Landwirtinnen in Selm und Werne Zwischen Erwartungen, Freizeit und fehlender Wertschätzung

Landwirtinnen: Zwischen Erwartungen und fehlender Wertschätzung
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Frauen in der Landwirtschaft sind so individuell wie die betrieblichen Hofstrukturen auch. In einer Studie zur Lebens- und Arbeitssituation der Frauen in der Landwirtschaft, die durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziert wurde, sind Frauen aus der Landwirtschaft zu Wort gekommen. Wir haben exemplarisch zwei Landwirtinnen aus unserer Region dazu befragt.

Eine der wenigen Frauen, die einen Hof übernehmen, ist Lisa Schulz-Gahmen (26). Sie hat Landwirtschaft gelernt und anschließend die staatlich geprüfte Agrarbetriebswirtin draufgesetzt. Auf dem elterlichen Hof, den sie übernimmt, wird Ackerbau und Schweinemast betrieben.

Ein Zitat aus der Studie von Imke Edebohls vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft lautet: „Hofnachfolgerinnen sind gut ausgebildet und taff - sie stehen für einen Wandel in der Landwirtschaft.“ Dieser Aussage kann Lisa Schulz-Gahmen nur zustimmen. „Das ist quasi die Grundvoraussetzung, heutzutage einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen“, sagt die 26-Jährige.

Landwirtinnen sind individuell

Die eine Frau in der Landwirtschaft gibt es nicht. Die Frauen auf den Höfen sind so individuell wie die Höfe selbst. Alle bestreiten ihren Alltag unterschiedlich, haben verschiedene persönliche Ziele und Stärken. „Da gibt es Frauen, die viel draußen auf dem Betrieb sind, und auch die Frauen, die überwiegend die Büroarbeit und den Haushalt machen. Das kommt immer auf die Betriebsstruktur an“, sagt die Landwirtin, die auf dem Hof in Werne arbeitet, selbst aber in Nordkirchen wohnt.

Heutzutage stehen viele Frauen vor der Herausforderung, den Erwartungen gerecht werden zu wollen. „Einerseits wird von ihnen erwartet, dass sie die gleiche körperliche Arbeit leisten können wie ihre männlichen Kollegen, aber gleichzeitig muss man sich auch mal eingestehen können, wenn das nicht geht“, so Schulz-Gahmen.

Lisa Schulz-Gahmen im Schweinstall.
Lisa Schulz-Gahmen im Schweinstall. © Laura Schulz-Gahmen

Auch Stefanie Gremme (34) aus Selm ist Landwirtin. Zusammen mit ihrem Mann Daniel (32) führt sie den Hof Gremme, auf dem Ackerbau, Sauenhaltung und Ferkelaufzucht sowie Hühnerhaltung in mobiler Freilandhaltung und Direktvermarktung betrieben wird.

„Wir haben beide unsere Aufgabenbereiche, aber eigentlich können wir beide alles auf unserem Hof“, sagt Stefanie Gremme im Gespräch mit der Redaktion. Auf dem Papier ist es ihr Betrieb, „aber das ist unser Hof“, betont die 34-Jährige und macht klar, die zwei sind ein Team. Heute haben ihrer Meinung nach noch viele das Bild im Kopf, dass Frauen den Haushalt schmeißen und Männer draußen arbeiten. „Das ist bei uns nicht der Fall.“

Stefanie Gremme mit einer Palette Eier
Im Hof-Shop können die Eier der Freiland-Hühner vom Hof Gremme gekauft werden. © Laura Schulz-Gahmen

Während rund 22 Prozent der befragten arbeitenden Frauen in der Landwirtschaft als ständig Beschäftigte und 35 Prozent als Saisonarbeitskräfte tätig sind, liegt der Anteil der Familienarbeitskräfte dabei bei 43 Prozent. Der überwiegende Teil dieser weiblichen Familienarbeitskräfte sind Ehegattinnen (59 Prozent). Betriebsinhaberinnen machen unter den Befragten nur 18 Prozent an den weiblichen Familienarbeitskräften aus. Warum hat sich Lisa Schulz-Gahmen also für den Beruf der Landwirtin und zur Hofübernahme entschieden, wenn es doch nur so wenige Frauen tun?

„Außer mir kenne ich nur drei weitere Frauen, die einen Hof übernehmen werden“, sagt Lisa Schulz-Gahmen. Es seien eben wesentlich mehr Männer, die das tun. „Heutzutage sollte es aber kein Problem mehr sein, als Frau einen landwirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen, so Schulz-Gahmen. Sie begründet das so: „Die Technik ist heute auf einem so viel höheren und besseren Stand als früher, dass sie die körperliche Arbeit schon sehr erleichtert. Gleichzeitig ist die Ausbildung, die Mann oder Frau erhält, ja die gleiche“, sagt die 26-Jährige im Gespräch mit der Redaktion. Heißt, beide Geschlechter sind auf demselben Stand und verfügen somit über die gleichen Kenntnisse.

Lisa Schulz-Gahmen steigt auf den Trecker
Frauen in der Landwirtschaft: Eine von ihnen ist Lisa Schulz-Gahmen. Sie spricht über den Beruf, Vorurteile und Hoffnungen für die Zukunft. Hier besteigt Sie einen Trecker. © Laura Schulz-Gahmen

Lisa Schulz-Gahmen hat sich für den Beruf entschieden, weil sie sich als Selbstständige ihren Arbeitsalltag selbst einteilen kann. Außerdem arbeitet sie gerne in der Natur und mit Tieren und für sie ist es einfach schön, ihren Arbeitsalltag mit ihrer Familie teilen zu können.

Die Ausbildung war aber nicht immer ganz so leicht. Sie hatte verschiedene Chefs auf verschiedenen Betrieben. „Ein Chef war nicht sehr rücksichtsvoll. Er hat einfach nicht darüber nachgedacht, dass ich manches körperlich nicht so kann wie ein Mann“, sagt die Landwirtin. Ein anderer Chef hingegen zeigte sehr wohl Verständnis und hat sie immer unterstützt, „sodass man immer wusste, dass man auf dem Betrieb auch als Frau einen Weg finden konnte, sein Ziel zu erreichen.“

Stefanie Gremme hatte sowohl eine Frau als Chefin als auch männliche Chefs. „Für mich war es egal, ob ich mit einem Mann oder einer Frau arbeite“, sagt die Mutter eines kleinen Sohnes. Das sei vermutlich auch persönlichkeitsabhängig. „Auf manchen Betrieben haben es Männer vielleicht etwas einfacher, auf den Umgang und den Ton untereinander und auf die körperliche Arbeit bezogen“, so Gremme. Es gibt ja durchaus auch ruhigere Typen, „und in der Landwirtschaft muss man sich als Frau auch mal behaupten können“, sagt sie. Das sei ihr selbst nie besonders schwergefallen.

Mehr Wertschätzung gewünscht

Auf die Frage, welche Situationen oder Tätigkeiten sie die meisten Nerven kosten, antwortet Lisa Schulz-Gahmen: „Dass sich der Lebensmitteleinzelhandel die Taschen voll macht, während die Landwirte kaum etwas von dem Geld für ihre Produkte sehen. Und die politische Situation ist derzeit so in Deutschland, dass man als Landwirt nicht weiß, wie man seinen Betrieb künftig weiterführen soll, ohne die Schweinemast an den Nagel zu hängen. Denn die Schweinemast ist in der aktuellen Politik nicht mehr erwünscht.“

Ähnliche Bedenken hat auch Stefanie Gremme: „Für das, was man täglich leistet, sollte am Ende mehr Wertschätzung auch in Form von höheren Preisen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen herauskommen.“ Denn der Aufwand, der dahintersteckt, wird oft übersehen. Genauso, wie die wenige Zeit, die Landwirtinnen oft bleibt. Stefanie Gremme hat einen einjährigen Sohn. „Als selbstständige Mutter und Landwirtin habe ich weniger Zeit für Freunde und Freizeit als andere berufstätige Mütter“, sagt die Selmer Landwirtin. „Die Leute denken immer, man hat ja Zeit, weil man immer zu Hause ist. Aber wir arbeiten eben zu Hause. Wir haben auch Zeit für uns, aber es ist immer ein Balance-Akt. Gut, dass es Opa und Oma gibt“, so Gremme.

Mehr Planungssicherheit erforderlich

Über zu wenig Freizeit kann sich Lisa Schulz-Gahmen jedoch nicht beschweren, da ihr Betrieb gut strukturiert ist und der langjährige Hofmitarbeiter sowohl sie als auch ihren Vater sehr entlastet. Das sieht auf anderen Höfen anders aus. Laut Studie wünschen sich 29 Prozent der befragten Landwirtinnen mehr Zeit für sich, 30 Prozent wünschen sich mehr Zeit mit ihrem Partner/ihrer Partnerin.

Lisa Schulz-Gahmen wünscht sich, dass sich mehr junge Menschen für den Beruf des Landwirts/der Landwirtin entscheiden. „Derzeit sieht der Arbeitsmarkt eher mau aus und ich möchte später auch noch gute Mitarbeiter einstellen können, die mich entlasten.“ Eine Frage der Umfrage war: Was wünschen Sie sich für ihren Betrieb in zehn Jahren? Darauf hat die staatlich geprüfte Agrarbetriebswirtin sofort eine Antwort: „Mehr Planungssicherheit.“ Das kann auch Stefanie Gremme unterschreiben. Sie sagt: „So weit kann ein Landwirt heutzutage gar nicht mehr planen. Wir würden gerne sehen, dass man in zehn Jahren noch darüber nachdenken kann, den Betrieb mal an die Kinder weiterzugeben, sofern sie das möchten“, sagt die 34-jährige Selmerin.

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