Die Daten klingen gut, fast zu gut: Innerhalb von vier Jahren (2018 bis 2022) ist die Anzahl der Beschäftigten in den Kindertagesstätten in NRW um über 18 Prozent gestiegen. Das vermeldet das statistische Landesamt vor Kurzem. Im Bereich der Erziehenden nahm die Zahl der Arbeitnehmenden um elf Prozent zu.
Und da sage noch einer etwas vom „Personalmangel im Erzieherberuf“. Aber: Diese auf den ersten Blick erfreulichen Entwicklungen gilt es einzuordnen. „Grundsätzlich hängt die Zahl der Beschäftigten immer direkt von der Zahl der betreuten Kinder ab. Daher ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Beschäftigten vor allem deshalb so stark erhöht hat, weil die Zahl der Einrichtungen und Betreuungsplätze in NRW gestiegen ist“, sagt Julia Schmidt, Pressesprecherin des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Unna.
Zahl der betreuten Kinder steigt
Und genau das trifft auch zu: Die Anzahl der betreuten Kinder in Kindertagesstätten in NRW stieg im Fünfjahresvergleich auf 654.043 und damit um 9,2 Prozent.
Das DRK betreut in Selm die Einrichtung Kita „Mittendrin“. Schmidt erklärt, dass die Zahl der Beschäftigten vor Ort in den letzten Jahren nicht nennenswert gestiegen sei, da weder die Zahl der Gruppen noch die Zahl der Plätz für zu betreuende Kinder, aufgestockt worden seien.

Ähnliche Beobachtungen hat auch Pia Althoff gemacht. Sie arbeitet als Verbundleitung der katholischen Kitas in Selm und betreut damit sechs Einrichtungen. „Die Zahl der Beschäftigten im Verbund ist in den letzten Jahren leicht gestiegen. Wobei zu berücksichtigen ist, dass unter anderem die Anzahl der Ausbildungsplätze zugenommen hat.“
Althoff schränkt jedoch ein: Eine Zunahme von Beschäftigten bedeute nicht immer eine bessere personelle Ausstattung, sondern sei mitunter darauf zurückzuführen, dass eine Vollzeitstelle mit zwei teilzeitbeschäftigten Mitarbeitenden nachbesetzt werde.
Von einer „guten Personallage“ spricht auch Kevin Marquardt, Einrichtungsleiter der AWO-Kita Konfetti. „Wir haben 18 Fachkräfte auf 95 Kinder – das ist nicht selbstverständlich und war vor meiner Zeit nicht so“, sagt Marquardt, der seit anderthalb Jahren den Hut aufhat. Aktuell ist eine Stelle unbesetzt, allerdings ist diese Stelle gerade in der Ausschreibung. „Es gab zwei Bewerbungen und es sieht gut aus, dass wir die Stelle besetzen können, obwohl es eine Teilzeitstelle ist“, ergänzt er.

In letzter Zeit hat der Einrichtungsleiter vor allem eines beobachtet: „Das Problem ist die Fluktuation. Viele Erzieherinnen und Erzieher machen eine Ausbildung und gehen dann in die Uni und nutzen die Erzieherausbildung eher als Sprungbrett. Häufig studieren sie Soziale Arbeit oder Ähnliches und arbeiten dann als Sozialpädagogen in Schulen oder in anderen Bereichen.“ Deshalb wundere ihn der enorme Anstieg der Beschäftigten.
Auch deshalb blickt Julia Marie Schmidt vom Deutschen Roten Kreuz mit Bauchschmerzen in die Zukunft. Sie spricht von einem „erheblichen Mangel an Fachkräften im Bereich pädagogischer Mitarbeitenden“. Auch die Bewerberzahlen auf ausgeschriebene Stellen seien äußerst gering und insbesondere befristete Stellen wie etwa Schwangerschafts- oder Krankheitsvertretungen ließen sich kaum mehr besetzen.
Das DRK arbeitet daher mit Personaldienstleistern zusammen, um Lücken zu schließen. Außerdem werde versucht, viel Energie in den Nachwuchs zu stecken. So wird neben der schulischen Ausbildung auch eine praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher sowie zum Kinderpfleger angeboten. „Wir gehen davon aus, dass der Fachkräftemangel weiter zunehmen und uns auch in Zukunft vor große Herausforderungen stellen wird“. sagt Schmidt.