„Ein Dorf ist in Sorge“ - Servus TV berichtet über Zeltstadt Bork Beitrag sorgt für Gegenwind

„Ein Dorf ist in Sorge“ - Servus TV berichtet über Zeltstadt in Bork
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„Ein Dorf ist in Sorge“: Mit diesem Satz beginnt ein Beitrag über den Selmer Ortsteil Bork, der Anfang Juni bei Servus TV ausgestrahlt wurde. Es geht um die Zeltstadt. „Das Leben im nordrhein-westfälischen Bork ist ein anderes, seitdem die rund 700 asylsuchenden Männer quasi nebenan untergebracht wurden“, sagt eine Sprecherin, während ein Luftbild der weißen Leichtbauhallen gezeigt wird, die nun schon seit über einem Jahr auf einem Parkplatz der Polizeischule stehen. Rund fünf Minuten lang ist der Beitrag, der in der Sendung „Guten Abend Deutschland“ ausgestrahlt wurde. Der Titel: „Zerreißprobe Zeltstadt: Zuwanderung bringt Gemeinde ans Limit“.

Neuigkeiten gibt es darin wenig: Die Zeltstadt war ursprünglich für Flüchtlinge aus der Ukraine gedacht, wurde dann aber mehrfach umgewidmet. Derzeit sind dort ausschließlich allein reisende Männer aus unterschiedlichen Ländern untergebracht, viele von ihnen aus Syrien und Afghanistan. Alexander Heiliger, der zusammen mit drei anderen Borker Bürgerinnen und Bürgern am 6. Mai eine Petition zur Notunterkunft gestartet hat, tritt auf, berichtet von seinen Sorgen. Er war es auch, der den Beitrag in der Facebook-Gruppe „Bork, die Perle Westfalens“ gepostet hat - und Gegenwind bekam.

„Wie lange wohnen Sie eigentlich in Bork? Dass Sie so vom Dorfleben sprechen?“, fragt ein User in der Gruppe. „Herr Heiliger, ich habe ja keine Ahnung, wen Sie die ganze Zeit in ihrer Rede dort mit ,wir’ betiteln“, kommentiert der Borker Jens Röppenack. Er als Borker habe jedenfalls keine Angst vor den Menschen, die in der Zeltstadt leben, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Im Gegenteil: Er habe den Eindruck, dass der Kontakt mit den Bewohnern der Zeltstadt, wenn er denn mal beim Spazierengehen mit dem Hund zustande kommt, sehr nett ist. Auch der Selmer Arbeitskreis Asyl hatte dieser Redaktion gegenüber schon im Mai gesagt, dass ein falsches Bild der Zeltstadtbewohner entstanden sei. Das ganze Dorf in Sorge? „Nein, auf keinen Fall“, sagt Jens Röppenack.

Vorwürfe

Von Angst sprechen hingegen zwei Frauen in dem Beitrag von Servus TV, deren Namen nicht genannt werden. Wenn sie abends vom Sport nach Hause gehe, habe sie jetzt schon ein komisches Gefühl, sagt eine von ihnen in die Kamera. Um diese Angst geht es auch Alexander Heiliger, wie er der Redaktion in der Vergangenheit schon mehrfach gesagt hat. Es gibt auch eine Liste mit Vorkommnissen, die Menschen unter Nennung ihres vollen Namens bezeugen. Diese Vorwürfe sind für die Redaktion nicht zu überprüfen.

Von offenen Feuerstellen im Wald ist da die Rede, die dem Bewohnerkreis der Zeltstadt zugeschrieben werden könnten. Es habe Übergriffe auf junge Mädchen gegeben, Fahrraddiebstähle. Dass der Schulweg stark von Gruppen männlicher Geflüchteter frequentiert werde, habe dazu geführt, dass Kinder vermehrt mit dem Auto zur Schule gebracht würden. Hunde hätten auf dem Wegesrand der Felder menschlichen Kot gefressen. Das sind nur ein paar Beispiele von den Vorkommnissen, die sich auf dieser Liste finden.

Die Polizei hat dazu bis jetzt keine Anzeigen vorliegen - das hat die zuständige Behörde auf Anfrage der Redaktion schon mehrfach erklärt. Die Anzeige einer Frau, die sich von mutmaßlichen Bewohnern der Zeltstadt bedroht gefühlt hatte, liegt der Polizei hingegen vor.

Vorwurf des Rechtspopulismus

Der Stadtrat, so sagt es Alexander Heiliger in den Beitrag von Servus TV, habe sich „zusammengeschweißt“. „Ich bin jetzt der rechte Hetzer von Selm“, beklagt er sich im Gespräch mit Nachbarn.

Der Sender Servus TV gilt dabei nicht gerade als unproblematisch. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz hat Servus TV gegründet und zum größten Privatsender in Österreich ausgebaut. Auch im deutschen Free-TV ist der Sender zu empfangen - allerdings nur noch bis Ende dieses Jahres, dann zieht sich Servus TV aus dem deutschen linearen Fernsehen zurück.

Ferdinand Wegscheider ist Intendant von Servus TV - also auch verantwortlich für das Programm. Vor allem durch sein Kommentar-Format „Der Wegscheider“ wird er auch „Wut-Chefredakteur“ genannt. Seine Meinungen werden oft als rechtspopulistisch gewertet und in der rechten Szene verbreitet. So wie übrigens auch der Beitrag über die Zeltstadt in Bork: Auf der offen rechten Seite ansage.org ist das Thema aufgegriffen worden. Da dann noch nicht mal mehr mit dem Anschein der Sachlichkeit.

Rund 700 Bewohner hat die Notunterkunft für Flüchtlinge in Bork derzeit.
Rund 700 Bewohner hat die Notunterkunft für Flüchtlinge in Bork derzeit. © www.blossey.eu

Bürgermeister zu dem Beitrag

Dort heißt es, dass der Bürgermeister den Frust der Bürger nicht verstehen könne. Die rechte Seite greift Zitate von Thomas Orlowski auf, die er gegenüber Servus TV gesagt hat. Natürlich habe er, so sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion, einige Tage nach der Ausstrahlung, abgewogen, ob er dem Sender ein Interview geben solle. Aber es sei ihm wichtig gewesen, als Bürgermeister Rede und Antwort zu stehen.

Eineinhalb Stunden haben die Dreharbeiten im Amtshaus gedauert, sagt er. Bestimmt 15 Minuten habe er geredet - allerdings haben es nur ein paar Sätze von ihm in den Beitrag geschafft. Ein Grund, warum er ihn am Ende „sehr einseitig“ findet. Dass das ganze Dorf in Sorge sei, sieht er nicht. „Ich glaube, dass die Aussage absolut nicht zutrifft“, sagt er. Sicher gebe es einige Menschen, die ihm von einem Unsicherheitsgefühl berichtet hätten. Die Stadt habe darauf ja auch mit dem Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstes reagiert. „Es gibt aber genauso viele positive Erfahrungen und Verständnis für die Menschen in der Notunterkunft“, so Thomas Orlowski.

Dass in Bork zu viele Geflüchtete für einen so kleinen Ort leben, kritisieren Alexander Heiliger und die befragten Frauen in den Beitrag von Servus TV. Dass die Kommunen an der Grenze sind, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht und dass das Land rund 300.000 Unterbringungsplätze zu wenig hat - das sei nichts Neues, sagt der Bürgermeister. An der Entscheidung des Landes, die Notunterkunft in Bork zu errichten, zweifelt er nicht. Schließlich müssten die Geflüchteten ja irgendwo hin. „Man muss bei dem Ganzen die Menschen in den Fokus stellen“, erklärt er. „Das habe ich übrigens auch im Gespräch mit Servus TV gesagt“, so der Bürgermeister. In den Beitrag hat es das Zitat allerdings nicht geschafft.

Die Anfrage für den Beitrag sei von der Fernsehproduktionsfirma „Farbfilmfreunde“ gekommen, sagt Alexander Heiliger. Diese produziere auch für den WDR, das ZDF, das Sat1 - oder eben für Servus TV. „Scheinbar ähnlich wie der Bürgermeister trauten wir der Produktionsfirma eine objektive Berichterstattung zu, welche es in meinen Augen auch gab. Ich hatte mich auf diese Gelegenheit eingelassen, vor allem, weil wir uns ja auch an Sie als Medienhaus zuvor mehrfach wandten“, erklärt er weiter auf die Anfrage der Redaktion.

Mit der Berichterstattung dieser Redaktion ist er nicht zufrieden. Der Wahrheitsgehalt von Aussagen von Bürgerinnen und Bürgern lasse sich nicht allein anhand von vorliegenden Anzeigen bemessen. Er und die anderen Unterstützer der Petition möchten, so sagt er, den Borkerinnen und Borkern und ihren Sorgen „empathisch und ernstnehmend“ begegnen. „Mit der Kommentar-Funktion unter der Petition haben wir ein offenes Ohr für die Betroffenen - im Gegensatz zur Politik“, sagt Alexander Heiliger im Gespräch mit der Redaktion.

Bürgerversammlung

Am Dienstag, 27. Juni, findet eine Informations-Veranstaltung zur Zeltstadt in Bork statt. Sie beginnt um 18 Uhr im Feuerwehrhaus in Bork. Vor Ort sein werden da Bürgermeister Thomas Orlowski, Landrat Mario Löhr sowie Vertreter von Bezirksregierung und Polizei. Am 19. Juni findet ab 17 Uhr im Haus Dörlemann zudem ein „Bürgergespräch“ statt, zu dem Bettina Schwab-Losbrodt (SPD) und Herbert Krusel (CDU) als Kreistagsmitglieder laden. Dabei wird es sicher auch um die Zeltstadt gehen, sagt Bettina Schwab-Losbrodt im Gespräch mit der Redaktion. Aber nicht nur.

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