Seit 2017 werden durch die Einführung des „Raser-Paragrafen“ 315d illegale Autorennen in Deutschland als Straftaten geahndet. Die Zahl dieser gefährlichen „Wettkämpfe“ auf öffentlichen Straßen, die oft in Unfällen – teils mit Verletzten oder gar Toten – enden, steigt seitdem. 6187 Verdachtsfälle waren es in Deutschland im Jahr 2023 – das ergab eine Umfrage des „Spiegel“. Auch in Selm kam es schon zu Unfällen, beispielsweise im Oktober 2023.
Weil nahezu ausschließlich junge Männer an diesen Rennen beteiligt sind, hält der Berliner Soziologe Andreas Knie drastische Maßnahmen für angebracht. Es solle darüber nachgedacht werden, das Mindestalter für das Erlangen eines Führerscheins auf 26 Jahre hochzusetzen – und zwar nur für Männer.
Fahrlehrer gegen Kollektivstrafen
Ralf Kromm kann dem Vorstoß nichts abgewinnen. Der Fahrlehrer aus Selm hält ihn sogar für „völligen Schwachsinn“. Gerade in ländlicheren Gebieten sei solch eine Regel praktisch nicht umzusetzen. „Hier müssen die Leute, und gerade die jungen, ja mobil sein“, sagt Kromm.
Die illegalen Autorennen seien im Unterricht ein Thema. „Da arbeite ich auch oft mit Negativbeispielen“, sagt der Fahrschulinhaber. Gleichwohl gebe es in verschiedenen Gruppen mögliche Sicherheitsrisiken, weshalb eine Fixierung nur auf junge Männer nicht gerechtfertigt sei. „Ab einem gewissen Alter ist dann jeder für sich selbst verantwortlich“, betont Kromm.
Ähnlich sieht es sein Kollege Reiner Bühmann, der seine Fahrschule ebenfalls in Selm hat. „Das Thema wird im Unterricht eingehend behandelt“, sagt er. Dass nur „reifere“ Männer überhaupt den Führerschein machen dürfen, sei „Quatsch“. Er habe eher mit dem begleiteten Fahren ab 17 gute Erfahrungen gemacht. Auch sei darüber nachzudenken, ob straffällig gewordene Autofahrer überhaupt noch die Möglichkeit haben sollten, den Führerschein wiederzuerlangen.

Mit einem „lebenslangen Führerscheinentzug“ für notorische Raser könnte sich auch Benjamin Janke anfreunden. Er betreibt seine Fahrschule mit Standorten in Lüdinghausen, Seppenrade und Olfen. „Und auch wenn es ein Phänomen ist, das in letzter Zeit vielleicht verstärkt auftaucht: Es handelt sich immer noch um einen verschwindend geringen Prozentsatz von Autofahrern, der solche Rennen fährt – auch unter den jungen Männern“, sagt Janke.
Eine Kollektivbestrafung sei daher nicht angebracht und „vollkommen unpraktikabel“. Und außerdem: „Wie soll ich einem 18-Jährigen, der zur Ausbildung in einen anderen Ort muss, verkaufen, dass er den Führerschein nicht machen darf, weil jemand anderes sich daneben benommen hat? Zum Glück geht das bei uns nicht“, findet der Fahrlehrer.
Mehr Lebenserfahrung könnte helfen
Lothar Frühof, Inhaber der Academy Fahrschule Frühof in Selm, hält zudem die Grenze von 26 Jahren für relativ willkürlich: „Es gibt auch noch Menschen, die 27 oder älter sind und an solchen Rennen teilnehmen.“ Frauen und Männer sollten überdies gleich behandelt werden.
Frühof bringt außerdem noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein: „Wenn Männer erst ab 26 Jahren den Führerschein machen dürfen, dann bricht uns eine ganze Menge an ‚Fahrschulmaterial‘ weg.“ Eine Regelung, wie sie Andreas Knie fordert, habe also auch wirtschaftliche Folgen für die Fahrschulen.
Jens Tittmann, Inhaber von „Heiners Fahrschule“ in Olfen, hält zumindest die Idee einer leichten Anhebung der Altersgrenze für nicht völlig abwegig: „Wenn man jetzt auf 20 oder 22 Jahre gehen würde, könnte ich das schon nachvollziehen. Ein bisschen mehr Lebenserfahrung kann sicherlich nicht schaden. Das begleitete Fahren mit 17 halte ich schon für sehr sportlich. Nur den Männern den Führerschein später zu geben, halte ich aber für keine gute Idee.“
In einem Aspekt sind sich darüber hinaus alle befragten Fahrlehrer einig: Die Teilnehmer an illegalen Straßenrennen sollten hohe Strafen erwarten. Diese seien jedoch kein Allheilmittel. Wichtiger sei, die jungen Menschen für die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren.