Sechs Fußballplätze groß ist der Acker zwischen der Schloßstraße und der Straße Am Gorbach: das Grundstück für das Hotel-Quartier Nordkirchen. Da auch nach mehr als sieben Jahren nach Planungsbeginn dort immer noch grüne Pflanzen stehen und keine roten Klinkerbauten, werden manche Mitglieder des Gemeinderates langsam ungeduldig. Schließlich wird das Bauvorhaben unweit des berühmten Wasserschlosses Nordkirchen von Bürgermeister, Verwaltung und Politik als das zukunftsweisende Prestigeprojekt für die Gemeinde gehandelt, das gleich mehrere wichtige Bedarfe decken soll: mit 120-Zimmer-Hotel, Hallenbad, Schulbau für die Oberstufe der nahen Gesamtschule, medizinischem Zentrum, Kita und 200 Wohnungen, darunter Service-Wohnungen für alte Menschen. Ob es je dazu kommen wird, scheint manchem inzwischen fraglich.
Auf laufende Gesprächen „mit einem potentiellen Investor über eine gute wirtschaftliche Lösung für die beiden Teilprojekte Schwimmbad und Schulerweiterung, an denen die Gemeinde großes Interesse hat“, hatte Bürgermeister Dietmar Bergmann auf Anfrage der Redaktion hingewiesen. Das war Anfang März. „Sobald hier verlässliche Kalkulationen vorliegen, wird die Verwaltung diese der Projektgruppe Hotel des Rates der Gemeinde vorstellen und sie werden in den zuständigen Ratsausschüssen behandelt werden.“ Das ist bislang offensichtlich noch nicht der Fall. Denn auch die Fragen, die die Redaktion Anfang Mai schickte, ließ Bergmann unbeantwortet. Stattdessen verwies er auf die Ratssitzung an diesem Donnerstag (11. Mai, 17.30 Uhr, Bürgerhaus). Dann werde er sich zum Stand der Dinge äußern wie in jeder Ratssitzung.
Dazu hatte Karl Kleineberg, ein Bürger der Gemeinde, Bergmann bereits in der jüngsten Bauausschusssitzung aufgefordert. Als Antwort erhielt er ebenfalls einen Hinweis „auf intensive Gespräche“ zu den geplanten Verträgen zur Nutzung des geplanten Schulgebäudes und des Schwimmbades. Die seien erst zu klären, bevor der geänderte Bebauungsplan beschlossen werde. Zu Gerüchten, die Investoren hätten kalte Füße bekommen, nachdem der Boom auf dem Immobilienmarkt 2022 ein jähes Ende gefunden hatte, äußerte er sich nicht.
Wie Fürstenwalde und Steinfurt?
„Nein, wir haben das Projekt nicht zur Seite gelegt“, sagt Dr. Stefan Engels, Geschäftsführer der IGP med GmbH, am Telefon. Die veränderten Rahmenbedingen stellten aber tatsächlich eine Herausforderung dar, nicht nur die allgemeinen, sondern auch die Nordkirchen-spezifischen: Erst hatte das Land NRW im Februar 2022 überraschend angekündigt, doch kein Fortbildungszentrum für die Finanzverwaltung mit 260 Unterkunftszimmern bauen zu wollen. Stefan Engels und Thorsten Schütte, Geschäftsführer der TMC Development GmbH, der Eigentümerin des Grundstücks, war es zwar gelungen, die entstandene Lücke schnell zu schließen durch das neue Angebot mit Praxen und Service-Wohnungen. Doch dann musste Convivo, das Unternehmen, das sich genau darum kümmern wollte, Insolvenz anmelden.
Engels macht keinen Hehl daraus, dass das ein echter Rückschlag sei, der sein Unternehmen andernorts noch stärker betroffen habe. In Fürstenwalde etwa. Da wollte die IGP med GmbH einen Bildungs- und Gesundheitscampus schaffen. Als Referenzobjekt hatte das Unternehmen ausgerechnet den geplanten Gesundheitscampus in Steinfurt genannt: eine Brache, auf der sich seit Jahren nichts tut. Die Vergleiche hinken, meint Engels. Er bleibt dabei: „Wir arbeiten daran, einen neuen Betreiber zu finden für Nordkirchen.“ Thorsten Schütte, der nicht nur Geschäftsführer der TMC Development GmbH in Nordkirchen ist, sondern auch des Hamburger Immobilien-Unternehmens Premero, war indes nicht erreichbar für eine Stellungnahme.
Das sagen die Politiker
„Tatsächlich sind wir etwas ungeduldig“, sagt Markus Pieper (CDU), Sprecher der CDU/FDP-Fraktion im Nordkirchener Rat. Ihnen gehe es dabei vor allem um die Gesamtschule, die auf den Neubau für ihre Oberstufe warte. „Da stehen wir im Wort.“ Der hervorragende Schulstandort dürfe nicht geschwächt werden. Notfalls müsse die Gemeinde Alternativen prüfen. Das gelte auch für das Schwimmbad. „Da sind die Unterhaltungskosten entscheidend.“ Darüber lasse sich aber erst befinden, wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen würden.

Dass es darauf hinauslaufe, dass die Gemeinde das geplante Hallenbad selbst betreiben müsse, ist für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Gereon Stierl wahrscheinlich. „Um das zu entscheiden, müssen wir genau wissen, was uns das kosten wird.“ Schule und Bad hätten Priorität. „Doch jeder, der glaubt, dass wir uns deshalb von Investoren leichtfertig über den Tisch ziehen ließen, liegt falsch.“
Gereon Stierl glaubt nach wie vor an das XXL-Projekt Hotel-Quartier. Christian Lübbert (UWG) fällt das inzwischen schwer. „Das wird wohl kaum noch in der geplanten Form zu realisieren sein.“ Und das sei „wirklich schade“. Joachim Seidel, der Vertreter der FDP im Rat, hofft dagegen immer noch, „dass 2026 die ersten Bauarbeiten zu sehen sein werden“.
Die Grünen sind die einzigen, die bei dem Hotel-Projekt schon seit längerem einen anderen Weg gehen als die Verwaltung und die Mehrheit im Rat. „Wir würden es begrüßen, den Bau der Schule in die eigene Hand zu nehmen“, sagt Fraktionsvorsitzende Uta Spräner. Das Gleiche gelte für das Schwimmbad. „Es kann nicht sein, dass wir den Bau unserer Schule vom Gelingen eines Hotels abhängig machen.“