluss sein mit lustig - und mit der Musik. Bei Schützenfesten geht es dann oft auf der Tanzfläche erst richtig rund.

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