Anfang Januar gingen die Briefe des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen bei den Schulen im Land ein. Die Überschrift: „Unparteilichkeit von Schulen im Vorfeld der Wahl“. „Dem Grundsatz schulischer Neutralität und Unparteilichkeit (...) kommt ein hohes Gewicht zu“, heißt es darin. „Bei dem Besuch oder der Organisation von politischen Veranstaltungen (z.B. Podiumsdiskussionen), insbesondere im Vorfeld von Wahlen, ist den Schulen generell Zurückhaltung zu empfehlen.“
Weiter heißt es: „Ausdrücklich wird auf das im Bildungsportal des Ministeriums genannte Abstandsgebot von etwa sechs Wochen vor der Wahl hingewiesen, das trotz der Kurzfristigkeit der am 23. Februar 2025 anstehenden Bundestagswahl gilt.“
Letzteres sorgte für einen gewissen Aufruhr: Wegen des vorgezogenen Urnengangs kommen praktisch keine Podiumsdiskussionen mehr infrage. An mehreren Schulen in NRW wurden solche abgesagt, so zum Beispiel an der Lüner Käthe-Kollwitz-Gesamtschule. Scharfe Kritik gab es von der NRW-FDP: die Landesregierung schade der Demokratie, indem sie politische Diskussionen in Soziale Netzwerke verlagere, äußerte sich Landesparteichef Henning Höne.

„Das Neutralitätsgebot gehört sich ohnehin. Es ist erschreckend, dass überhaupt darauf hingewiesen werden muss“, sagt Karin Vogel, Leiterin der Sekundarschule Selm, auf Anfrage der Redaktion. Als Lehrerin habe sie einen Eid geschworen, sich daran zu halten.
Die Wahl an sich sei natürlich Thema im Unterricht, vor allem in Gemeinschaftslehre. „Dass sie vorgezogen wurden, macht sie natürlich als Lehrinhalt für die Schulen besonders interessant“, erklärt Vogel. „So können wir das Prozedere sehr anschaulich erklären.“ Außerdem werde in der Woche vor der Wahl für die Jahrgangsstufe 10 noch die Juniorwahlen stattfinden. „Sinnvoller als Podiumsdiskussionen finde ich, die Kinder in das Prozedere einzubinden“, sagt Vogel. Kandidatendiskussionen seien ohnehin nicht geplant gewesen.
Viola Löchter, Leiterin des Gymnasium Selm, äußert sich ähnlich. Auch hier sei von vornherein keine Podiumsdiskussion geplant oder angedacht gewesen. „Für unsere Schüler ist die Kommunalwahl die spannendere“, so Löchter, „weil sie dort viel direkter mitentscheiden und auch mehr unserer Schüler mitwählen dürfen.“ Bei der Kommunalwahl, die am 28. September 2025 stattfindet, dürfen auch Jugendliche ab 16 mitwählen.
Eine Empfehlung, kein Gebot
„Für die Kommunalwahl ist es mir wichtig, dass wir uns gemeinsam mit der Schülervertretung und allen politischen Akteuren überlegen, in welcher Form wir ein gutes Angebot für alle Schülerinnen und Schüler in Selm schaffen“, so die Leiterin des Gymnasiums. Die Planungen dazu sollen nach den Bundestagswahlen starten. „Gerne möchten wir an die Tradition anknüpfen, dass es wieder eine Veranstaltung mit Lokalpolitikern im Sunshine gibt“, sagt sie. Sie möchte „Politik nahbar machen“.
Aber: „Für die Schüler steht die Politik vor Ort einfach mehr im Fokus“, so Löchter.
Darüber hinaus weist auch sie auf das Neutralitätsgebot, das für Lehrer gilt, hin. „Das ist eine Selbstverständlichkeit.“
Was den Vorwurf seitens der FDP an die Landesregierung angeht, sie reduziere bewusst die Demokratie an den Schulen, nimmt die Landesregierung folgendermaßen Stellung: „Es ist in Nordrhein-Westfalen seit mehr als zehn Jahren gelebte Praxis, dass das Ministerium für Schule und Bildung die Bezirksregierungen vor Wahlen bittet, die Schulen in ihrem Regierungsbezirk auf das Neutralitätsgebot und das Abstandsgebot vor Wahlen hinzuweisen.“ Eine Empfehlung sei es, kein starres Gebot. „Das Schulministerium begrüßt ausdrücklich, dass sich junge Menschen auch in der Schule intensiv mit der bevorstehenden Bundestagswahl auseinandersetzen“, heißt es.