Obwohl Cappenberg wächst Lippeverband lässt Klärwerk am Cappenberger Wald abreißen

Lippeverband lässt das Cappenberger Klärwerk am Wald abreißen
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Beim Abziehen, Händewaschen, Geschirrspülen, Wäschewaschen oder Duschen: Jeder Mensch in Cappenberg tritt täglich mehrfach in Kontakt mit einer wichtigen Infrastruktureinrichtung: der örtlichen Kläranlage. Die meisten werden sich dessen wohl gar nicht bewusst sein. Bis Ende des Jahres haben sie noch Gelegenheit, das zu ändern. Denn danach hat die ortseigene Abwasserreinigungsanlage ausgedient und wird verschwinden. Eine Nachfolgerin für Cappenberg wird es nicht geben.

Dass Klärwerk hat eine malerisch schöne Lage: direkt am Rand des Gerlinglohs, eines Teils des Cappenberger Waldes. Die zurzeit noch nackten Laubbäume bedecken eine hügelige Landschaft, die von mäandernden Bächen - zumeist Zuflüssen zum Gerlingsbach - mitunter fünf Meter tief durchfurcht wird. Es gibt Steilufer und kleine Sandbänke. Und es gibt Klärbecken - zumindest seit etwas mehr als 50 Jahren. Deren Tage sind gezählt. Das hat auch etwas mit der Trockenheit der vergangenen Jahre zu tun: eine Folge des Menschen gemachten Klimawandels.

Der Vorfluter - also das oberirdische Gewässer, in das das geklärte Abwasser seit mehr als fünf Jahrzehnten eingeleitet wird - sei „trockengefallen“, sagt Ilias Abawi, Sprecher des Lippeverbandes, der die Kläranlage betreibt. Die Bezirksregierung Arnsberg habe deshalb eine Verlängerung der Einleitungserlaubnis nicht mehr in Aussicht gestellt.

Von Cappenberg nach Bork

„Gemäß der Auflage der Bezirksregierung ist die Einleitungsstelle oder der gesamte Kläranlagenstandort zu verlegen“; so Abawi. Der Lippeverband hat die große Lösung gewählt: Die Tage des Cappenberger Klärwerks sind damit gezählt. Und was passiert dann, wenn jemand in Cappenberg die Klospülung benutzt? Das Abwasser aus dem südlichen Ortsteil Selms - 2021 waren es immerhin 212.551 Kubikmeter, im Jahr zuvor 198.680 Kubikmeter - werden künftig per Druckrohrleitung ins das nächste Klärwerk gepumpt: von der Hirschwiese in Cappenberg zur Lippestraße nach Bork - fast acht Kilometer westlich.

Ilias Abawi, Sprecher von Lippeverband und Emschergenossenschaft, erklärt, wie das Cappenberger Abwasser künftig geklärt werden soll.
Ilias Abawi, Sprecher von Lippeverband und Emschergenossenschaft, erklärt, wie das Cappenberger Abwasser künftig geklärt werden soll. © Emschergenossenschaft

Ende 2023 werde es losgehen mit dem Bau, sagt Abawi. Dann werde das Kunststoffrohr verlegt, das einen Durchmesser von 225 Millimeter hat. Die Wandstärke der Leitung beträgt 13, 4 Millimeter. Die Trassenführung sieht im Wesentlichen so aus: Rosenstraße, Cappenberger Damm, Borker Straße, L236, Südwall, Parkplatz Polizei-Akademie und schließlich Lippestraße.

Was passiert mit dem Grundstück?

Gibt es während der Zeit der Umrüstung Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger? Ja, aber nicht, was den Umgang mit Klospülung und Co. angeht. Abawi spricht von den „üblichen Einschränkungen durch Bauarbeiten im Fahrbahnbereich des Wohngebiets in Cappenberg“. Entlang der Hauptverkehrsstraßen würden die Leitungen in den Rad- und Fußwegen verlegt.

Das idyllische Klärwerksgelände neben dem Naturschutzgebiet Cappenberger Wald wird nicht mehr benötigt. Der Abriss - Abawi spricht von „Rückbau“ - werde „bis unter Geländeoberkante“ erfolgen. Und dann? Ein Neubau ist geplant auf dem Grundstück im Eigentum des Lippeverbandes: allerdings nur der Neubau des erforderlichen Abwasserpumpwerks. An eine Vermarktung und Bebauung der Fläche mit einem Wohnhaus, wie es die Stadt Selm einige hundert Meter weiter nördlich am Ende der Straße Balitmora möglich gemacht hat, plant der Lippeverband nicht.

Das Borker Klärwerk ist größer als das in Cappenberg. Dort wurden 2021 808.309 Kubikmeter Abwasser gereinigt: etwa viermal so viel wie in Cappenberg. Die Anlage stammt aus dem Jahr 1969, ist also drei Jahre älter als die in Cappenberg. Dafür wurde sie aber 1997 bereits erweitert und modernisiert. Im Zuge der Umstellung ab Ende 2023 werde auch in Bork wieder gearbeitet werden müssen, sagt Abawi, aber „nicht aufgrund der zusätzlichen Wassermengen“.

Oben links am Rand des Cappenberger Waldes ist auf diesem Luftbild von Februar diesen Jahres das Cappenberger Klärwerk zu sehen.
Oben links am Rand des Cappenberger Waldes ist auf diesem Luftbild von Februar diesen Jahres das Cappenberger Klärwerk zu sehen. © www.blossey.eu

Vielmehr sei der Bau einer Anlage zur Schwefelwasserstoffbeseitigung, einer sogenannten Strippanlage, am Ende der Druckrohrleitung vorgesehen. Nicht nur das nach faulen Eiern müffelnde Gas aus Cappenberg soll da behandelt werden, sondern auch das aus einer bereits bestehenden kommunalen Abwasserdruckrohrleitung.

Mehr Häuser - mehr Abwasser

In den zurückliegenden Jahren haben Bauherren und -damen immer mehr Baulücken in Cappenberg geschlossen: von den beiden Stadtvillen der Volksbank auf dem Gelände der ehemaligen Waldschmiede Aschoff mit je acht Wohneinheiten über die Neubauten rechts und links des Cappenberger Damms bis zu den geplanten Mehrfamilienhäusern im rückwärtigen Teil der beiden Villen-Grundstücke an der Borker Straße.

Das Integrierte Handlungskonzept, das die Stadt Selm auch für den Ortsteil Cappenberg aufstellen ließ, hat weitere Wohnbaupotentiale aufgeführt. Mögliche Flächen dafür sind gegenüber der Freiwilligen Feuerwehr am Cappenberger Damm und am Emtingsweg. Ob und wann dort die Bagger rollen, ist allerdings bislang noch offen. „In konkreter Vorbereitung ist diesbezüglich nichts“, sagt Stadtsprecher Malte Woesmann auf Anfrage. Erst müssten die zurzeit geplanten oder in Umsetzung befindlichen Neubaugebiete entwickelt werden - in Selm und in Bork.

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