Viereinhalb Monate nach einem bewaffneten Raubüberfall auf die Star-Tankstelle an der Borker Straße in Waltrop hat jetzt am Bochumer Landgericht der Prozess begonnen. Angeklagt ist ein 20-jähriger Mann aus Selm, dessen Leben offensichtlich schon seit längerem auf der schiefen Bahn verläuft.
Am Tattag, dem 21. Oktober 2024, will der Angeklagte gegen Mittag mit enormen Entzugserscheinungen aufgewacht sein. „Ich habe Suchtdruck verspürt, hatte aber kein Kokain mehr da“, sagte der 20-Jährige.
Kurzerhand habe er da den Plan geschmiedet, sich Geld für neues Kokain durch einen Raubüberfall zu besorgen. An die spätere Tatwaffe will er bereits Monate zuvor „über Ecken“ gekommen sein.
Schwarze Kleidung, das Gesicht mit Kapuze und Tuch vermummt und in der Hand des ausgestreckten Arms eine Schusswaffe: So war der Selmer damals gegen 13.40 Uhr in den Verkaufsraum der Waltroper Star-Tankstelle gestürmt.
Laut Anklage befand sich damals eine Angestellte an der Kasse, die erst drei Wochen zuvor ihre Ausbildung begonnen hatte. „Gib das Geld raus. Runter auf den Boden“, soll der Selmer die junge Auszubildende angebrüllt haben. Die damals 18-Jährige soll sofort auf die Knie gesunken sein.

„Die Frau war aber komplett in Schockstarre“, erinnerte sich der Angeklagte. Da habe er dann schließlich „alles selbst gemacht“. Erst habe er noch versucht, die Tankstellen-Kasse einfach so wegzureißen. „Doch die ist am Kabel hängengeblieben“, so der Angeklagte.
Daraufhin will er sich eine auf der Theke liegende Schere gegriffen, das hinderliche Kabel durchgeschnitten haben und dann mitsamt der Kasse -die laut Anklage gefüllt war mit 550 Euro Bargeld - mit seinem Renault Clio vom Tatort geflüchtet sein.
Weit war der mutmaßliche Tankstellenräuber damals allerdings nicht gekommen. Der 20-Jährige will kurz danach an der Polizeischule in Selm-Bork angehalten haben, um seinen Fluchtwagen unauffälliger zu tarnen - und die Nummernschilder zu wechseln. Dabei unterlief dem Selmer dann aber wohl ein verhängnisvoller Fehler.
„Ich hatte offenbar eine Halterung nicht richtig draufgedrückt, so dass bei der Weiterfahrt ein Kennzeichen wieder abgefallen ist“, so der Angeklagte. Die Konsequenz: Der 20-Jährige wurde von der Polizei angehalten und alles flog auf. „Bei der Festnahme hatte ich dann auch noch einen Joint im Mund“, erinnerte sich der 20-Jährige. Und auch die Tatwaffe soll angeblich sichtbar aus seiner Jackentasche geragt haben.
Seit er 14 Jahre alt ist, lebte der Selmer nach eigenen Angaben bei seiner Großmutter. Schon seine Schulzeit sei geprägt gewesen von Problemen, seine Handwerksausbildung habe er später wegen Drogenmissbrauchs abbrechen müssen, berichtet der den Richtern der 8. Jugendkammer. Vor allem zuletzt sei er immer weiter in exzessiven Drogenkonsum abgerutscht.
„Koks, Cannabis, Lachgas. Ich habe von allem extrem viel genommen. Aber am wichtigsten war Kokain“, räumte der 20-Jährige ein. In einem beschlagnahmten Brief aus der Haft heraus soll er seiner Freundin einmal geschrieben haben: „Ich bin froh, dass ich verhaftet wurde. Sonst wäre das noch wilder geworden.“
Jugendstrafrecht möglich
Wilder? Gab es davor etwa schon andere Überfälle? Was genau hinter der Andeutung im Brief steckte, behielt der 20-Jährige für sich. Angeblich will er das als bloße Bemerkung hinsichtlich seiner Tätowierungen verstanden wissen.
Seit Oktober sitzt der 20-Jährige im Jugendgefängnis in Wuppertal. Für schweren Raub sind üblicherweise mindestens fünf Jahre Haft vorgesehen. Im Falle einer Verurteilung ist hier aber auch noch die Anwendung des Jugendstrafrechts möglich.