Bislang gibt es in Selm genau zwei Fahrradstraßen. An der Waltroper Straße in Bork und am Sandforter Weg nahe dem Campus gelten mehrere Regeln, die das Radfahren dort besonders in den Vordergrund stellen. Fahrradfahrer haben in den Bereichen klar Vorrang, dürfen auch in Gruppen nebeneinander fahren und bestimmen die Geschwindigkeit (wobei das Höchsttempo grundsätzlich bei 30 km/h liegt). Autofahrer müssen beim Überholen einen Abstand von mindestens 1,50 Meter einhalten, bei Bedarf ihre Geschwindigkeit verringern und dürfen die Radfahrer weder gefährden noch behindern.
Der Radwegausbau in Selm ist ein Thema, das sich die Stadt zum Ziel gesetzt hat. Von weiteren Fahrradstraßen ist aber seit der letzten Einrichtung am Sandforter Weg in 2020 wenig zu hören. Im vergangenen Jahr hatte die Verwaltung an beiden Fahrradstraßen im Wechsel entsprechende Banner aufgestellt, um die motorisierten Verkehrsteilnehmer auf die dort geltenden Regeln hinzuweisen.
Olaf Zosel ist regelmäßig mit seinem dreiachsigen Elektro-Liegerad auf den Fahrradstraßen unterwegs und bemängelt die Verhältnisse dort: „Auf dem Sandforter Weg ist es ganz extrem. Wenn ich mit meinem Dreirad mittig fahre, werde ich von hinten angehupt, weil die Leute nicht überholen können. In dem Bereich der Waltroper Straße, wo man vorsichtig fahren sollte, ziehen die Fahrzeuge, wenn ich meine Höchstgeschwindigkeit von 18 km/h habe, noch an mir vorbei.“ Die Verkehrsschilder, die auf die Fahrradstraße hinweisen, sind aus seiner Sicht hier wirkungslos. Für den Kleinunternehmer aus Selm, der aus gesundheitlichen Gründen kein Auto fahren kann, ist der Umgang der Stadt mit dem Thema Radverkehr kritikwürdig. „Die Wege und Straßen kann man leider so häufig kaum benutzen“, stellt er aus eigener Erfahrung fest.
ADFC sieht noch Potenzial
Auch die Ortsgruppe des ADFC in Selm ist naturgemäß an einer weiteren Verbesserung der Situation für Radfahrer interessiert. „Grundsätzlich ist es aus unserer Sicht sinnvoll, dass am Ende einer Fahrradstraße eine unmittelbare Anbindung zu einem Fahrradweg oder -streifen gegeben ist. Die Fahrradstraße Sandforter Weg endet am Beifanger Bahnhof. Danach ist sie eine ganz normale Straße wie jede andere auch“, gibt Udo Tubbesing aus dem Sprecher-Team zu bedenken. Die Fahrradstraße in Bork endet an der Einmündung Rauher Busch. Hier wäre es aus Sicht des ADFC besser, wenn sie bis zur Ampelkreuzung weiterginge. „Dann wäre es problemlos möglich, die Kreuzung geradeaus zu überqueren und um den Parkplatz des LAFP herum den Fuß-/Radweg an der Waltroper Straße Richtung Waltrop zu erreichen“, macht der Sprecher deutlich.
Radfahrer können derzeit zwar kurz vor der Kreuzung rechts in einen kleinen Nebenweg abzweigen, aber müssen sich dann erst durch eine Schranke schlängeln. Dann landen sie auf dem Gehweg und müssen dort anhalten, um die Waltroper Straße ohne Sicherung (Ampel) zu überqueren. Erst dann gelangt man zum Fuß-/Radweg auf der anderen Seite. Zudem sei immer wieder festzustellen, dass Autofahrern nicht klar ist, was eine Fahrradstraße für ihr Verhalten bedeutet, so der ADFC.

Zwei Straßen wären geeignet
Aus Sicht des ADFC läuft der regelmäßige Austausch mit der Stadt zum Thema Radverkehr insgesamt gut. Für eine neue Fahrradstraße sieht der Ortsverein derzeit nur die Möglichkeit, die Freiherr-vom-Stein-Straße in Cappenberg zwischen der abknickenden Vorfahrt zum Am Brauereiknapp und der Kreuzung Schlossberg entsprechend umzuwidmen. Dort gäbe es am Ende die kurze Anbindung an den Radweg Richtung Lünen und den Radweg Richtung Werne entlang der Varnhöveler Straße.
Die Bahnhofstraße, nach der diese Redaktion in diesem Zusammenhang gefragt hatte, könnte aus Sicht des ADFC zwischen dem Abzweig Auf der Schlucht und dem Kreisverkehr zur Vinnumer Straße zu einer Fahrradstraße werden. Damit wäre ein kurzer Anschluss an den dort existierenden Fahrradweg Richtung Vinnum und zum Bahnhof Bork gegeben. Die Ludgeristraße sei dagegen kaum geeignet. „Sie ist sehr stark befahren und sehr eng - auch durch die dichte Bebauung“, schätzt die Ortsgruppe die Lage dort ein.

Derzeit keine konkreten Pläne
Gibt es seitens der Stadt bereits Pläne, die Zahl der Fahrradstraßen in Selm zu erhöhen? Dazu erklärt Pressesprecher Malte Woesmann auf Anfrage der Redaktion: „Grundsätzlich bestehen Überlegungen, das Netz aus Fahrradstraßen weiter auszuweiten. Dies muss allerdings gesamtstädtisch betrachtet werden. Die Fahrradstraßen müssen in ein Radverkehrsnetz eingebunden werden. Das aufgestellte Mobilitätskonzept gibt diesbezüglich erste Vorschläge.“ Konkrete Pläne gibt es aber offensichtlich nicht. Zur Bahnhofstraße und Ludgeristraße als mögliche Kandidaten für weitere Fahrradstraßen erklärt die Stadt: „Eine dieser Vorgaben für neu zu errichtende Fahrradstraßen ist zum Beispiel, dass der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist. Der Kfz-Verkehr soll nur ausnahmsweise dort zugelassen werden.“
Während bei den bestehenden Fahrradstraßen im Stadtgebiet zwar ebenfalls Autoverkehr zugelassen, aber durch die angrenzenden Schulen starker Radverkehr zu verzeichnen ist, sei dies so auf die Bahnhofstraße und Ludgeristraße nicht zu übertragen. Deswegen sind diese Straßen derzeit offensichtlich keine Kandidaten. Ein weiteres Kriterium für die Errichtung einer Fahrradstraße: Den Radlern muss es möglich sein, komfortabel nebeneinander zu fahren, damit sollten auf der Straße weder Autos parken und halten noch Busse regelmäßig unterwegs sein. „Sobald die Thematik konkreter betrachtet wird, wird selbstverständlich, wie in der Vergangenheit auch, der ADFC Selm involviert“, kündigt Malte Woesmann an. Das scheint aktuell aber noch nicht der Fall zu sein.