
© picture alliance / dpa
„Viele Medikamente nicht lieferbar“- So sieht es in den Apotheken der Region aus
Arzneimittelnotstand
Lieferengpässe bei vielen Apotheken. Was sagen Apotheker aus Selm, Olfen und Nordkirchen zum Thema Arzneimittelnotstand? Und wie kommt es überhaupt dazu?
Wer momentan sein verschriebenes Medikament in der Apotheke abholen möchte, kommt möglicherweise mit leeren Händen wieder raus.
Grund dafür sind Lieferengpässe. „Es gibt sehr viele Medikamente, die zurzeit nicht lieferbar sind“, erklärt Laura Höcke, Pharmazeutin in der Bären-Apotheke in Nordkirchen. Viele ihrer Kunden müssten auf ein alternatives Produkt umgestellt werden.
Viele Medikamente fehlen
Welche Arzneimittel sind genau vom Notstand betroffen? Wie Apotheker Michael Gastreich von der Marien-Apotheke in Olfen deutlich macht, betrifft das Problem nicht nur ein bestimmtes Medikament. „Das zieht sich durch das ganze Segment. Blutdruckmittel, Schmerzmittel, Schilddrüsenmedikamente“, zählt er auf. Auch beim Schmerzmittel Ibuprofen käme es immer noch zu Lieferengpässen.
Volker Brüning ist Apotheker und Inhaber der Apotheken Brüning in Selm und Lünen. Er erklärt, dass momentan besonders Impfstoffe, zum Beispiel gegen FSME, einer durch Zecken übertragenen Viruserkrankung, gefragt sind.
Außerdem sieht er Probleme bei der Lieferung von Originalmedikamenten, Diabetesmedikamenten und modernen Arzneimitteln, die häufig ins Ausland verkauft werden.
Wie reagieren die Apotheker in Selm und Olfen darauf?
Für Volker Brüning seien die Lieferprobleme in seinen Apotheken noch zu händeln. „Wir sind ein Apothekenverbund“, erklärt Brüning. Der Vorteil: Man sei in Kontakt mit Kollegen und helfe sich gegenseitig aus. Außerdem habe er Zugriff auf die drei größten Großhandlungen in Deutschland.
Pharmazeut Michael Gastreich ist im Moment viel damit beschäftigt, Lösungen zu finden, Lieferfähigkeiten abzufragen und alternative Portale zu kontaktieren - Es bedeute vor allem organisatorische Arbeit für ihn.
Kosten sparen
Und woran liegt es, dass lebenswichtige Medikamente so knapp sind? „Das ist schwer abzusehen“, sagt die Nordkirchener Apothekerin Laura Höcke. Ein möglicher Grund ist für sie, dass Hersteller nur noch „just in time“ produzieren wollen. Das bedeutet, dass Produktion und Lieferung so aufeinander abgestimmt werden, dass die Lagerungskosten möglichst gering gehalten werden.
Nachteil dieses kostengünstigen Verfahrens seien Produktionsausfälle und Lieferengpässe.
Brüning erzählt, dass dabei auch die sogenannten Rabattverträge, die die Krankenkassen mit den Pharmaherstellern abschließen, eine Rolle spielen. Konkret geht es bei diesen Verträgen darum, dass die Hersteller den Krankenkassen Preisnachlässe auf bestimmte Arzneimittel gewähren. Im Gegenzug bekommen die Krankenversicherten nur das Medikament dieses Herstellers vom Arzt verschrieben. Die Folge: „Die Preise werden so weit runtergedrückt, dass Firmen immer günstiger produzieren müssen“, sagt Brüning. Die Möglichkeit dazu haben sie vor allem im Ausland, wie auch Gastreich erklärt.
Welche Maßnahmen sind notwendig?
Die Apotheker selbst sind laut eigener Angabe machtlos gegen den Notstand. Was muss grundsätzlich passieren, damit Patienten in Zukunft nicht mehr auf ihre Medikamente warten müssen? „In der Politik muss sich etwas ändern,“ so Brüning. „Ein Umdenken muss stattfinden“, sagt der Selmer Apotheker. Nicht „billiger, billiger, billiger“ solle es heißen.
„Eine Lieferfähigkeit muss sichergestellt sein“, meint Laura Höcke. Damit der Kunde seine Medikamente nicht alle drei Monate von einem anderen Arzneimittelhersteller bekomme. Ansonsten müsse es Sanktionen für die Hersteller geben.
Dieser Ansicht ist auch Michael Gastreich. Jedoch ist für ihn nicht die Politik allein schuld. „Das ist ein Problem der globalisierten Welt“, meint er.