Seifenschaum gilt als Wohltat: für Körper, Geist und Seele. Vorausgesetzt, er kommt im wohlig beheizten Badezimmer zum Einsatz. Und nicht am Waldrand. Genau dort schäumte es aber in der Vergangenheit immer wieder. Unten an den Stämmen einzelner Eichen am Rande des Cappenberger Waldes zwischen Werne-Langern und Cappenberg hatten sich weiße Blasen in Mengen gesammelt. Als hätte jemand die Stämme knapp über dem Boden eingeseift.
Das war gar nicht nötig, wie Joachim Kallendrusch aus Lünen sagt. Denn die Seifenstoffe haben die Bäume von ganz alleine: Saponine. Sie dienen nicht der Sauberkeit, sondern der Sicherheit, wie der Diplom-Forstwirt und Vorsitzender des Kreisverbandes der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald erklärt. Die in der Borke eingelagerte Seife ist eine Waffe im Abwehrkampf gegen ungebetene Gäste wie Pilze und Insekten oder knabbernde Hirsche. Sie setzt dabei gleich doppelt an - genauso wie die Handseife im Badezimmer.
Zum einen ist sie fettlösend und zum anderen alles andere als schmackhaft. Der Hirsch, der in Pflanzenteile mit Saponinen beißt - die Eichenborke ist da eher die Ausnahme - wird sich angewidert vom bitteren Geschmack abwenden. Insekten geht es ebenso. Und Pilze und Bakterien bremst nicht das gallige Aroma. Wie ein Stück Seife beim Waschen das Fett auf den Handflächen löst, lösen die Saponine in der Borke das Fett der Zellen der gefräßigen Eindringlinge. Eine raffinierte Selbstverteidigungsstrategie, die dem Baum selbst nichts anhaben kann. Denn seine Zellwände sind verholzt.
Gesund und schäumend: Linsen
„Saponine gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen“, sagt Kallendrusch: eine Gruppe chemischer Verbindungen, die für die Pflanze nicht lebensnotwendig sind, aber überaus praktisch, wie die Seife am Stamm zeigt. Sie können nicht nur als Schutz vor Krankheiten und Fraßfeinden dienen, sondern auch vor UV-Licht oder als Lockstoff für bestäubende Insekten.
Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) betrachtet nicht nur die Wirkung in der Botanik, sondern auch auf dem Teller: „Sekundäre Pflanzenstoffe kommen in Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Getreideprodukten vor und verleihen unserem Essen Farbe, Duft und Geschmack. Auch wenn sie nicht lebensnotwendig sind, fördern sie die Gesundheit in vielerlei Hinsicht.“ Einige Stoffe könnten allerdings auch die Gesundheit schädigen wie Nicotin. Die Saponine gehören zu den Stoffen, die durchaus genießbar sind.
Wer Linsen, Erbsen oder andere Hülsenfrüchte kocht, kennt das: Es bildet sich eine Schaumkrone, die den Topf gerne zum Überlaufen bringt. Das ist das ähnliche Prinzip wie der Schaum am Baum, nur schmackhafter. Und gesund. Laut dem Bundeszentrum für Ernährung beugen Saponine vor Krebs vor und senken den Cholesterinspiegel. Und außerhalb der Küche reinigen sie.
Mit Efeu Wäsche waschen
Waschnüsse haben sich längst einen Namen gemacht als sanfte Alternative zu üblichen Waschmitteln. Ihr langer Transportweg aus den tropischen und subtropischen Regionen Asiens sorgt aber für einen bedenklich großen ökologischen Fußabdruck. Dabei gedeihen Wasch-Pflanzen auch vor der Haustür, wie Joachim Kallendrusch weiß: „Das Seifenkraut zum Beispiel“: ein Nelkengewächs, das ursprünglich überall in Europa anzutreffen ist.
Von ihm erzählten sich schon die Menschen in der griechischen Antike, dass es angeblich aus dem ausgeschütteten Badewasser der Liebesgöttin Aphrodite entstanden sei. .Selbst in der Jungsteinzeit, also vor 6000 Jahren, sollen Menschen die Wurzeln bereits zum Waschen benutzt haben.

Ganzjährig verfügbar sind die Blätter des immergrünen Efeus. Wer ungefähr zehn möglichst dunkle, frische Efeublätter in ein Wäschenetz oder eine alte Socke packt und mit zur Schmutzwäsche in die Wäschetrommel packt, kann die Reinigungswirkung testen. Aus Rosskastanien lässt sich ebenfalls ein Waschmittel herstellen. Ihre schäumende Wirkung kennt der Diplom-Forstwirt aus eigener Anschauung. Den Schaumfuß an den Eichen allerdings nicht. „Den habe ich bislang nur auf Fotos gesehen.“
Tatsächlich muss es ergiebig regnen, damit Bäume schäumen. So wie am letzten Karnevalswochenende 2023 und den Tagen kurz zuvor. Das Wasser, das auf die Bäume fiel, wusch beim Herunterfließen die Saponine aus dem Eichenstamm und stellte eine wässrige Seifenlösung her, die - zumindest für kurze Zeit - mitten im Grüngrau des Waldrandes zwischen Werne-Langern und Cappenberg weiße Farbpunkte setzte.
Besonders oft an rauen Stämmen
„Die Eichen haben einen rauen Stamm“, sagt Kallendrusch. Je rauer die Rinde, desto größer sei die Oberfläche des Baumes. „Und umso mehr Luft kann in den Bläschen eingeschlossen werden.“ Daher sei das Phänomen vor allem bei Eichen bekannt und kaum bei Bäumen mit glatten Stämmen.
Bedenklich sei das alles nicht, so der Wald-Fachmann. Ganz im Gegenteil. Das kuriose Schaum-Phänomen bei Regenwetter zeige schließlich, wie erfindungsreich die Natur ist. Der inzwischen längst wieder verschwundene Schaum, fehlt den Bäumen nicht. Sie produzieren die Saponine einfach nach - mit schäumender Energie.
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