Es ist eines der bestimmenden Themen des Wahlkampfes für die Bundestagswahl 2025: die innere Sicherheit. Noch unter dem Eindruck des tödlichen Anschlags in Aschaffenburg, bei dem auch ein zweijähriges Kind ums Leben gekommen ist, haben die Direktkandidaten für den Wahlkreis Hamm-Unna II bei der Wahlarena dieser Redaktion in der Burg Botzlar in Selm darüber diskutiert. Neben Selm gehören auch Lünen, Werne und Hamm zum Wahlkreis.
Die Teilnehmer gingen dabei auch einer Diskrepanz zwischen den Kriminalstatistiken, die in einigen Bereichen eine Verbesserung zeigen, und dem tatsächlichen Sicherheitsgefühl nach.
Ein Aspekt, der das Sicherheitsgefühl verbessern könnte: Polizeipräsenz vor Ort. In Selm gibt es beispielsweise keine Polizeiwache. Im Lüner Stadtteil Brambauer erhoffen sich die Bürger ebenfalls die Rückkehr einer Wache in den Ort. Michael Thews (SPD) betonte in der Diskussion hingegen die Bedeutung einer mobilen und präsenten Polizei. „Die Sicherheit wird erhöht, wenn die Polizei schnell erreichbar ist und vor Ort agieren kann“, so Thews. Er verwies auf seine Erfahrungen mit Einsätzen und stellte klar, dass Polizeiwachen zwar symbolisch wichtig, aber nicht der Schlüssel zur Sicherheit seien.
Ein zentraler Punkt seiner Forderungen ist die bessere Digitalisierung der Polizeiarbeit. Er kritisierte, dass der Austausch wichtiger Daten – etwa über Straftäter oder Migranten – oft nicht reibungslos funktioniere. „Das steht auch in unserem Wahlprogramm, und wir machen konkrete Vorschläge, wie man das verbessern kann.“ Zusätzlich wies Thews darauf hin, dass auch andere Bereiche, wie der Katastrophenschutz, essenziell zur Sicherheit beitragen.
Ereignisse wie der Anschlag in Aschaffenburg wirkten sich „elementar auf das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger aus“, meinte CDU-Kandidat Arnd Hilwig. Dieses Ereignis lasse einen „fassungslos und sehr, sehr traurig“ zurück.
Hilwig plädierte für eine Nulltoleranz-Politik - „das ist umsetzbar“ - und zog Beispiele aus der Sicherheitskooperation (Siko) in Hamm heran, die auf enge Zusammenarbeit Polizei und Ordnungsdienst setzt. „Seit Bestehen wurden 55 vorläufige Festnahmen durchgeführt, 2.500 Strafverfahren eingeleitet und 550 Platzverweise ausgesprochen“, sagte Hilwig. Analog zur Siko in Hamm sind auch in Lünen im Rahmen der Ordnungspartnerschaft Polizeibeamte und Ordnungskräfte bei gemeinsamen Streifen unterwegs. CDU-Bürgermeisterkandidat Christian Klicki, sagte Hilwig, habe seiner Ansicht nach den guten Vorschlag gemacht, einen Sicherheitspunkt in Brambauer zu etablieren, um vor Ort ansprechbar zu sein.
Zudem sieht Hilwig Videoüberwachung an neuralgischen Punkten wie Bahnhöfen als wichtiges Instrument. „Sichtbare Präsenz und kurze Wege stärken das Sicherheitsgefühl.“
Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm „Keine Sicherheit um jeden Preis“ und betont, dass Bürgerrechte beachtet werden müssen. Direktkandidat Lucas Slunjski hielt Videoüberwachung an sicherheitsrelevanten Orten, wie dem Hauptbahnhof Hamm, dennoch für sinnvoll. „Das übergeordnete Interesse der Sicherheit wiegt an solchen Orten schwerer“, erklärte er. Zugleich warnte er vor übermäßiger Überwachung, die Bürgerrechte gefährden könnte. Für Slunjski liegt der Fokus auf ausgewählten Maßnahmen, etwa der Einrichtung mobiler Sicherheitsstationen an Hotspots wie Bahnhöfen oder innerstädtischen Partymeilen.
Unterschiedliche Entwicklungen
Die aktuellste Kriminalstatistik liefert Zahlen aus dem Jahr 2023. Im Kreis Unna verzeichnete Selm den größten Anstieg in der Gesamtkriminalität - knapp zwölf Prozent mehr Fälle als im Vorjahr. In anderen Gemeinden gingen die Zahlen sogar zurück. Den größten Teil machen beim Beispiel Selm die Diebstähle aus, es wurden aber auch mehr Fälle von Gewaltkriminalität verzeichnet (45 Taten in 2022, 56 Delikte in 2023). Die Gesamtzahl der Delikte ging in Werne leicht zurück, in Lünen gingen die Zahlen im Bereich Gewaltkriminalität 2023 um 13 Prozent zurück.
Experten wie der Kriminologe Tobias Singelnstein kritisieren indes die offizielle Kriminalstatistik und halten sie für überinterpretiert. Es sei ein Tätigkeitsbericht der Polizei, der lediglich alle Verdachtssituationen erfasse, die der Polizei bekannt werden, sobald jemand Anzeige erstattet.
