
Schlechte Stimmung allerorts. Michael Thews (SPD) und seine Mitstreiter strahlten zwar am Wahlsonntag (23. 2.), weil er trotz anderer Prognosen seinen Sitz im Bundestag gegen Arnd Hilwig verteidigen konnten. Doch schon am nächsten Tag dominieren Sorgenfalten. Kein Wunder angesichts des historisch schlechten Abschneidens der SPD. Dass die Klatsche im Wahlkreis Hamm/Unna II und auch in Selm etwas weniger heftig ausfiel als im Bund, war da kaum ein Trost. Auch bei der Wahlsiegerin CDU - sowohl in Selm als auch im Wahlkreis, in NRW und im Bund - mochte keine ausgelassene Stimmung aufkommen. Denn strahlend war dieser Sieg nicht. Und zu verstörend knallten die Sektkorken der jubelnden AfD, die ihre Stimmen in Selm sogar mehr als verdoppelt hat. Selm ist damit in der Region zu einer Hochburg der Partei geworden, die das Grundgesetz aus den Angeln heben möchte. Wenn das kein Grund für schlechte Stimmung ist. Aber bitte nicht nur. Denn es gibt in Selm eine Siegerin bei dieser Wahl, über die sich alle freuen sollten: die Wahlbeteiligung.
81,51 Prozent aller Wahlberechtigten in Selm haben abgestimmt - so viele wie schon lange nicht mehr. In diesem zuende gegangenen Wahlkampf war es so emotional, polarisierend und mitunter polemisch zugegangen, dass die Menschen derart politisiert waren wie selten und das machten, was das Lebenselixier der Demokratie ist: wählen gehen. Mit dem Ergebnis müssen jetzt alle umgehen lernen: ganz praktisch. Das Rufen nach der Brandmauer im fernen Berlin alleine genügt da nicht. Es braucht einen besseren Umgang miteinander. Bessere Diskussionen. Bessere Politik. Und auch: bessere Stimmung.
Denn wir dürfen zuversichtlich bleiben: Vier von fünf Wahlberechtigten wollen keine Rechtsextremen im Parlament. Aus Angst vor einer möglichen Regierungsbeteiligung, die die CDU allerdings einmal mehr am Wahlabend klipp und klar ausgeschlossen hat, sind immer wieder Menschen auf die Straße gegangen, auch in Selm. Wohl nicht zum letzten Mal.
Früher oder später wird sich wohl auch in Selm ein AfD-Ortsverband bilden. Das darf die Stadtgesellschaft nicht als Gefahr sehen, sondern als Chance. Sie hat dann die Gelegenheit, sich mit politischen Gegnerinnen und Gegnern auseinandersetzen zu können, die Gesichter und Namen haben und nicht nur über Nacht Plakate im Stadtgebiet kleben. Und sie kann dabei die knapp 3800 Selmerinnen und Selmer, die jetzt für die AfD gestimmt haben, davon überzeugen, dass die Bereitschaft, vor Ort mit anzupacken, und nach umsetzbaren Lösungen zu suchen mehr wert ist als Sprüche zu klopfen und Hass zu säen.