Mutter nach tragischem Tod von Dominic (10) „Manchmal sage ich ihm, dass ich ihn vermisse“

Sechs Monate nach Dominics Tod: Familie lebt mit Trauer und Kosten
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Am 5. Dezember 2022 veränderte sich die Welt für alle, die Dominic Müller kannten. Der 10 Jahre alte Junge aus Selm war beim Hochlaufen auf einer Treppe in der Regenbogenschule in Bergkamen-Rünthe zusammengebrochen und in die Kinderklinik nach Hamm gebracht worden. Dort konnten ihm die Ärzte nicht mehr helfen. Dominics Leben endete tragischerweise wegen eines unentdeckt gebliebenen Herzfehlers viel zu früh.

Beim Gespräch mit Mutter Vanessa Müller und ihrem Partner Hendrik Kleiner am Grab des Jungen sagt sie beim Blick auf das Todesdatum nachdenklich: „Jetzt ist Dominic schon sechs Monate tot.“ Zwei bis drei Mal pro Woche besucht die Selmerin ihren Sohn, dessen Grab bewusst unter einem Baum angesiedelt ist, weil der Schüler die Natur sehr liebte und einmal selbst einen Baum pflanzen wollte, wie seine Mutter erzählt.

„In den ersten zwei, drei Monaten war ich jeden Tag hier. Hier ist der Platz, wo ich mit ihm rede. Manchmal sage ich ihm, dass ich ihn vermisse, manchmal verfluche ich Gott und die Welt, manchmal weine ich nur und manchmal erzähle ich ihm einfach, was hier so passiert, als ob er noch da wäre“, schildert Vanessa Müller.

Briefe der Mitschüler im Grab

Ihr Partner Hendrik Kleiner weiß um die Schwierigkeit der Trauerbewältigung: „Jeden Tag, an dem sie nicht zum Grab geht, erklärt sie mir, dass sie ein schlechtes Gewissen hat.“ Auf dem mit rotem Rindenmulch gefüllten Grab - rot war Dominics Lieblingsfarbe - stehen verschiedene Gegenstände, die an Ereignisse und bestimmte Bezugspersonen in seinem kurzen Leben erinnern.

Direkt am Holzkreuz lehnt ein Teddybär, den seine 18 Jahre alte Schwester zur Beerdigung mitgebracht hat. Die Mitschüler haben einen Engel aufgestellt und Briefe geschrieben, die sie mit ins Grab gelegt haben. Dazu kommen eine Kerze mit einem gemeinsamen Bild von Dominic und seiner Tante sowie ein Feuerwehrauto. Und eine Schnecke steht dort, eine Erinnerung an ein eher kurioses Erlebnis, als er zwei Jahre alt war. „Damals hat er zu Hause im Garten eine Weinbergschnecke von unten abgelutscht“, erklärt seine Mutter.

Doch ein echter Grabstein fehlt auch ein halbes Jahr nach der Beerdigung noch. Der wäre Vanessa Müller und Hendrik Kleiner sehr wichtig, kostet aber trotz Entgegenkommens des Steinmetzes (Grabmale Weber aus Dülmen) 6000 Euro. „Die Beerdigung war für uns schon sehr teuer, obwohl das Bestattungshaus sehr zuvorkommend war und vieles möglich gemacht hat. Das liegt jetzt einfach außerhalb unseres Budgets“, stellen die beiden klar.

Nach Dominics Tod fehlen unter anderem auch das Kindergeld sowie andere Förderungen. Außerdem hatte das Paar für seinen Sohn keine Sterbegeldversicherung abgeschlossen. „Da denkt man natürlich in dem Alter überhaupt nicht dran. Im Nachhinein würden wir aber allen Eltern nahe legen, sich mit dem Thema mal auseinanderzusetzen“, rät Vanessa Müller mit Blick auf die finanziellen Folgen, die neben der emotionalen Belastung warten.

So sieht Dominics Grab auf dem Selmer Friedhof aktuell aus.
So sieht Dominics Grab auf dem Selmer Friedhof aktuell aus. © Bastian Becker

Spendenaktion für Grabstein

Sie haben jetzt eine Online-Spendenaktion gestartet, um das notwendige Geld zu sammeln. 45 Spender haben sich bereits beteiligt. „Wir sind jedem einzelnen sehr dankbar. Das berührt uns sehr“, berichtet Vanessa Müller. Eine Spenderin, die anonym bleiben möchte, habe alleine 3800 Euro gespendet. Das wäre genug für den Grabstein selbst (ohne Umrandung). Somit fehlen aktuell (Stand 12. Juni) nur noch 1130 Euro, um Dominics Grabstein kaufen zu können. „Das ist das Letzte, was ich für meinen Sohn noch tun kann“, macht Vanessa Müller deutlich. Hendrik Kleiner betont: „Wenn es am Ende knapp nicht reichen sollte, verkaufen wir auch unsere Handys. Hauptsache, es sieht schön aus.“

Wenn Vanessa Müller an den Tod ihres Sohnes zurückdenkt, werden ihre Augen feucht. „Dominic war ein großer Weihnachtsfan, deshalb gab es bei seiner Beerdigung auch Kunstschnee und wir haben hässliche rote Pullis getragen. In seinem Zimmer haben wir einige Geschenke gefunden, die er für das Fest bereits vorbereitet hatte“, schildert sie.

Nach einigen Wochen Pause von ihrem Job als Fahrerin im Schülerspezialverkehr sei sie mittlerweile wieder aktiv. „Ich hatte erst Angst vor dem Tag, an dem ich wieder arbeiten gehe. Doch jetzt lenkt mich das gut ab“, meint Vanessa Müller. Ihr Lebensgefährte arbeitet als Begleitperson im gleichen Bus. Schwierig sei es manchmal schon, die Schüler in Dominics Alter zu sehen. Noch unangenehmer sei es für sie aber, wenn sie an der Sekundarschule vorbeifährt. „Auf die sollte Dominic jetzt im Sommer wechseln. Er hat sich schon sehr darauf gefreut. Auch, weil er dann einen neuen Rucksack bekommen sollte“, erzählt seine Mutter.

Ein Grabstein mit Herz: Dafür fehlt Familie Müller/Kleiner nach der teuren Beerdigung das Geld.
Ein Grabstein mit Herz: Dafür fehlt Familie Müller/Kleiner nach der teuren Beerdigung das Geld. © privat

Stöhnen über Besuche der Mutter

Das Kinderzimmer des verstorbenen Jungen bewohnt jetzt der zwei Jahre jüngere Sohn von Hendrik Kleiner. „Sie waren gute Kumpel“, sagt dessen Vater. Dominics Spielzeug ging an seinen Freund und seinen Cousin. Einige andere Habseligkeiten liegen derzeit in einer Kiste und sind sicher verwahrt. „Ich konnte einfach nicht in sein Zimmer gehen und das alles sehen. Im Esszimmer stehen auf einem Schrank sein Foto und verschiedene Stofftiere. Da stehe ich zu Hause häufiger und rede mit ihm“, erläutert Dominics Mutter.

Eigentlich wollte sie, wenn Dominic auf die weiterführende Schule wechselt, in Vollzeit arbeiten. Doch das muss nun zunächst warten. „Aktuell schaffe ich es einfach psychisch nicht“, sagt Vanessa Müller. Zu nah ist noch der Verlust, zu eng die Bindung zu ihrem Sohn. „Er mochte es nicht so, wenn ich zu häufig in seiner Nähe war. Manchmal, wenn ich mich am Grab mit ihm unterhalte, höre ich noch sein Stöhnen“, schmunzelt seine Mutter. Sie wünscht sich für Dominic mit Blick auf den gelben Schmetterling, der ebenfalls auf dem Grab sitzt: „Mein Sohn fliegt jetzt bestimmt auch irgendwo.“

Wer sich an der Spendenaktion für den Grabstein beteiligen möchte, kann das auf https://www.gofundme.com/f/ein-grabstein-fur-dominic tun.

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