Pastorale Räume im Bistum Münster Selm will nicht mit Cappenberg, Werne, Lünen zusammengehen

Pastorale Räume im Bistum Münster: Selm will nicht mit Cappenberg, Werne, Lünen zusammengehen
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Christen aus Selm, Lünen und Werne haben dasselbe Ziel - zumindest, wenn sie aus der Kirche austreten wollen. Dann ist für alle das Amtsgericht Lünen zuständig. Wenn sie bleiben und Gemeindeleben gestalten wollen, könnten die Wege künftig nicht nur länger werden, sondern auch in unterschiedliche Richtungen führen.

In Deutschland ist die Zahl der Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche erstmals seit Jahrhunderten unter 50 Prozent gesunken und sinkt weiter. Nur noch eine Minderheit bekennt sich zur Kirche: eine Entwicklung, der auch das Bistum Münster Rechnung trägt mit einer neuen Struktur ab Januar 2024.

Es gebe „die Notwendigkeit von mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen den Pfarreien sowie zwischen Hauptamtlichen und freiwillig Engagierten“, hatte Münsters Bischof Felix Genn bereits im April 2021 gesagt mit Blick auf leere Kirchenbänke, fehlende Seelsorger und auf Dauer rückläufige Einnahmen. Den Prozess, den er damit angestoßen hat, tritt gerade in eine entscheidende Phase. Die derzeit 208 Pfarreien sollen zwar erhalten werden, sich aber zu größeren Einheiten zusammenschließen: zu 50 sogenannten pastoralen Räumen.

Sie sollen laut Bistum „in der Regel die Kreis- und Kommunalgrenzen“ spiegeln. St. Ludger Selm plant indes die Ausnahme von dieser Regel, was nicht überall gut ankommt.

Lieber Richtung Münsterland

Statt mit den Kreis-Unna-Städten Lünen, Werne und dem Selmer Ortsteil Cappenberg - wie es das Bistum vorgeschlagen hatte - möchte die Selmer Kirchengemeinde lieber mit Olfen, Nordkirchen, Lüdinghausen und Senden aus dem Kreis Coesfeld einen pastoralen Raum bilden. „Wir – das sind das Seelsorger-Team und der Pfarreirat gewesen – haben uns von der Frage leiten lassen, in welche Richtung wir uns in Zukunft orientieren möchten und es auch jetzt schon ein stückweit tun“, sagt Selms Pfarrer Claus Themann. Die Antwort: eher nach Norden als nach Süden.

„Wir haben bewusst junge Leute befragt aus der Gemeinde“, sagt Themann: Jugendgruppen wie Pfadfinder, Messdiener und Landjugend, aber auch junge Familien. Die seien es schließlich, die vorrangig in 10 bis 15 Jahren das Gemeindeleben im neuen Raum gestalten würden.

„Über den Zuschnitt entscheidet letztlich Bischof Felix Genn“, bestätigt Bistumssprecher Dr. Stephan Kronenburg. Das wird Ende April erfolgen in Abstimmung mit dem Diözesanrat, dem höchsten Mitbestimmungs-Gremium des Bistums. Auf dem Tisch liegen, wird dann aber bereits der nach Selmer Wunsch veränderte Zuschnitt der pastoralen Räume: hier Selm-Olfen-Nordkirchen-Lüdinghausen-Senden, dort Werne-Lünen-Cappenberg. Eine Weichenstellung, die die auch auf Kritik stößt.

Stenner: „Bin strikt dagegen“

„Ich bin strikt gegen diese Entscheidung“, sagt Gerhard Stenner. Der Rechtsanwalt und Notar im Ruhestand, der 30 Jahre lang stellvertretender Kirchenvorstandsvorsitzender in Selm war, befürchtet, „dass eine kommunale Gebietskörperschaft auseinanderdividiert wird“. Politische und organisatorische Zusammenhänge würden zerschnitten. „Und das, ohne darüber ausreichend diskutiert zu haben“. Viele, ist Stenner überzeugt, wüssten noch gar nichts über die geplante Struktur. „Und die werden sich später wundern“ - zum Beispiel, wenn Kinder, die gemeinsam zur Schule gehen, künftig in unterschiedlichen Orten auf die Firmung vorbereitet würden.

Gerd Stenner (hier als Sprecher der Selmer Bürgerstiftung) kritisiert die Abwendung Selms von Cappenberg und vom Kreis Unna.
Gerd Stenner (hier als Sprecher der Selmer Bürgerstiftung) kritisiert die Abwendung Selms von Cappenberg und vom Kreis Unna. © Foto: Friederike Klein

Jürgen Schäfer, Pfarrer aus Werne, übt indes keine Kritik an der Selmer Entscheidung. Das sei ein demokratisches Votum, das es zu akzeptieren gelte. Anders als offenbar Selm, fühlt sich Werne eng verbunden mit Lünen: Allein schon wegen des in katholischer Trägerschaft befindliche Klinikums Lünen-Werne mit Standorten in beiden Städten, wie Schäfer sagt.

Lünen blickt über die Lippe

Ob bei Hochzeiten, Kinderliturgie oder Angeboten für andere Zielgruppen: Wer trotz des wachsenden Personalmangels in der Seelsorge künftig qualitativ hochwertige Angebote wahrnehmen wolle, wird laut Michael Mombauer weitere Wege in Kauf nehmen müssen: innerhalb des pastoralen Raums und darüber hinaus - zum Beispiel in die Lüner Nachbargemeinde jenseits der Lippe, die zum Bistum Paderborn gehört. Solche „pastoralen Leuchttürme“ seien wichtig, wie der inzwischen nach Greven gewechselte Lüner Pfarrer sagt. Denn der Raum dazwischen werde zunehmend leer werden. Ein flächendeckendes dezentrales Angebot wie bislang könne nicht aufrechterhalten werden,: „Diese Form der Kirche ist tot.“

Dr. Joachim Hagel, der Pfarrer von Cappenberg, gibt sich zu dem Thema einsilbig. „Leider kann ich dazu nichts sagen.“ St. Johannes Cappenberg, zu der auch Werne-Langern gehört, ist die zweitkleinste Gemeinde im Bistum Münster. Dass sie bislang von allen Fusionen der Vorjahre verschont geblieben war, hat damit zu tun, dass die Prämonstratenser-Abtei Duisburg seit 1974 den Pfarrer stellt auf dem Schlossberg: da, wo vor mehr als 900 Jahren das erste Prämonstratenserkloster auf deutschem Boden entstanden ist und Jahrhunderte lang die Region prägte, religiös und politisch. Alle strukturellen Änderungen, so Hagel, würden zwischen dem Abt des Klosters in Duisburg-Hamborn und dem Bischof von Münster geregelt.