Das Interhydraulik-Gelände im Wandel der Zeit
Abschied vom Bergbau
Eine Idee, die verrückt klang: Wie aus Zeche Hermann Interhydraulik wurde
Das Gebäude der ehemaligen Zeche Hermann in Selm war in den 90er-Jahren zu einer regelrechten Ruine verkommen, der Abriss drohte. Bis Wolfgang Hirsch mit einer zündenden Idee kam.
Sie haben ihn regelrecht für verrückt erklärt, als er von seinem Vorhaben erzählte. Die alte Zeche in Selm – verkommen und zugebaut, wie sie damals war – zu einem modernen Firmensitz umbauen? Die Mitarbeiter der Firma Interhydraulik waren sehr skeptisch, als ihr Chef Ende der 90er-Jahre mit diesem Vorschlag auf sie zukam. „Da kam wirklich der Kommentar: Jetzt ist der Alte verrückt geworden“, erzählt Wolfgang Hirsch heute – während er lächelnd in einem hellen, modernen Besprechungsraum sitzt, der zu eben jenem Gebäude gehört, das so viele in den Jahren des Leerstandes als Industrieruine verschrien.
Kein Wunder: Bäume wuchsen im Gebäude, es war ein regelrechtes Feuchtbiotop, die Fenster nach langem Leerstand eingeschlagen, die Wände feucht, Moos überall. Zechenbetrieb gab es hier schon lange nicht mehr – 1926 war zuletzt Kohle gefördert worden. Danach war das Gebäude erst als Schule genutzt worden, danach lange als Sitz der Firma Chemaperm, die sich auf Magnettechnik spezialisiert hatte. Genauso hat auch Wolfgang Hirsch das Zechengebäude kennengelernt. Mit seiner Familie wohnte er auf dem Grünen Weg, suchte einen Job für die Ferien – und fand ihn bei Chemaperm.
Die Zukunft des Zechengeländes
Irgendwann gegen Ende der 1950er-Jahre muss das gewesen sein, erzählt der 74-Jährige heute. Lange also, bevor er 1984 das Unternehmen Interhydraulik gründet, das seinen Sitz zunächst in Lüdinghausen hat. Und noch länger, bevor er 1998 auf einen Zeitungsartikel der Ruhr Nachrichten stieß.
Die Überschrift weiß er noch ganz genau: „,Wer hebt die Millionen?‘ stand da“, sagt Wolfgang Hirsch. Der Artikel, so erzählt er weiter, befasste sich mit der Zukunft des ehemaligen Zechengebäudes, das seit dem Konkurs von Chemaperm leer stand, zusehends verkam. In Wolfgang Hirschs Kopf hingegen wuchs eine Idee. Und zwar die, aus der Ruine den Sitz seines stetig wachsenden Unternehmens zu machen – unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes. Von der Stadt Selm beschaffte er sich damals einen Bauplan. „Und da habe ich dann drumherum gemalt, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagt Wolfgang Hirsch. Obwohl er ein bescheidener Mann ist, lässt er sich hier das Wort „Vision“ gefallen.
Alles unter Denkmalschutz
Zusammen mit seiner inzwischen verstorbenen Frau Barbara entwickelt Wolfgang Hirsch ein Konzept, das er der Stadt Selm und der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) vorlegen kann, bewirbt sich als Investor und Nutzer des historischen Gebäudes. Die Bewerbung wird angenommen. Es folgt der auswendige Rückbau des unter Denkmalschutz stehendes Gebäudes. Und die Wiederentdeckung vieler Schätze.© Marie Rademacher
Die Lohnhalle der Zeche: Wo heute der Empfangsbereich des Unternehmens Interhydraulik ist, bekamen die Bergleute einst ihr Geld. Der Fußboden, die Kacheln und auch ein Teil der Deckenbemalung sind noch original erhalten. © Archiv Kleinwächter/Interhydraulik/Rademacher
Eine besondere Verantwortung
Das Wort „Herzensangelegenheit“ gefällt ihm aber auch nicht zur Begründung dessen, was den Ausschlag für die Zeche Hermann als Standort gegeben hat. „Nein, das wäre übertrieben“, sagt er.
Dass es eine besondere Verantwortung ist, Besitzer und als Unternehmen Interhydraulik auch Mieter eines solch historisch bedeutsamen Gebäudes zu sein, räumt er aber schon ein. „Natürlich, sonst würden wir es ja auch nicht so pflegen. Das Gebäude hat eine Geschichte, da kann man nicht vor fliehen.“B
Bereut hat es die Familie aber dennoch nie, das Gebäude zu kaufen, den Sitz der Firma von Lüdinghausen nach Selm zu verlagern. Am neuen Standort in Selm ist Interhydraulik seit 2001 weiter gewachsen. Auf einer Fläche von rund 35.000 Quadratmetern arbeiten heute in den Büros, Lagern und Produktionshallen 185 Menschen. Im Vergleich zu 2001 hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Da waren es noch 70 Mitarbeiter, die den Chef zeitweise „verrückt“ nannten. Die Geschichte hat gezeigt: zu unrecht.
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