Erziehung und Bildung

Inklusion: „Unsere Tochter kann hier sein wie jedes andere Kind auch“

Wie schafft man es, Kinder mit Behinderungen erfolgreich zu integrieren? Zwei Mütter berichten, wie das mit ihren Töchtern in der Kita „Villa Kunterbunt“ in Selm funktioniert hat.

Bork

, 07.09.2021 / Lesedauer: 3 min

Kinder mit Behinderungen werden in der "Villa Kunterbunt" erfolgreich integriert. Eine Mutter sagt: "Unsere Tochter kann hier sein wie jedes andere Kind auch." © Villa Kunterbunt

Inklusion – ein oft genutzter Begriff, gerade wenn es um Bildung und Erziehung geht. Auch für die Kita „Villa Kunterbunt“ in Selm ist Inklusion eine Selbstverständlichkeit. Doch was bedeutet Inklusion eigentlich für die betroffenen Familien selbst? Das wollte der Vorstand der Elterninitiative wissen und hat deshalb zwei Mütter von „I-Kinder“ nach ihren Erfahrungen gefragt.

Liebe Sonja, liebe Nathalie, könnt Ihr uns Eure Töchter kurz vorstellen?

Sonja: Unsere Tochter Zoe ist 6 Jahre alt und hat 3 Jahre die Villa Kunterbunt besucht (Anm. d. Red.: Zoe wurde im August 2021 eingeschult). Zoe leidet unter einer „Autismus-Spektrum-Störung“: Sie kann bereits flüssig lesen, rechnen fällt ihr ebenfalls sehr leicht. Auf der sozialen und emotionalen Seite hat Zoe aber Schwierigkeiten. Menschenmassen und Lärm stressen sie sehr. Sie braucht feste Bezugspersonen und eine ganz klare Tagesstruktur, an die sie sich halten kann.

Natalie: Unsere Sophie ist 5 Jahre alt und besucht ebenfalls seit 3 Jahren die Villa Kunterbunt. Sophies Einschränkungen sind rein körperlich. Sie ist ab der Lendenwirbelsäule gelähmt und hat Klumpfüße. Sie kann weder selbstständig laufen noch frei stehen.

Wie seid Ihr zur Villa Kunterbunt gekommen?

Natalie: Ich habe über das Informationsschreiben der Stadt von der Villa Kunterbunt erfahren und ehrlich gesagt, war die Villa Kunterbunt nur mein Drittwunsch. Aber ich bin wirklich sehr froh, dass wir schließlich hier gelandet sind. Es ist so schön familiär hier und Sophie fühlt sich einfach pudelwohl.

Sonja: Wir sind auch erst durch Umwege hier gelandet. Anderen Kindertagesstätten haben uns alle eine Absage geschickt, teilweise obwohl sie uns vorher im Gespräch einen Platz versprochen hatten. Da haben wir dann bei der Stadt angerufen, und die hat uns an die Villa Kunterbunt verwiesen. Und ich muss sagen, ich bin überglücklich hier einen Platz für Zoe bekommen zu haben. Die Erzieherinnen waren von Anfang an hilfsbereit und haben uns in allen Belangen unterstützt.

Wie sah oder sieht diese Unterstützung ganz konkret aus?

Sonja: Generell haben hier immer alle ein offenes Ohr. Es ist für uns jederzeit möglich, die Erzieherinnen anzusprechen und uns auszutauschen – auch über Herausforderungen im Alltag. Wir finden hier zudem immer wieder ganz praktische Hilfe. So hat uns das Team der Villa Kunterbunt wirklich sehr bei der Suche nach einer passenden Schule für Zoe geholfen. Auch hat die Kita für uns einen Austausch mit der Autismusambulanz und der Frühförderung organisiert.

Natalie: Sophie hat zweimal in der Woche hier Physiotherapie und einmal Frühförderung. Das hilft mir enorm. Ich habe kein Auto und für mich wäre es logistisch eine große Herausforderung, Sophie am Nachmittag rechtzeitig zu ihren Therapieterminen zu bringen. So ist das alles schon erledigt, wenn ich sie abhole.

Wie haben sich Zoe und Sophie hier entwickelt? Könnt Ihr Fortschritte feststellen, die ihr zumindest auch zum Teil der Förderung durch die Villa Kunterbunt zuschreibt?

Sonja: Auf jeden Fall. Zoe hat zum Beispiel bis zum Eintritt in die Kita gar nicht gesprochen, sondern nur körperlich reagiert, leider auch oft mit Gewalt. Hier hat sie einen geschützten Raum gefunden, in dem sie soziale Begegnungen mit anderen Menschen außerhalb ihrer Kernfamilie erlernen konnte. Klar, ist ihr Verhalten manchmal immer noch auffällig, aber es ist viel besser geworden.

Natalie: Sophie ist auch viel selbstbewusster geworden. Sie ist hier mittendrin, egal bei welcher Aktivität. Auch die Waldtage macht sie sehr gerne mit. Und es ist toll zu sehen, wie die anderen Kindern mit ihr umgehen. Es bleiben immer welche in ihrer Nähe und integrieren sie im Spiel. Sie kann hier einfach sein wie jedes andere Kind auch. Das ist für mich Inklusion.