Fehlplanung in Selm: Stadt arbeitet an Genehmigung für Parkplatz „Augen zu und durch“

Stadt arbeitet an Genehmigung für Parkplatz: „Augen zu und durch“
Lesezeit

„Schwarzbau.“ Das ist ein Begriff, den die Stadtverwaltung Selm so nicht stehen lassen will. Denn gemeint ist der Parkplatz Kreisstraße/Landsbergstraße, und Bauherrin ist sie da selbst.

2019/20 hatte die Stadt Selm den Parkplatz für Fahrräder und 85 Autos angelegt: ein Ersatz für die durch den Umbau der Kreisstraße weggefallenen Parkplätze auf den beiden Seitenstreifen. Von einem „Schwarzbau“ könne nicht die Rede sein, denn es habe damals durchaus eine Baugenehmigung vorgelegen, entgegnet die Verwaltung. Allerdings passte diese Genehmigung nicht zu dem beantragten Vorhaben: eine Fehlplanung also, wie auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen befand, das ein Nachbar angerufen hatte. Genehmigt worden war damals eine private Stellplatzanlage, die grundsätzlich in einem Mischgebiet wie an der Kreisstraße in Selm zulässig ist. Die Stadt benötigt aber einen öffentlichen Parkplatz. Und um den neu zu bauen, braucht es ein anderes Genehmigungsverfahren. So lange ist der Parkplatz zwischen 22 Und 6 Uhr gesperrt. Und so lange hält sich das böse Wort „Schwarzbau“. Selbst in der Sitzung des Ausschusses für Bauen und Stadtplanung, der am Donnerstag (20. 1.) tagte, fiel es. Benutzt hat es FDP-Fraktionsvorsitzender Klaus Schmidtmann, ein Rechtsanwalt.

Dabei sollte es an diesem Abend darum gehen, „gemeinsam nach vorne zu schauen“, wie es Dezernent Thomas Wirth nannte. Der Ausschuss machte - bei einer Gegenstimme von Marion Küpper - den Weg frei sowohl für eine nachträgliche Änderung des Flächennutzungs- als auch des Bebauungsplans. Gegen beides regt sich aber erneut Widerstand.

Der Parkplatz an der Landsbergstraße in Selm soll jetzt öffentlich werden, damit dort auch nachts geparkt werden darf (Archivbild). Dafür gibt es noch Hürden abzubauen.
Der Parkplatz an der Landsbergstraße in Selm soll jetzt öffentlich werden, damit dort auch nachts geparkt werden darf (Archivbild). Dafür gibt es noch Hürden abzubauen. © Marie Rademacher

Lärm minimal über dem Grenzwert

Zwischen Juli und August 2024 gab es Gelegenheit, zu den Vorhaben Stellung zu beziehen. Das nutzte vor allem der Nachbar, der bereits zuvor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen angerufen hatte. Die Liste der von ihm geäußerten Kritikpunkte an dem Parkplatz neben seinem Wohn- und Geschäftshaus ist lang: von der Zerstörung der gewachsenen Struktur über Flächenverschwendung bis zur Entstehung starker Windböen. Im Zentrum seiner Beschwerde steht aber der Lärm.

Der Nachbar spricht in seiner Stellungnahme von „einer gesundheitsgefährdenden Gesamtlärmbelastung“ und einem Verstoß seines „verfassungsrechtlich garantierten Rechts auf körperliche Unversehrtheit“. Nicht nur der Körper, auch das Eigentum leide.: „Meine Mieter haben bereits ihre Mietzahlungen gekürzt“: eine durch Lärm verursachte „Wertminderung des gesamten Wohn- und Geschäftshauses“.

Die menschliche Gesundheit gilt als gefährdet, wenn die in dB(A) gemessene Lautstärke tagsüber höher als 70 dB(A) ist und nachts höher als 60 dB(A). Die Stadt hat ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Danach werden „die Schwellenwerte an den untersuchten Immissionspunkten zum Tageszeitraum in der Gesamtbelastung um mindestens 0,8 dB(A) unterschritten.“ Zur Nachtzeit werde der Wert aber an einem Messpunkt (Kreisstraße 58) um 0,8 dB(A) überschritten, wie es in der Begründung des Bebauungsplans nachzulesen ist. Der Grund sei aber „ausschließlich“ die Verkehrsbelastung auf der vielbefahrenen Kreisstraße (B 236) und der Parkplatz. Die Bezirksregierung Arnsberg teilt die Auffassung der Stadt, dass eine Pegelerhöhung bis zu 2 dB (A) für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sei und daher „zu keiner beachtlichen Verschlechterung der Situation“ führe. Dennoch sieht die übergeordnete Behörde Handlungsbedarf.

Bezirksregierung: Tempo 30 prüfen

Es sei aus „städtebaufachlicher Sicht geboten, insgesamt auf eine Verbesserung für die Bewohner der umliegenden Wohngebäude in Bezug auf Lärmbelastungen hinzuwirken“ - etwa durch die Anordnung von Tempo 30 oder Nachtfahrverbote für Lkw. Beides habe sie selbst schon ins Gespräch gebracht. Straßen NRW als Straßenbaulastträger habe aber abgewunken. Es handele sich schließlich um eine Bundesstraße von entsprechender Verkehrsbedeutung. Die Errichtung von Schallschutzwänden sei nicht möglich, da die betroffenen Gebäude entlang der B 236 unmittelbar an die Straße grenzen. Und „ob eine Kompensation für Schallschutzfenster erfolgen kann und soll, ist nicht

Gegenstand dieses Bauleitplanverfahrens“.

Planer ist „guter Dinge“

Mario del Vecchio, Geschäftsführer von „atelier stadt & haus“ in Essen betreut im Auftrag der Stadt Selm die Änderung des Flächennutzungs- und des Bebauungsplans, das den Parkplatz rechtssicher und rund um die Uhr nutzbar machen sollen. Trotz der erneuten Kritik des Nachbarn sei er „guter Dinge“ im laufenden Änderungsverfahren, sagte er den Ausschussmitgliedern. Ob er denn die Gefahr einer erneuten Klage sehe, wollte Peter Sowislo (SPD) von ihm wissen. „Die Gefahr einer Klage ist grundsätzlich immer gegeben“, erhielt dieser zur Antwort.

Das weiß auch Klaus Schmidtmann, der keinen Hehl daraus machte, wie sehr ihn die zurückliegenden Planungsfehler noch immer ärgern. „Wir können nur hoffen, dass das gut gehen wird“, sagte er und gab eine Devise raus für das weitere Vorgehen: „Augen zu und durch.“ Dabei ist die Stadtverwaltung nicht auf sich allein gestellt. „Wir lassen uns von einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei begleiten“, sagte Thomas Wirth, der noch nicht zuständig war, als der Parkplatz gebaut wurde.