Beruhigendes Bogenschießen in Selm „Das Ziel zu treffen, ist nicht das Wichtigste“

Beruhigendes Bogenschießen: „Das Ziel zu treffen, ist nicht das Wichtigste“
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Ruhe finden, tief durchatmen, das Ziel fest im Blick haben und den Pfeil loslassen: So läuft Bogenschießen in der Regel ab. Wesentlich ist dabei für viele, die es als Hobby haben, das Ziel auch zu treffen. Für Holger Weineck und Kerstin Schneider ist das hingegen gar nicht so wichtig. „Wir wollen das Bogenschießen auf eine andere Art und Weise vermitteln. Wir wollen Entspannung vermitteln”, sagt Weineck.

„Wir wollen natürlich zielorientiert bleiben. Auf jeden Fall. Aber eben nicht leistungsorientiert”, ergänzt Schneider. Das bedeutet, dass das Ziel zwar noch immer im Blick behalten werden soll, aber der sportliche Aspekt, das sogenannte Kill zu treffen, zweitrangig ist. Für eine Aktion mit der Hospizgruppe waren die beiden im Januar in Bork.

Holger Weineck und Kerstin Schneider erklären, wie die Haltung beim Bogenschießen ist.
Holger Weineck und Kerstin Schneider erklären, wie die Haltung beim Bogenschießen ist. © Holger Weineck

Ausbildung mit therapeutischem Hintergrund

Angefangen hat Holger Weineck im sportlichen Bereich des Bogenschießens in Nordkirchen. Dort hat er viele Jahre lang Menschen und Neuschützen begleitet. „Ich habe irgendwann dann 2016, 2017 die therapeutische Ausbildung gemacht, Kerstin dann später auch”, erklärt er.

Diese Erfahrungen im therapeutischen Bereich und dem Sport haben die beiden dann in ihre Art des Bogenschießens zusammenfließen lassen. „Wir machen eine Kombination aus therapeutischen, meditativen, intuitiven und pädagogischen Bogenschießen, individuell an den Menschen angepasst”, erklärt Schneider.

So ginge es bei den einen, die eher verschlossen sind, darum, mit ihnen in Kontakt zu kommen durch das Bogenschießen. „Bei anderen geht es darum, Regeln einzuhalten. Bei Frauengruppen geht es oft darum, das Selbstbewusstsein zu stärken, in die eigene Kraft zu kommen, sich großzumachen, sich was zuzutrauen”, so Kerstin Schneider.

Junge mit schweren Einschränkungen

Ein konkretes Beispiel gibt Schneider im Gespräch mit der Redaktion: „Jemanden, der bei uns zum Bogenschießen kommt, hat eine Störung aus dem Autismus-Spektrum und zusätzlich eine geistige Behinderung. Da konnten wir durch das Bogenschießen mit ihm in Kontakt kommen. Er hat gelernt, sich auf eine Sache zu konzentrieren, Berührungen zur Korrektur der Haltung zuzulassen und andere Dinge zu ignorieren.”

Trauerbegleitung im Hospiz

Neben der Arbeit, die innere Ruhe zu finden, zu entspannen, oder bei anderen Krankheitsbildern zu helfen, unterstützen die beiden Bogenlehrer die Hospizgruppe in Selm bei der Trauerbegleitung. „Da geht es viel um die Trauerbewältigung und das Loslassen. Wir haben dazu ganz bestimmte Pfeile, sogenannte Fluflus. Davon haben wir unterschiedliche Farben, die jede eine andere Bedeutung habt. Schwarz steht für die Trauer”, erklärt Kerstin Schneider. Die Fluflu-Pfeile sind die einzigen Pfeile, die man ohne Probleme in die Luft schießen darf. „Bei uns heißen diese Pfeile Botschafter. In diesen Pfeil kann man dann seinen Wunsch oder seine Botschaft hineinstecken und ihn dann gen Himmel schießen”, so Schneider weiter.

Nicht nur in Selm bieten die beiden das Bogenschießen an. So kann man eine Bogenstunde bei sich zu Hause nehmen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. „Manchmal mache ich auch Bogenstunden bei mir zu Hause in Kamen”, sagt Schneider.

Holger Weineck und Kerstin Schneider schießen Pfeile in den Himmel
Mit speziellen Pfeilen ist es auch erlaubt, einfach in den Himmel zu schießen. Das nutzen Kerstin Schneider und Holger Weineck für spezielle Anlässe. © Holger Weineck

Andere Art des Schießens an Silvester

Etwas Besonderes hatten sich die beiden für den vergangenen Jahreswechsel ausgedacht: das Wunschpfeilschießen. Dabei konnten Menschen mit den speziellen Pfeilen Wünsche in den Himmel schießen und anschließend an die Hospizgruppe spenden. „Wir sind beide Tierbesitzer und wir haben kein großes Interesse an Silvesterfeuerwerk. Wir wissen, was das mit unseren Vierbeinern macht. Da dachten wir uns, das ist vielleicht eine schöne Idee, das Jahr mit so einem Wunschpfeil zu starten”, erklärt Weineck, wie sie auf die Idee gekommen sind, an Silvester lieber zu schießen statt zu böllern.