Der Schock bei Jan Biesenthal aus Selm sitzt tief. Grund für seinen Unmut ist die geplante Erhöhung der Elternbeiträge für die Kinderbetreuung, die auch im jüngsten Ausschuss für Jugend, Schule, Familie und Soziales Thema war. Als der dreifache Vater das erste Mal von einer geplanten Erhöhung ab August 2025 um 4,5 Prozent hörte, nahm er das mehr oder weniger hin. Immerhin klinge das nicht viel und man habe sich ja in den vergangenen Monaten bereits daran gewöhnt, dass alles teurer wird, erzählt er im Gespräch mit der Redaktion.
Doch als er die Vorlage der Verwaltung sah, die die geplanten Anpassungen deutlich und im Detail darlegte, stellte sich der erste Schock ein. Der zweite folgte, als er die Debatte während des Ausschusses am vergangenen Dienstag (3. Dezember) verfolgte. Denn in der Verwaltungsvorlage hatte sich ein eklatanter Fehler eingeschlichen. Es fehlte die Änderung, die die Betreuung bei Tageseltern betrifft. So sollen Eltern, deren Kinder in der Tagespflege untergebracht sind, nicht mehr einen vergünstigten, sondern den vollen Preis zahlen. Auch dass die Geschwisterkinder beitragsfrei sind, soll sich im kommenden Jahr ändern. Das trifft auch auf Familien zu, deren Kinder in einer Kita betreut werden. Neben dem vollen Preis für das erste Kind fallen nun 50 Prozent der Kosten für die Geschwisterkinder an.
400 Euro mehr im Monat
Familie Biesenthal trifft diese neue Regelung deutlich, wie der Vater vorrechnet. Für seine beiden jüngeren Kinder, die beide in der Betreuung einer Tagesmutter sind, und den OGS-Beitrag des ältesten Kindes, das im kommenden Jahr eingeschult wird, soll die Familie ab August 870 Euro monatlich zahlen. Das seien nach Angaben von Jan Rademacker 390 Euro mehr, als sie derzeit aufwenden müssen. Eine große Summe für die fünfköpfige Familie. Der Ausschuss hatte in der Sitzung am vergangenen Dienstag dem Beschluss zugestimmt - zum Unmut von Jan Rademacker. „Rechnet denn niemand mal Fallbeispiele durch, um die Mehrbelastung zu sehen?“, fragt sich der Vater angesichts der Entscheidung des politischen Gremiums.
„Wir sind schon in einer komfortablen Situation, haben kürzlich ein Eigenheim gekauft, und trotzdem ist das eine große Summe für uns.“ Andere Familien treffe die Erhöhung, die auch abhängig vom Einkommen ist, vielleicht noch härter als ihn. Ein Unding sei es, dass diese enorme Veränderung in einer solchen Höhe und vergleichsweise schnell auf die Familien zukommen wird, findet der Familienvater. „Wenn man mehr Vorlaufzeit hätte, könnte man vielleicht noch mit dem Chef über eine Gehaltserhöhung sprechen.“
Für einige Familien stelle sich nun gar die Frage, ob ein Kind unter diesen Umständen noch leistbar ist, fürchtet der Selmer. Denn in der Familienplanung seien auch Elternbeiträge und deren Höhe ein Thema. Auch, ob noch beide Eltern arbeiten gehen oder einer für die Kinderbetreuung zu Hause bleibt, sei hierbei ein Aspekt. „Das geht aber auch nicht so einfach, denn wir haben ja noch andere laufende Kosten, der Kredit für das Haus und unsere Autos“, rechnet Biesenthal vor. Dass die Stadt jetzt noch derartig bei den Elternbeiträgen zulangt, zumal Familien schon bei den Steuern vergleichsweise stark zur Kasse gebeten würden, ärgert den Familienvater. Ebenso wie die Argumentation der Stadt, die Bürgerinnen und Bürger müssten für ihre Kosten aufkommen und da gehörten auch die Betreuungskosten dazu. „Doch an diesen Kosten beteiligen sich die Eltern ja ohnehin schon. Und auch an den Kosten für die Familien, die von den Beiträgen befreit sind, weil sie beispielsweise Bürgergeld beziehen.“
Widerstand in der Politik
Mit anderen Eltern will der Vater nun gegen die Entscheidung vorgehen. Auch an den Bürgermeister hat er sich schon gewandt. Von der CDU gab es bereits eine Rückmeldung auf eine Beschwerde. Trotz ihrer Zustimmung zur Beschlussvorlage distanzieren sich die Christdemokraten deutlich von dem Vorhaben der Verwaltung, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Ähnlich sieht es bei der SPD aus. Man sei „einstimmig zu dem Ergebnis gekommen“, dass man der „Neufassung der Elternbeiträge in ihrer jetzigen Form nicht zustimmen“ werde. Auch bei den Selmer Grünen regt sich Widerstand gegen die geplante Beitragsanpassung. Die Demonstration der Eltern wollen sie unterstützen, erklären sie in einer Stellungnahme. Zudem fordern auch sie eine familienfreundliche Lösung. Heiko Buchalik, Fraktionsvorsitzender der Interessengemeinschaft Kommunalpolitik Selm sieht die anstehende Beitragserhöhung ebenfalls kritisch, wie er in einer Pressemitteilung darlegt. Er wünscht sich nun eine Evaluation aller Möglichkeiten.