Wie ein neues Schwimmbad aussehen soll. Warum auch ein Leben ohne Schulden gelernt sein will. Und ob er Bürgermeister bleiben möchte: Das sagt Dietmar Bergmann im Sommerinterview.

Nordkirchen

, 25.07.2019, 20:32 Uhr / Lesedauer: 4 min

Das Thermometer zeigt 30 Grad schon morgens. Im Besprechungsraum im Obergeschoss des Rathauses ist es auch nicht viel kühler: passendes Wetter für das Sommerinterview mit Nordkirchens Bürgermeister Dietmar Bergmann (57). Ein Gespräch über Tourismus vor der Haustür, Millionen-Einnahmen und über Bergmanns Zukunft.

Ursula von der Leyen ist neue Präsidentin der EU-Kommission. Von der deutschen SPD hatte sie keine Unterstützung bekommen. Sie sind auch SPD-Politiker. Hätten Sie von der Leyen gewählt?

(kurze Pause). Für mich ist entscheidend, dass die Wahl überhaupt ein Ergebnis gebracht hat. Alles andere wäre nur Wasser auf den Mühlen der EU-Kritiker gewesen, die behaupten: ,Die kriegen das nicht hin.‘ Um mir eine Entscheidung anzumaßen, ob Ursula von der Leyen die richtige ist, bin ich aber zu weit weg. Es geht für mich aber um die Sache und nicht um Parteipolitik.

Vom Spitzenamt in Europa zum Spitzenamt in Nordkirchen: Im September 2020 sind Kommunalwahlen in NRW. Allerorts diskutieren Parteien, wen sie ins Rennen schicken sollen und präsentieren langsam ihre Kandidaten. Werden Sie erneut als Bürgermeister antreten?

Die Frage habe ich erst am Ende erwartet (lacht). Ich mache das Ganze jetzt schon zehn Jahre. Der Job, den ich hier mache, macht mir viel Spaß. Ich glaube sagen zu können, dass ich mit meinem Team im Rathaus und mit der Politik einiges bewegt habe. Bis zur Wahl ist es noch mehr als ein Jahr, ich habe die Entscheidung für mich auch noch nicht getroffen. Immer mit neuen Themen konfrontiert zu sein, neue Ideen einbringen und umsetzen zu können - für mich ist das ein Traumjob.

Ein Wieviel-Stunden-Job?

(lacht) Man ist von morgens bis abends im Amt, auch am Wochenende, wo einen die Bürger privat ansprechen. Ich nehme mir heraus, jetzt im Sommer morgens ab 7 Uhr ein paar Bahnen im Cappenberger See zu ziehen. Dann bin ich gegen 8.30/9.00 Uhr hier, dafür geht es abends schon mal bis 20.00/21.00 Uhr.

Wann entscheiden Sie, ob sie das weiter machen wollen?

Das entscheide ich nicht alleine, sondern mit meiner Frau und den Kindern (Anm. d. Red.: die Bergmanns haben zwei Kinder, 26 und 28 Jahre, und ein einjähriges Enkelkind). Über den Sommer wollen wir nachdenken.

Nach den Ferien steht also die Entscheidung?

Bis Ende des Jahres, sage ich mal.

Ursula von der Leyen tritt zum 1. November an ...

... vielleicht auch schon bis dann.

Laut einer aktuellen Umfrage des Fachblatts Kommunal unter 1055 Bürgermeistern ist der Job zunehmend anstrengend, weil der Ton immer rauer werde. Vier von zehn gaben an, beleidigt worden zu sein. Kennen Sie so etwas?

Nein, das spüre ich glücklicherweise nicht, auch wenn ich es von Kolleginnen und Kollegen auch höre. Sicherlich gib es auch mal eine unsachliche Entgegnung. Damit muss man aber umgehen lernen.

Wie?

Meine Philosophie ist es, bei Kritik nicht lange Briefe zu schreiben, sondern das Gespräch zu suchen. Man kann den Bürgern nicht alles recht machen, aber vieles erklären.

Zum Beispiel, warum es eine Bebauung im Grünen in Capelle geben muss?

Mir war ja klar, dass es Diskussionen über das Baugebiet Wohr geben würde. Wir sind von vorne herein offen damit umgegangen und haben das breit diskutiert, anstatt es straff durchzuziehen. Nachdem die Wogen anfangs hoch schlugen, war die Bürgerbeteiligung jetzt sehr sachlich. Es gibt immer noch Vorbehalte, aber die großen Emotionen sind raus.

Der Abwasser-Deal, die Übertragung des Abwassernetzes an den Lippeverband, hat Nordkirchen Anfang des Jahres über Nacht schuldenfrei gemacht. Hatten Sie da schlaflose Nächte?

Als ich 2009 hier anfing, war die schlechte finanzielle Situation Nordkirchens das größte Problem. Dass wir heute einmal so dastehen würden, konnte ich mir damals nicht denken. Die Zusammenarbeit mit dem Lippeverband läuft reibungslos. Mit der neuen finanziellen Situation bei uns im Haus man muss aber auch erst umgehen lernen.

Mit Schuldenfreiheit umgehen lernen?

Ja, wir wollen schließlich auch künftig keine Schulden und keine Kredite mehr haben. Früher wurde das Konto überzogen, wenn Maßnahmen umgesetzt werden sollten. Jetzt zu sagen: Wir leisten uns was, wäre da fatal. Darum müssen wir bei allen Ausgaben wie bei einem Zaun für den Sportplatz Südkirchen warten, bis die Liquidität vorhanden ist.

Tut es Ihnen nicht weh, wenn Sie jetzt die Debatte über einen Schuldenschnitt für hoch verschuldete Ruhrgebietsstädte hören?

So sehe ich das nicht. Keiner weiß, ob es tatsächlich dazu kommt. Bis dahin Jahr für Jahr fast eine halbe Million Euro Zinsen zu zahlen, wäre keine Option für mich.

Und was sagen Sie den Bürgern, die sich Sorgen machen, dem Lippeverband mehr zahlen zu müssen für die Abwasserentsorgung als der Gemeinde.

Die, die in der Vergangenheit Kanalanschlussbeiträge gezahlt haben, zahlen weniger als vorher, die Neuen im Neubaugebiet Große Feld etwa zahlen so viel, wie im vergangen Jahr gezahlt wurde. Umstellungsbedingte Gebührenerhöhungen sind ausgeschlossen. Bei Tariferhöhungen oder durch Ausweisung weiterer Baugebiete kann es aber perspektivisch schon zu Gebührenerhöhungen kommen. Das wäre bei uns aber auch nicht anders gewesen. Nur dass der Lippeverband manches durch Synergien günstiger erledigen kann als wir.

Auf dieser Fläche neben der Gesamtschule Am Gorbach soll das Hotel gebaut werden.

Auf dieser Fläche neben der Gesamtschule Am Gorbach soll das Hotel gebaut werden. © Karim Laouari

Kann ein Hotelier auch günstiger ein Schwimmbad betreiben als die Gemeinde?

Allerdings. Hotel und Schwimmbad: Das ist zurzeit das größte Projekt und eine Riesenchance. Ja, das dauert schon eine ganze Zeit. Aber für die Chance, nebenan das Aus- und Fortbildungszentrum des Landes für Finanzbeamte zu entwickeln, hat sich das Warten gelohnt. Das macht es auch für den Hotelbetreiber interessant, wenn er nicht nur selbst 120 Zimmer mit 200 Betten hat, sondern nebenan 250 weitere Appartements und 20 Seminarräume, 20 Besprechungsräume und Mensa. Die Aulastung für den geplanten Sportbereich mit Schwimmbad und Wellness ist damit auch viel besser.

Wie viele Arbeitsplätze entstehen denn dadurch?

Etwa 80. Dazu kommt ein Mehrfaches im Umfeld. Der Betreiber will Dienstleistungen vor Ort einkaufen. Auch Einzelhandel und Gastronomie werden profitieren, denn es werden immer Gäste hier sein.

Gerade bei 30 Grad und mehr sehnt man sich nach Abkühlung. Wie lange ist das Schwimmbad schon zu.

Schon lange. Seit 2015. Das war eine der schwersten Entscheidungen für mich. Wir hatten damals diskutiert, ein Bad mit vier 25-Meter-Bahnen zu bauen: Mehr wäre sowieso nicht drin gewesen, und das war schon zu teuer. Jetzt bekommen wir sechs Bahnen, ein Lehrschwimmbecken, ein Kleinschwimmbecken und einen Wellnessbereich. Eine ganz andere Hausnummer.

Und da dürfen die Nordkirchener jederzeit rein?

Wir müssen uns da einkaufen: öffentliche Zeiten reservieren. Aber das ist natürlich günstiger als selbst zu bauen und zu betreiben. Zumal der Hotelbetreiber einen Betreiber mitbringt, der bereits Schwimmbäder in Deutschland und im Ausland hat und damit viel mehr Erfahrung hat als wir.

Wann wird es so weit sein?

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Der Flächennutzungsplan ist genehmigt. Jetzt arbeiten wir am Bebauungsplan, der Anfang nächsten Jahres fertig sein soll.

Dietmar Bergmann ist 57 Jahre alt. Er ist gebürtiger Lüner, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Seit 1988 wohnt der Diplom-Verwaltungswirt mit SPD-Parteibuch, der gerne schwimmt, in der Gemeinde Nordkirchen. Seit 2009 ist er dort Bürgermeister.
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