Madeleine Bartmuß, Ulrike Schlücker und Monika Zientz (v.l.) spielen Schlagzeug in der Musikschule Selm © Sabine Geschwinder
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Auf Spurensuche: Warum gibt es eigentlich so wenig weibliche Schlagzeugerinnen?
Ist das Schlagzeug zu laut und unmelodiös für Frauen? Nein, finden diese drei Schlagzeugerinnen. Trotzdem gibt es verhältnismäßig wenig Frauen, die das Instrument spielen. Warum eigentlich?
Wer in der Selmer Musikschule Schlagzeug üben will, geht dazu in den Keller - dort können sich die Schlagzeugschülerinnen und -schüler in Ruhe am Instrument ausüben. Dass hier Schlagzeug gespielt wird, ist jedem sofort klar, der die Instrumente in dem Raum nicht sofort sieht. Denn jede der vier Wände ist dort mit Plakaten gepflastert von schlagzeugspielenden Künstlern. Fast alles Männer. Nur zwei Plakate an den Wänden zeigen schlagzeugspielende Frauen.
Als Erwachsene aufs Schlagzeug gekommen
Madeleine Bartmuß, 32, Ulrike Schlücker, 64, und Monika Zientz, 67, haben sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Sie sind als Erwachsene zum Schlagzeugspielen gekommen.
Monika Zientz hat vor zwei Jahren einen Schnuppergutschein für die Musikschule erhalten. „Das Schlagzeug hat mich fasziniert“, sagt Zientz. Sie wusste nicht viel darüber, wie es ist, Schlagzeug zu spielen und musste dann auch schnell feststellen, dass es für die Koordination eine Herausforderung ist. „Man hat viele Teile am Instrument, bewegt seine zwei Arme und zwei Beine gleichzeitig. Ich fühlte mich gefordert.“
Als sie Urlaub in Simbabwe macht, lernt sie die afrikanische Trommel Djembe kennen. Eine Blechtrommel, die üblicherweise mit Ziegenfell bespannt ist. Mit der Djembe zu spielen, macht ihr mehr Spaß und so steigt sie auf das Instrument um.
„Es passt zu meinem Leben“
„Ich habe mich in der Schule nie für Musik interessiert“, sagt Madeleine Bartmuß. „Ich habe das immer abgewählt, aber ich bin total gerne auf Konzerte gegangen.“ Sie liebte es, die Bässe zu spüren. Vor zwei Jahren hat sie dann bei einem Schnupperkurs mit Schlagzeugspielen gestartet.
„Ich glaube, dass das Instrument ganz gut zu meinem Leben passt“, sagt Bartmuß, die als Krankenschwester arbeitet. „Ich glaube, ich kam da leichter rein als beim Klavier.“ Das Instrument verzeihe es ihr auch, wenn sie es mal zwei Wochen nicht schafft zu üben.
Ulrike Schlücker ist auch beim Schlagzeug geblieben. „Es ist körperlich schon anstrengend. Aber irgendwie hat es mir gefallen“, sagt sie. Sie ist vor vier Jahren zum Schlagzeugspielen gekommen. Ein wichtiges Vorbild war für sie eine Kollegin, die in der Schulband Schlagzeug gespielt hat. „Das hat mir imponiert, dass eine Frau das Instrument spielt“, sagt sie.
Vorstellungen geprägt
Die amerikanische Psychologin Betty Repacholi hat 2001 in einer Studie untersucht, ob es einen Unterschied macht, ob Männer oder Frauen ein Instrument spielen. Sie zeigte in verschiedenen Kontrollgruppen Videos mit Musikgruppen in verschiedenen geschlechtlichen Zusammensetzungen. Sie fand dabei heraus, dass die Mädchen eher bereit waren, ein als „männlich“ geltendes Instrument zu spielen, wenn sie zuvor Frauen daran spielen gesehen hatten, also ein Vorbild hatten. Jungs brauchten das nicht, auch sie bevorzugten Instrumente, die eher Männern zugeschrieben wurden.
An den Wänden hängen nur zwei Schlagzeugerinnen © Sabine Geschwinder
In der professionellen Musikszene sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Eine genaue, repräsentative Auflistung, wie viele Schlagzeugerinnen es auf der Welt gibt, existiert nicht. Die englische Wikipedia zählt 100 „relevante“ weibliche Schlagzeugerinnen aus dem englischsprachigen Raum. Bei den Männern sind es, zählt man nur die Namen bei den Buchstaben A und B, schon rund 150. Für Deutschland existiert eine vergleichbare Liste nicht.
In der Selmer Musikschule sind Bartmuß, Schlücker und Zientz die einzigen Schlagzeugerinnen von den Musikschülern (das Jekits-Programm zählt dabei nicht dazu). Das sind bei 16 männlichen Schlagzeugschülern 19 Prozent.
Nichts Besonderes
Grundsätzlich finden Madeleine Bartmuß, Ulrike Schlücker und Monika Zientz, aber, dass ihre Wahl, Schlagzeug zu spielen, nicht als besonders betrachtet werden sollte, aber „wenn man eine Frau irgendwo spielen sieht, ist es schon etwas Besonderes“, findet Madeleine Bartmuß.
Monika Zientz könnte sich vorstellen, dass junge Mädchen sich eher für ein Instrument entscheiden, dass melodischer ist. „Ich glaube auch, dass das Schlagzeug nicht unbedingt bei den Eltern an erster Stelle steht“, könnte sich Madeleine Bartmuß vorstellen. Dabei gebe es auch elektronische-Schlagzeuge, mit denen man mit Kopfhörern spielen kann.
Jeder kann jedes Instrument spielen
Verena Volkmer, die Leiterin der Musikschule ist überzeugt: „Jeder kann jedes Musikinstrument spielen.“ Sie findet es gut, wenn Klischees durchbrochen werden. Ihre Tochter zum Beispiel spiele Harfe und Schlagzeug. Sie glaubt, dass die Digitalisierung helfen kann, mögliche Grenzen zu überwinden. Heute könne man sich bei Youtube ja Videos von Schlagzeugerinnen aus aller Welt anschauen. „Wenn man irgendwas nicht kennt, wie soll ich dann das Interesse dafür bekommen?“, fragt Volkmer.
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