Das mutmaßliche Säuglings-Misshandlungs-Schicksal eines inzwischen sechs Jahre alten Jungen muss demnächst zum dritten Mal juristisch aufgearbeitet werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss auch den zweiten Freispruch gegen die Kindsmutter aus Herten wieder gekippt. Der Kindsvater aus Selm hingegen kann aufatmen – sein Freispruch wurde vom höchsten deutschen Strafgericht endgültig bestätigt.
Rückblick: In den Jahren 2019 und 2022 hatten zwei verschiedene Strafkammern am Bochumer Landgericht die getrenntlebenden Eltern jeweils aus Mangel an Beweisen von Säuglings-Misshandlungsvorwürfen freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft hatte jedoch stets Revision eingelegt und damit eine Überprüfung durch den BGH eingeleitet. Aufseiten der Anklagebörde war und ist man nach wie vor von der Schuld beider Eltern fest überzeugt. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft für die Eltern jeweils 21 Monate Haft auf Bewährung beantragt.
Die jüngste BGH-Entscheidung fiel erstmals nicht insgesamt - sondern zweigeteilt aus. Den Freispruch für den Vater aus Selm-Bork stufte der zuständige BGH-Senat rechtlich als nicht zu beanstanden ein. Das Freispruch-Urteil gegen die Mutter wurde dagegen erneut aufgehoben.
Im Fall der Mutter ordnete der BGH nunmehr eine dritte Verhandlung zur Klärung der Frage an: Hat die Kindsmutter den nur wenige Wochen alten Säugling im Winter 2016 schwer misshandelt? Außerdem neu: Diesmal soll der Fall nicht mehr am Bochumer Landgericht, sondern am Landgericht in Münster verhandelt werden.
„Roh misshandelt“
Als der Babyjunge am 1. November 2016 in eine Kinderklinik eingeliefert worden war, hatten Mediziner zahlreiche, teils schon ältere Knochenbrüche festgestellt. Die Anklage hatte „neun Ausrissfrakturen am rechten Oberarm, am rechten Ober- und Unterschenkel sowie am linken Unterschenkel“ aufgelistet. Darüber hinaus waren mehrere Rippenbrüche und Brüche am Unterarm diagnostiziert worden.
Laut Staatsanwaltschaft soll die Mutter ihr nur wenige Wochen altes Baby in der damaligen Familienwohnung in Herten mehrfach „roh misshandelt“ haben. Dem jetzt endgültig freigesprochenen Kindsvater war ursprünglich vorgeworfen worden, trotz Kenntnis der Verletzungen nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben.
Zweifel überwogen
Die beiden Freisprüche für die Eltern in Bochum waren am Ende jeweils darauf gestützt worden, dass die Richter sich außerstande sahen, letzte Zweifel zu überwinden, ob womöglich nicht doch auch Personen aus dem weiteren Familienkreis als aktive Täter infrage kommen können.
Die Angeklagten hatten zu Beginn mögliche Unfallversionen als Erklärungen für die Verletzungen ins Spiel gebracht, im zweiten Prozess dann komplett zu den Vorwürfen geschwiegen.
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