Rekord-Entwicklung beim Goldpreis trifft auch Juweliere „Wir gehen da kein Risiko ein“

Entwicklung beim Goldpreis trifft auch Juweliere: „Wir gehen da kein Risiko ein“
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Es glitzert und glänzt in der Auslage an der Kreisstraße 46 in Selm. Markus und Sandra Henkel verkaufen hier seit sechs Jahren, damals haben sie das Geschäft von Juwelier Hieke übernommen, Schmuck und Uhren in allen Variationen - auch in Gold. Doch das Edelmetall bereitet den Inhabern derzeit ziemliche Sorgen. Denn in den vergangenen Tagen ist der Preis pro Unze auf ein Rekordhoch gestiegen - auf über 3500 Dollar.

Mit dem Preis steigt auch der Druck. Denn was für Anleger ein Grund zur Freude ist, bedeutet für Juweliere und ihre Kundschaft zunehmende Herausforderungen. „Diese Entwicklung hat natürlich einen negativen Einfluss auf unser Geschäft. Wir legen die Ware beispielsweise nicht mehr so auf Lager, wie früher. Denn sonst bleiben wir darauf sitzen“, berichtet Markus Henkel.

Die Zeiten, in denen unzählige Kollektionen im Schaufenstern zum Kauf animieren sollte, scheinen vorbei. „Früher war das Weihnachtsgeschäft die wichtigste Zeit. Da haben wir hochwertig eingekauft und rund ein Drittel unseres Jahresumsatzes gemacht. Das ist heute nicht mehr so“, so der Juwelier. „Wir gehen da kein Risiko ein.“

Auch das Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden hat sich deutlich verändert. „Wir bekommen die Rückmeldung, dass sie nicht mehr bereit sind, so viel für Goldprodukte zu zahlen – oder sie kaufen gar keine Goldprodukte mehr.“ Viele würden die heutigen Preise mit denen von vor vier, zehn oder zwanzig Jahren vergleichen. Und sind dementsprechend schockiert von der Entwicklung. 2014 etwa lag der Unzenpreis für Gold bei rund 1090 Dollar. Also dreimal so wenig wie im Moment.

Gold Prüfung
Wer seinen Schmuck zu Geld machen will, kann beispielsweise zu Goldankäufern gehen. Sie überprüfen dann, wie viel die Produkte wert sind. © picture alliance / dpa-tmn

Mehr Reparaturen und Umarbeitungen

Die Gründe für den Preisanstieg sind laut Markus Henkel vielfältig: der Ukrainekrieg, wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflation, ein globales Kräftemessen zwischen China und den USA. Auch Donald Trumps aktuelle Zollpolitik spielt eine Rolle. Die jüngsten Spannungen zwischen dem Präsidenten und dem Vorsitzenden der US-Notenbank, Jerome Powell, haben das Vertrauen der Anleger in die Stabilität der US-Wirtschaft erschüttert. Trumps öffentliche Kritik an Powell und seine Forderungen nach sofortigen Zinssenkungen haben Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Federal Reserve geweckt. Dies führte zu einem Rückzug von Investoren aus US-Vermögenswerten und einer verstärkten Nachfrage nach Gold als „sicherem Hafen“.

Henkel geht nicht davon aus, dass der Goldpreis bald sinken wird. „Wenn sich politisch nichts ändert, bleibt der Preis hoch.“ Dabei betrifft der Goldpreis nicht nur die Endkunden. Auch Händler müssen deutlich tiefer in die Tasche greifen, um ihre Ware zu beziehen. „Die Produkte, die wir aktuell im Fenster haben, wurden noch zum alten Goldpreis ausgeschrieben. Und selbst da war der Einkauf schon teuer“, erklärt der Selmer Juwelier. Die Folge: Während Neuanschaffungen immer seltener werden, erleben Reparaturen und Umarbeitungen ein Hoch. „Die Leute suchen ihre alten Sachen raus und lassen sie bei uns aufarbeiten.“

2013 sank der Goldpreis rasant

Während Markus Henkel versucht, seine Goldprodukte an neue Besitzer zu verkaufen, ist die Situation weniger Meter weiter nördlich an der Kreisstraße genau umgekehrt. Daniel Atak betreibt seit mehr als 15 Jahren seinen Goldankauf mit jeweils einem Standort in Selm und in Werne. Den Goldpreis täglich zu beobachten, gehöre in seiner Branche dazu. Doch die aktuelle Entwicklung ist auch für ihn besonders. „Ich hätte nicht gedacht, dass das so extrem ansteigt. Das hat sich in den letzten Jahren ja vervierfacht.“ Einen großen Unterschied bei der Kundenfrequenz in seinem Laden bemerkt Atak derzeit noch nicht.

Bei ihm werden sowohl Schmuck als auch Barren und Münzen in Geld eingetauscht. Doch auch wenn der Goldpreis momentan auf einem Rekordhoch liegt, sei die Marge für Daniel Atak nicht größer. „Wir zahlen ja auch viel mehr an die Kunden“, erklärt er. Er hofft nun, dass durch die Entwicklung mehr Kundinnen und Kunden zu ihm kommen. Was rät er Menschen, die aktuell überlegen, ihr Gold zu Geld zu machen? „Gerade jetzt, wenn das so gestiegen ist, sollte man so schnell wie möglich verkaufen. Man weiß nicht, was in den nächsten Wochen passiert. Das kann genauso schnell wieder heruntergehen. Wie 2013.“ Damals erlebte der Goldpreis einen rund 30-prozentigen Rückgang nach einem zehnjährigen Aufwärtstrend. Im Dezember vor 12 Jahren kostete die Feinunze knapp 1200 Dollar.

Kurs beflügelt den Goldankauf

Das Juweliergeschäft „Schulz“ am Markt kennt beide Seiten, denn es werden sowohl Schmuckstücke verkauft als auch Goldprodukte angekauft. Im Verkaufsgeschäft merkt Geschäftsführerin Martina Benning derzeit keinen großen Unterschied. „Das läuft gut. Allerdings verkaufen wir auch Vintagegold, also aufgearbeitetes Gold, was natürlich günstiger ist. Deswegen kann man das nicht unbedingt mit einem Juwelier vergleichen, der gerade sehr teuer einkauft.“ Grundsätzlich, so beobachtet es Benning, ziehe sich die Preissteigerung aber durch die ganze Branche. „Das sind nun mal Werkstoffe, die teurer werden und gebraucht werden. Und dadurch wird natürlich auch jede Leistung teurer.“

Wenn Gold nun so viel mehr kostet, sind dann andere Edelmetalle beliebter? Diese Frage verneint die Geschäftsführerin und erklärt: „Wer Gold möchte, der möchte Gold. Klar, Silberschmuck wird auch gut verkauft, aber das sind nun mal zwei Lager. Das ist ja auch immer eine Geschmacksache. Wer sich für Gelbgold interessiert, will jetzt nicht unbedingt Silber tragen.“ Das Ankaufgeschäft werde durch den Goldkurs hingegen beflügelt. „So hoch hat er noch nie gestanden. Da gucken die Leute dann doch noch mal, was sie vielleicht veräußern können“, so Benning.

"Juwelier Schulz"
Bei "Juwelier Schulz" in Werne können Kunden neue Produkte kaufen und im Goldankauf ihre eigenen Schmuckstücke zu Geld machen. © Juwelier Schulz

Anja-Katharina Simon hingegen betrifft das aktuelle Rekordhoch „nicht allzu sehr“. Denn die Goldschmiedin arbeitet in ihrem Atelier an der Steinstraße in Werne primär mit Kundengold, welches sie dann umarbeitet. Sie führt auch Neuanfertigungen aus, verkaufe aber weniger aus dem Lager, da sie selbst produziere. „Das sind dann eher Anschauungsobjekte.“

16.000 DM im Jahr 1993

Der Anstieg des Goldpreises ist für sie kein neues Phänomen. „Das passiert seit 20 Jahren, jetzt ist es eben wieder in die Aufmerksamkeit der großen Masse geraten.“ Als sie 1993 in die Lehre als Goldschmiedin gegangen ist, habe der Preis bei rund 16.000 DM pro Kilo gelegen. Die aktuelle Entwicklung habe laut Simon „nichts mehr mit Angebot und Nachfrage“ zu tun, sondern entstehe durch internationale Kaufentscheidungen der Länder. Zentralbanken weltweit, insbesondere in China, haben ihre Goldreserven erheblich aufgestockt. Im vierten Quartal 2024 stiegen die globalen Goldkäufe um 54 Prozent, was das Vertrauen in Gold als Wertspeicher unterstreicht.

Einige Analysten sind der Ansicht, dass der Goldpreis aktuell noch nicht seinen Zenit erreicht hat. So prognostiziert die US-amerikanische Großbank J.P. Morgan ein Kursziel von 4000 US-Dollar bis zum zweiten Quartal 2026. In Bezug auf ein potenziell negatives Szenario für Gold bleibt ein unerwarteter Rückgang der Nachfrage der Zentralbanken das größte fundamentale Risiko, so die Bank.