Am 3. November 1934 wurde Rostislav Caletka in der Nähe von Prerau in Tschechien geboren. In Selm-Bork lebt er erst seit drei Jahren – vorher hatte er ein bewegtes Leben. Nun feiert Rostislav Caletka am Sonntag seinen 90. Geburtstag.
Mit drei Schwestern wuchs er auf, ging dort zur Schule und machte sein Abitur in Brünn. Er erlebte die Zerschlagung der Tschechoslowakei 1938, den Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939, die Zwangspolitik der Sowjetunion, den Prager Frühling 1968 und die Emigration nach Deutschland in 1975. Aber auch viele Reisen und wissenschaftliche Studien mit Tauchgängen im Schwarzen Meer, private Bergbesteigungen und Reisen nach Samarkand und Taschkent bleiben ihm nach wie vor in guter Erinnerung.

1955 schrieb sich Rostislav an der Universität von Moskau als Student der Radio- und Kernchemie ein. Danach kam er zurück an das neu gegründete Kernforschungsinstitut bei Prag. 1963 wechselte er an das Vereinigte Institut für Kernforschung nach Dubna in Russland. Dort arbeitete Rostislav fünf Jahre im Teilchenbeschleuniger, einem Gegenstück zur Anlage in Cern. Es ist der größte Beschleuniger im Ostblock für schwere Ionen. Besonders hat er sich mit dem Element 104, dem Rutherfordium, beschäftigt, das dort erstmals erzeugt wurde. Während des Studiums in Moskau lernte Rostislav seine Ehefrau kennen und promovierte gleichzeitig. Sein Sohn wurde in Dubna geboren.
In seiner Freizeit war Rostislav aktiver Turner, Ringkämpfer, Taucher und Bergsteiger. Ein besonderes Erlebnis war die privat organisierte Besteigung des 7000 Meter hohen Pik Lenina im Pamirgebirge, das teilweise in Tadschikistan liegt. Ohne Atemmasken und mit selbst imprägnierten Arbeitshosen erreichte die Gruppe aus fünf Lehrkräften der Universität Dubna am 28. Juni 1965 den Gipfel.
Nachts fiel die Temperatur auf minus 30 Grad. „Wir haben die gesamte Ausrüstung und alles Material selbst hochgetragen“, erzählt er. Es gab keine Helfer, die das erledigen konnten. Sie legten ihre Lager auf verschiedenen Höhen an. Nebeneffekt war, dass sich die Gruppe aus fünf Personen schnell akklimatisierte. „Wir waren schneller als die offizielle, von Russland unterstützte, Bergsteigergruppe, die zeitgleich den Aufstieg plante“, lacht er. Insgesamt haben sie für diese Expedition sechs Wochen benötigt.
Tauchgänge im Schwarzen Meer
Noch weitere drei Male bestieg er in Mittelasien vier- bis fünftausend Meter hohe Berge. Jahre zuvor besuchte er als Student zweimal die Stadt Samarkand in Usbekistan, von der er heute noch schwärmt. Außergewöhnlich war auch die biologische Expedition der Universität 1958 mit Tauchgängen im Schwarzen Meer. Gewohnt haben sie dabei bei den einheimischen Fischern. „Das Studium und die Arbeit in der Sowjetunion war vielfältig. Wir sind viel herumgekommen und haben viel gesehen“, schmunzelt Rostislav.
1968 zog die kleine Familie nach Prag. Dort erlebten sie die gewaltsame Niederschlagung der Reformbewegung durch die Truppen des Warschauer Paktes. Dieses Ereignis ließ immer mehr den Gedanken der Emigration keimen, denn „das Leben war nicht einfach“, wenn man mit der Ideologie der Partei nicht einverstanden war. Drei Jahre hat es dann noch gedauert, bis die gesamte Familie 1975 ausreisen konnte.

Wie die meisten Aussiedler durchliefen sie mehrere Stationen, bis sie in Ulm eine neue Heimat fanden. An der Universität Ulm war Rostislav bis im Jahre 2000 tätig. Vor drei Jahren hatte er einen schweren Unfall. Danach entschieden er und seine Frau, zum Sohn nach Bork zu ziehen. Es war nicht einfach, das große Haus mit großem Grundstück und vielen Sammlungen aufzugeben, doch hier fanden sie schnell ein neues, kleineres Zuhause. „Wir fühlen uns sehr wohl hier“, sagt er.
Täglich surft Rostislav im Internet und informiert sich über Fachaufsätze oder in der tschechischen Onlinepresse über die Situation in Tschechien. Zufrieden schaut der Jubilar auf sein Leben zurück. „Ich kann mich nicht beklagen“, sagt er. Seinen Ehrentag feiert er im Kreise der Familie.