Der Prozess um den sogenannten Pflegeskandal von Bönen ist endgültig auf die Zielgerade eingebogen. Am Dortmunder Landgericht haben Staatsanwalt und Verteidigung am Dienstag (25. Juli) ihre Plädoyers gehalten. Dabei wurde deutlich: So weit liegen die beiden Seiten gar nicht auseinander.
Alle sind sich einig, dass der Angeklagte ein Betrüger ist. Der Chef eines großen Bönener Pflegedienstes habe im Bereich der Intensivpflege regelmäßig Schichten abgerechnet, die er tatsächlich gar nicht besetzt hatte.
Fachkräftemangel im Pflegebereich
Staatsanwalt Ralph Steinert fand aber durchaus auch positive Worte über den Angeklagten. „Er hat sein Unternehmen aus voller Überzeugung geleitet“, sagte der Vertreter der Anklagebehörde. Und der 52-Jährige habe sicherlich nicht falsch abgerechnet, um sich persönlich zu bereichern.
Vielmehr wurde der Unternehmer aus Sicht von Steinert spätestens ab 2016 selbst ein Opfer des Fachkräftemangels im Pflegebereich. Obwohl nicht genügend Leute zur Verfügung standen, seien immer neue Patienten aufgenommen worden. „Dabei handelte er nach dem Motto: Es wird schon irgendwie gehen“, so Steinert.
Gesamtschaden über 1,7 Millionen Euro
Nachdem die Richter kürzlich einen Teil der Vorwürfe eingestellt hatten, verbleiben vor Gericht noch 105 Betrugsfälle mit einem Gesamtschaden von mehr als 1,7 Millionen Euro. Allerdings hat der Angeklagte zuletzt auch schon 85.000 Euro an Schadenswiedergutmachung geleistet.
Staatsanwalt Steinert beantragte schließlich, den Bönener zu einer Haftstrafe von fünf Jahren zu verurteilen. Sollten die Richter dem nachkommen und den Angeklagten am Urteilstag vorerst aus der Untersuchungshaft entlassen, „wird es von mir keine Rechtsmittel dagegen geben“, so Steinert.
Verteidiger will nur drei Jahre Haft
Fünf Jahre Haft hält Verteidiger Joachim Berndt dagegen für deutlich überzogen. Dem Anwalt schwebt eine Strafe vor, die „nicht deutlich über drei Jahren Haft liegt“. Das Urteil müsse seinem Mandanten jedenfalls eine Perspektive eröffnen, in ein straffreies Leben zurückzukehren.
Immerhin habe der Bönener sieben Kinder zu versorgen und müsse sich auch um seine eigene und die Privatinsolvenz seiner Frau kümmern können.
Für Verteidiger Berndt steht ohnehin fest, dass der Angeklagte keineswegs ein Alleintäter war. Vor allem der langjährige Pflegedirektor des Unternehmens habe nicht nur alles gewusst. „Er hat auch jeden Monat Schwarzgeld kassiert“, so der Rechtsanwalt.