Jan-Niklas Möller hat die Mail am Sonntag um 18.30 Uhr verschickt: vier Tage vor der nächsten Sitzung des Stadtrates (20. 3., 18 Uhr) in Selm, bei der es den Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 zu verabschieden gilt. Und zwei Tage nach der Einigung von Union und SPD mit den Grünen in Berlin über das milliardenschwere Paket für Verteidigung und Infrastruktur. In der Hauptstadt ging es um Forderungen der Grünen. In der Stadt auf der Nahtstelle zwischen Münsterland und Metropole Ruhr um Forderungen der CDU. Der Titel der Pressemitteilung, die der Fraktionsgeschäftsführer der Selmer CDU verschickt hat, lässt das noch nicht vermuten: „CDU setzt klare Prioritäten für den Haushalt - starke Unterstützung für Sport, Hallenbad und Haus Kreutzkamp.“
Dass es um mehr als nur Vorschläge oder Empfehlungen geht, macht Jan-Niklas Möller bereits im zweiten Satz klar. Die Fraktion „knüpft ihre Zustimmung zum Haushalt 2025/2026 an klare Bedingungen“, ist da zu lesen. Hatten die Grünen in Berlin mit diesem Kniff 100 Milliarden für den Klimaschutz herausgeschlagen, geht es der CDU in Selm um Geld für die drei Themen, die große Teile der Selmer Bevölkerung betreffen, wie Fraktionsvorsitzende Claudia Mors-Böckenbrink in der Sitzung erläutern will: Hallenbad, Sportförderung und das Haus Kreutzkamp.
Die Summen, um die es dabei geht, sind vergleichsweise überschaubar: eher symbolische „Merkpositionen“, die verhindern sollen, dass die Themen angesichts des Sparzwangs in den Hintergrund treten. Die CDU stellt nicht nur Forderungen, sondern macht auch Einsparvorschläge - einer davon betrifft eine Gewerbeerweiterungsfläche, von deren Existenz bislang noch gar öffentlich die Rede war.

900.000 Euro für den Erwerb neuer Gewerbeflächen
In der Investitionsübersicht des Haushaltsplanentwurfs findet sich unter der Überschrift „Immobilien- und Gebäudemanagement“ ein Ansatz in Höhe von 900.000 Euro für den Grunderwerb von Gewerbeerweiterungsflächen. In den beiden Vorjahren belief sich der Ansatz auf rund 50.000 Euro. Sämtliche städtische Gewerbeflächen sind vermarktet: ein Indiz dafür, dass Selm als Gewerbestandort attraktiv sei, wie die Stadtverwaltung im Herbst 2024 sagte. Offenbar hat sich seitdem eine Gelegenheit ergeben, neue Gewerbeflächen zu erwerben. Denn der Haushaltsentwurf sieht die Investition bereits für dieses Jahr vor.
Das hört sich konkret an. Von konkreten Flächen weiß die CDU aber nichts. Die Fraktion versperre sich keineswegs der Ausweisung weiterer Gewerbeerweiterungsflächen und wolle Mittel zur Verfügung stellen, heißt es in dem Änderungsantrag, aber erst dann, wenn „konkrete Flächen ermittelt wurden“. Bis dahin solle die üppige Haushaltsstelle zur bloßen Merkposition werden: 10.000 Euro statt 900.000 Euro. Das dürfte für lebhafte Diskussionen während der Ratssitzung sorgen - ebenso wie die anderen Themen, die die CDU als „Bedingungen“ für die Zustimmung formuliert hat.
Hallenbad in Selm neu oder umbauen
„Die mögliche Schließung sorgt für große Verunsicherung“, so Jan-Niklas Möller. Die CDU stehe „klar zum Hallenbad“. Sie setze sich für eine „langfristige Lösung ein“. Danach sah es zuletzt nicht aus. Simon Ferkmann, der private Betreiber des mehr als 40 Jahre alten, ursprünglich städtischen Hallenbades am Sandforter Weg hatte im November 2024 angekündigt, dass spätestens Ende 2025 Schluss sei, wenn sich die Stadt nicht stärker finanziell engagiere. Das hatte Selm vor wenigen Jahren auch noch vorgehabt und für eine Badsanierung Fördermittel beantragt. Und auch erhalten. Das Problem: Die 3,3 Millionen Euro schienen nicht auszureichen. Daraufhin hatte die Stadt erklärt, den Bundeszuschuss lieber in die Sanierung des Freibades an der Badestraße stecken zu wollen. Gespräche zwischen Ferkmann und der Stadtspitze hatten sich als kompliziert erwiesen. Bislang gibt es keinen neuen Sachstand. Mögliche konkrete Maßnahmen seien zwar noch nicht absehbar, heißt es in dem CDU-Antrag. Dennoch gelte es, vorzusorgen.
„Sollte der derzeitige Betreiber das Hallenbad also tatsächlich schließen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Stadt Selm hier selbst aktiv werden muss“, heißt es in dem Antrag. Für „etwaige bauliche Maßnahmen“ solle für 2026 eine neue Investitionsmaßnahme „Sanierung/Neu-/Umbau Hallenbad“ als Merkposition aufgenommen werden. Wie eine hoch verschuldete Stadt im Haushaltssicherungskonzept (läuft noch bis 2034) eine Millionen-Investition wie eine Hallenbad-Sanierung oder gar einen Neubau finanzieren soll, bleibt noch offen. Genau das will die CDU diskutieren. Dafür sucht sich Blaupausen: etwa in Olfen, wo sich die Kosten für die Sanierung des dortigen Hallenbades, das noch älter ist als das Selmer, auf 4,7 Millionen Euro beliefen.
Musikanlage streichen, Beschattung überdenken
„Für etwaige bauliche Maßnahmen“ zur Erstellung eines Dorfzentrums im Haus Kreutzkamp, einem Wahrzeichen von Cappenberg, wollen die Christdemokraten ebenfalls 10.000 Euro als „Merkposten“. Sportvereine sollen ebenfalls profitieren Die CDU fordert eine einmalige Erhöhung der Sportförderung um 10.000 Euro sowie eine jährliche Anpassung um 2 Prozent, um steigenden Betriebskosten aufzufangen. Gänzlich streichen will sie dagegen den Kauf einer städtischen Musikanlage (8000 Euro). Und die Außenbeschattungsanlage für das Jugendzentrum Sunshine zur Sparkassen-Arena hin erscheint ihr mit 50.000 Euro „recht hoch“.
Ob Jan-Niklas Möller seine Mail auch den anderen Fraktionen und fraktionslosen Ratsmitgliedern zugeschickt hat, ist ungewiss. Sicher ist dagegen, dass es im Rat vor der letzten Haushaltsverabschiedung vor den Kommunalwahlen wohl noch einmal heiß hergehen wird in der Burg Botzlar - wenn auch nicht bis in den Morgen wie im Reichstag.