Selm spiegelt Krise der Volksparteien: Die Bundestagswahlen seit 1990

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Selm spiegelt Krise der Volksparteien: Die Bundestagswahlen seit 1990

rnVor der Bundestagswahl

Die Nachbarn im Norden sind schwärzer als der Bundesdurchschnitt, die im Süden roter. Selm dagegen war zumindest bei der Bundestagswahl 2017 ein Spiegelbild des Bundes: eine Langzeitanalyse.

Selm

, 26.09.2021, 06:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Wahlsonntag 2021 verspricht spannender zu werden als jemals zuvor seit der Wiedervereinigung. Nie war es schwieriger eine Wahlprognose zu erstellen. Grund genug, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Wie haben sich die Selmerinnen und Selmer seit 1990 entschieden? Wie hätte der Bundestag ausgesehen, wenn sie allein es hätten entscheiden können?

Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 herrschte in Selm nahezu eine Patt-Situation: 44 Prozent für die SPD und 42,3 Prozent für die CDU. Im bundesweiten Ergebnis trennten zehn Prozentpunkte die beiden großen Parteien, deren Ruf als Volkspartei damals noch unangetastet war. Die CDU als Partei des Kanzlers der Einheit lag entsprechend weit vor der SPD und nicht nur einen Wimpernschlag entfernt wie in Selm.

Auch Selm wählte 1998 die Kohl-Regierung ab

Über die Fünf-Prozent-Hürde schafften es damals nur die Liberalen - in Selm mit 7,5 Prozent der Stimmen, bundesweit mit 11 Prozent. Im Bund wie vor Ort zeigte das Wahlvolk den Grünen und der Partei Die Linke, die damals noch PDS hieß, die kalte Schulter.

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Das Selmer Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und CDU hatte keine lange Dauer. Denn nach 1990 ging die Schere in der Stadt auf der Nahtstelle zwischen Münsterland und Ruhrgebiet erst einmal auseinander - zu Gunsten der Sozialdemokraten. Bei der Wahl 1998 stimmte fasst die Hälfte (49,9 Prozent) der Selmer Wählerinnen und Wähler für die SPD des Kohl-Herausforderer Gerhard Schröder - bundesweit waren es 40,9 Prozent. Zum ersten und bisher einzigen Mal wurde eine Bundesregierung komplett abgewählt.

Kritik an der Agenda 2010 ließ Zustimmung sinken

Die Sympathien für Schröders Politik schrumpften schnell in der Zeit der Regierungsverantwortung. Insbesondere bei der Agenda 2010, die mit einschneidenden Maßnahmen zur Reform des deutschen Sozialsystems und des Arbeitsmarktes führte, verweigerten auch immer mehr Selmerinnen und Selmer der SPD ihre Stimme.

2009 kommt es wie schon fünf Bundestagswahlen zuvor wieder zu einer Art Pattsituation in Selm - dieses Mal aber auf deutlich niedrigerem Zustimmungsniveau und unter umgekehrten Vorzeichen wie 1990. Die CDU zog in Selm an der SPD vorbei, wenn auch nur knapp mit einem Unterschied von nicht einmal zwei Prozentpunkten. Im Bund trennen etwas mehr als 10 Prozentpunkten die siegreiche CDU von Kanzlerin Angela Merkel und die SPD des damaligen Herausforderers und heutigen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier.

AfD wurde auch in Selm 2017 die drittstärkste Kraft

Die Union konnte bis zur nächsten Wahl 2013 in Selm den Vorsprung um beinahe 5 weitere Prozentpunkte ausbauen und erreichte mit 39,6 Prozent - fast gleichauf mit dem Bundeswert (41,5 Prozent) - ihr drittbestes Ergebnis seit 1990. Bei der Bundestagswahl 2017 folgte die Talfahrt - für CDU und SPD gleichermaßen. Zur Wahl des 19. Deutschen Bundestags erzielten beide Parteien ihr schlechtestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung. Selm ist dabei ein Spiegelbild des Bundes. Allerdings ist der SPD-Wert mit nicht ganz 30 Prozent wesentlich freundlicher als der auf Bundesebene, wo die SPD lediglich 20,5 Prozent erzielte.

AfD und FDP gewannen beide mehr als 11 Prozent bei der letzten Wahl in Selm. Wie auch im Bund wurde die Rechtsaußen-Partei die drittstärkste politische Kraft in Selm und lag - wenn auch nur ganz knapp - vor den Liberalen. Linke und Grüne stagnierten bei der letzten Bundestagswahl bei 6,3, beziehungsweise gerade einmal 5 Prozent der Stimmen.

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