
© Christine Jücker
Grundschul-Leiterinnen in Selm starten entspannter in neues Schuljahr
Schule zu Corona-Zeiten
Während in anderen Städten die Zahl der Corona-Infizierten an Schulen täglich steigen und dutzende Schüler in Quarantäne müssen, ist die Lage in Selm noch entspannt. Sorgen gibt es trotzdem.
Dezember 2020: In der Familie eines Kindes, das die Ludgerischule besucht, gab es einen Corona-Fall. Die Familie sagte der Schule und die wiederum dem Gesundheitsamt Bescheid. Daraufhin wurde die Klasse des Kindes durch das Gesundheitsamt für 14 Tage in Quarantäne geschickt. Als die 14 Tage nahezu um waren, bat das Gesundheitsamt alle 27 Kinder der Klasse in die Turnhalle der Schule, um sie zu testen und nach Ablauf der Quarantänezeit den Schulbesuch wieder freizugeben.
„Das war viel komplizierter als jetzt“, erinnert sich Andrea Dabrowski, Konrektorin an der Ludgerischule. „Jetzt ist es viel einfacher.“ Seit dem 12. April gibt es die Testpflicht, seit 31. Mai die „Lolli“-Pooltestung an Grundschulen. Neu seit diesem Schuljahr ist, dass nicht mehr ganze Klassen, wie beispielsweise im Dezember 2020, in Quarantäne müssen, sondern nur noch direkte Kontaktpersonen aus der Klasse.
Als an der Ludgerischule in der vergangenen Woche (am Mittwoch, 25. August) erneut ein Corona-Fall bekannt wurde, war das Prozedere folgendes: Die Eltern der Klasse wurden noch am selben Tag informiert; sie hatten die mitgegebenen PCR-Einzeltests an ihren Kindern durchzuführen und bis zum nächsten Morgen an der Schule abzugeben. Mittels eines Codes hatten sie ihre Kinder zuvor bereits beim Gesundheitsamt des Kreises Unna registriert.
Das Gesundheitsamt wertete die Tests aus und identifizierte das infizierte Kind, deren Eltern dann Bescheid bekamen. Die Schule blieb dabei außen vor, hatte aber Sitzplan, Hygienemaßnahmen und sonstige Aktivitäten der Klasse dem Amt zu übermitteln, das wiederum die Schülerinnen und Schüler ermittelte, die als Kontaktpersonen in eine 14-tägige Quarantäne geschickt werden mussten. Außer dem betroffenen Kind waren es in diesem Fall sieben.
„Der Knackpunkt an diesem Prozedere ist, dass erst mal alle Kinder, bis auf das positiv herausgefilterte Kind, zurück in die Schule dürfen, bis das Gesundheitsamt informiert, welche Kinder in Quarantäne müssen“, sagt Konrektorin Andrea Dabrowski. „Das ist alles sehr schwer verständlich.“ Aus gesundheitlicher Sicht empfindet sie durch dieses Vorgehen keine Gefahr - „eine kleine Menge des Virus reicht schon aus, um es zu identifizieren, eine gewisse Sicherheit ist auf jeden Fall da“, sagt sie. Aber für die Eltern sei das organisatorisch „durchaus eine Herausforderung.“
Eltern sind müde
Neben der Sorge, dass sich gerade Grundschulkinder als Ungeimpfte anstecken könnten, bereitet vielen Eltern die Quarantänezeit Kopfschmerzen. Nicht nur, dass sie während der 14 Tage eine Betreuung Zuhause organisieren müssten, auch eventuell verpasster Schulstoff bereitet vielen Kopfschmerzen. Während ein Teil der Klasse in der Schule unterrichtet wird, kann kein Online-Unterricht für die Kinder, die unter Quarantäne stehen, geleistet werden.
Jule Krannich, Mutter von drei Kindern im Alter von sechs, sieben und neun Jahren, die alle die Ludgerischule besuchen, fühlt sich inzwischen auch etwas ermüdet. „Man kann einfach nicht sicher planen, dass die Kinder auch sicher zur Schule gehen können“, sagt sie. Als Therapeutin sei sie immer wieder für andere Kinder ausgefallen.
Die aktuellen Regelungen empfindet sie „als zweischneidiges Schwert“: Jetzt ist die Gefahr der Quarantäne geringer aber die Gefahr, dass ein Kind sich ansteckt höher. Aber da kann weder Schule noch Politik anders handeln, sondern alle in allen Bereichen sollen verantwortungsvoll damit umgehen.“
„Wir haben für alle Kinder die Wochenpläne online stehen. Außerdem gibt es Materialpakete und Videozeiten. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, in den Förderstunden Stoff nachzuholen“, informiert Dabrowski. „Ich bin erst einmal sehr positiv und zuversichtlich, dass das nicht das ganze Jahr so geht. Da ist es an der ganzen Gesellschaft, die Kinder zu schützen.
Neuer Fall Auf den Äckern
Auch an der Grundschule Auf den Äckern gab es ganz aktuell (am Montag, 30. August) einen positiven Fall. Wie viele Kinder in Quarantäne müssen, steht noch nicht fest. Schulleiterin Anja Knipping ist froh, dass nicht mehr ganze Klassen in Quarantäne müssen. Und auch froh, dass es die Testungen in dieser Form gibt. „Die PCR-Testungen sind ein tolles Instrument“, sagt sie. „Eine Durchseuchung kann keine Alternative sein.“ Und es dürfe auch nicht mehr sein, dass die Schule komplett schließt, „das hat zu viele negative Effekte“.
Viel Verständnis hat Knipping in der aktuellen Situation für die Eltern: „Die haben sehr viel geleistet und sind einfach müde.“ Für die Daheimbleibenden wird über die Lernplattform I-Serve Unterrichtsmaterial bereitgestellt, außerdem soll es auch hier zwei Mal pro Woche Videosprechstunden geben. „Ich selbst bin zwar inzwischen auch ein bisschen müde“, sagt Knipping, „aber ich versuche immer das Beste daraus zu machen und am Ball zu bleiben.“ „Der Worst Case wäre, wenn Klassen reihum in Dauer-Quarantäne wären“, äußert sich Christine Jücker, Leiterin der Overbergschule, zum Thema. „Oder meine Lehrkräfte. Aber das wird nicht passieren, sie tragen alle FFP2-Masken.“
Und so hatten sie auch bei Fällen im vergangenen Schuljahr nicht in Quarantäne gemusst. „Wir haben auch schon mehrfach ganze Klassen in Quarantäne gehabt“, sagt sie, „gelernt haben die aber trotzdem was.“ Eine Lernstandserhebung zu Beginn des neuen Schuljahres hatte das Ergebnis erbracht: „durchweg normal“. Dennoch sagt auch Jücker: „Wir glauben, dass wir die Kinder nach bestem Wissen und Gewissen unterrichtet haben. Trotzdem ist es das Richtige und das Beste, wenn sie einfach hier sind.“
In und um Stuttgart aufgewachsen, in Mittelhessen Studienjahre verbracht und schließlich im Ruhrgebiet gestrandet treibt Kristina Gerstenmaier vor allem eine ausgeprägte Neugier. Im Lokalen wird die am besten befriedigt, findet sie.
