Es ist über 60 Jahre her. Im Jahr 1958 lernte Horst Strunk beim Tanz in den Mai in Selm seine Regina kennen. Heimlich verlobten sie sich. Doch, um eine eigene Wohnung zu bekommen, mussten sie verheiratet sein. Sie fanden eine, haben aber der Familie davon nichts erzählt. Nach der kirchlichen Trauung im Januar 1960 lüfteten sie ihr Geheimnis. Die Verwandtschaft machte große Augen, als sie die komplett eingerichtete Wohnung sahen.
Das ist nur eine spektakuläre Geschichte im Leben von Horst Strunk, der am heutigen Freitag seinen 90. Geburtstag feiert. In dem kleinen Ort Pomehlen in der Gemeinde Weepers im Landkreis Mohrungen, ehemals Ostpreußen, kam Horst Paul Strunk am 28. Oktober 1932 zur Welt. Von diesem Ort bis nach Selm war es eine lange Reise mit vielen schönen, aber auch vielen tragischen Ereignissen.
Die Familie lebte auf einem Rittergut am Geserichsee. Neben Horst Paul gehörten noch fünf weitere Kinder zur Familie. Ab 1938 sahen die Kinder ihren Vater nur noch, wenn er von der Front zum Heimaturlaub nach Hause kam.
Flucht bei Minus 25 Grad
Als Horst 1939 eingeschult wurde, hörte er aus dem „Volksempfänger“ vom Beginn des Krieges. Im Dorf blieb lange alles ruhig. „Wir haben bis 1944 nicht viel vom Krieg mitbekommen“. Als am 25. Januar 1945 der Befehl zum Rückzug kam, belud auch seine Mutter einen Pferdewagen mit Hab und Gut und den Kindern obendrauf. Horst Strunk weiß es noch ganz genau: „Es waren minus 25 Grad und es lag ein Meter hoher Schnee. Die Straße war zugeschneit“.
Da verunglückte der Wagen im Graben und die Familie musste wieder zurück ins Dorf. Später wohnten sie als einzige Bewohner in ihrem Dorf. Sie schlugen sich durch. „Wir haben Hasen gefangen oder die Scheune nach Spreu abgesucht“. Daraus wurde Kaffee gebraut. Manchmal gab es einen Fisch aus dem See.

Am 11. Oktober 1947 wurden alle verbliebenen Deutsche für einen Sammeltransport zum Güterbahnhof in Mohrungen abgeholt. „Die Waggons waren mit 40 Personen gefüllt. Wir warteten drei Tage auf die Abfahrt. Viele alte Leute verdursteten“, erinnert sich Horst. Als der Transport über die Weichsel fuhr, soll die Mutter ihre Kinder ermahnt haben: „Blickt nicht mehr zurück!“ Etwa drei Wochen vor Weihnachten trafen die Vertriebenen in Suhl ein. Dort ging er auch wieder zur Schule. Er absolvierte das 5. und 6. Schuljahr.
Der Suhler Bürgermeister stellte für die Familie den Antrag auf Familienzusammenführung. Am 23. Dezember 1950 machten sie sich von Thüringen über Eisenach auf nach Selm. „Wir sind am 27. Dezember 1950 in Selm eingetroffen“. Anlaufpunkt war die Wohnung der Tante. Auch der Vater wohnte hier seit 1949. Die gesamte Familie mit 10 Personen lebte auf zwei Zimmern.
Am 27. März 1951 fing Horst auf der Zeche Waltrop an und arbeitete dort länger als 13 Jahre als Bergmann vor Ort. Ein schlimmer Unfall mit Verlust von vier Fingern der linken Hand führte dazu, dass er als Stromableser für die Zechenwohnungen weiter beschäftigt wurde.
Er machte seine Arbeit gut und gewissenhaft und war oft einem Markscheider bei der Vermessung und den Zeichnungen behilflich.
Von der Zeche zum Lkw
Acht Jahren wohnten sie auf der Erlenstraße in Selm. Doch Horst wollte bauen. 1964 kündigte er bei der Zeche und fing bei Josef Rethmann als Kraftfahrer in Selm an. Ein Jahr später kaufte er das Grundstück am Waldweg und fertigte selbst die Bauzeichnung für das Haus an. 1967 zog die Familie ein. Bei der Firma Rethmann erlebte er deren Entwicklung und Expansion mit. Er war Fahrer, Einsatzleiter und Niederlassungsleiter in Halle/Westfalen.
Bis 1986 war er Vorsitzender des Betriebsrats. Auch nach 1994, als Horst Strunk bereits in Rente war, überführte er für die Firma Rethmann neue Lkws zu verschiedenen Niederlassungen. 2006 fuhr er seine letzte Tour nach Duisburg. „Es waren lehrreiche Zeiten“, blickt Horst Strunk zurück. Ehefrau Regina war froh, nun ihren Mann endlich zu Hause zu haben.

Inzwischen kamen zur Familie noch vier Enkelkinder hinzu, um die sie sich jetzt gemeinsam kümmerten. Für seine Hobbies nahm sich Horst immer Zeit. Er spielte gerne Akkordeon, Zitter und auf der Hammondorgel. Auch im Kaninchenzuchtverein, im Kleingartenverein und in der Gewerkschaft engagierte er sich. Zwischendurch half er beim Bau der Häuser seiner Kinder. Oft und gerne reiste die Familie in viele Länder Europas. In 2018 besuchte Horst seine alte Heimat. Doch das Gut war zerstört. Nur noch eine Straße erinnerte an das Dorf.
Am heutigen Freitag wird Horst Strunk mit seiner Familie seinen Geburtstag zuhause feiern. Leider ohne Ehefrau Regina, die im August verstarb. „Ich muss ja da sein, wenn die Freunde und Bekannten anrufen“, sagt er. Und das werden bestimmt viele werden.
Turnhalle in Bork: Land NRW unterstützt Sanierung mit über 500.000 Euro