Das berühmteste Asstattungsstück der Stiftskirche: der Barbarossa-Kopf. © Foto: Sylvia vom Hofe

Vortrag in Cappenberg

Barbarossa sucht Frau: Wie Ehen im Mittelalter funktionierten

Romantische Verklärung hat in der Wissenschaft nichts verloren. Das gilt sowohl für die Rolle der Liebe in der Ehe als auch für die Verehrung des goldenen Barbarossa-Kopfes.

Cappenberg

, 24.09.2020 / Lesedauer: 3 min

In der Regel kann man einem Menschen nur vor den Kopf schauen. Hedwig Röckelein gibt sich damit nicht zufrieden. Die renommierte Historikerin guckt hinein. Sie hat den Inhalt des berühmten Cappenberger Barbarossakopfes untersucht. Bei ihrem Vortrag am Donnerstag, 24. September, ab 19 Uhr im Schlosstheater geht es aber um etwas anderes: die Gründe für die Ehe im Mittelalter. So vielfältig die auch waren. Um Liebe ging es so gut wie nie.

Neue Erkenntnisse über den Barbarossakopf

Als Abbildung im Schulbuch hat den Barbarossakopf fast jedes Kind schon gesehen. Hinter Panzerglas in wechselnden Ausstellungen- zurzeit in Mainz - ist er auch immer wieder zu bestaunen. Menschen in Cappenberg hatten vor Beginn der noch bis Ende 2021 dauernden Kirchensanierung das Glück, das wertvollste Stück aus dem Kirchenschatz in der Stiftskirche am Schloss regelmäßig aus der Nähe anschauen zu können. Ihn anzufassen und zu öffnen, ist aber nur wenigen vorbehalten. Röckelein ist eine davon. Was sie dabei herausfand, hatte sie 2019 bei der großen wissenschaftlichen Tagung zur Cappenberger Geschichte vorgestellt - und eine alte These erschüttert.

Der zwischenzeitlich in Vergessenheit geratene goldene Kopf aus dem Cappenberger Kirchenschatz sei das Abbild Kaiser Barbarossas, des Patenkindes von Otto von Cappenberg: Diese Zuschreibung war 1886 erfolgt - und blieb mehr als 125 Jahre unwidersprochen. Für Hedwig Röckelein steht inzwischen aber fest: Der Barbarossakopf ist keineswegs ein Kaiserporträt. Es handele sich um ein sogenanntes Kopfreliquiar: ein Aufbewahrungsgefäß für Knochen, Haare, Kleidungsstücke verehrter Heilige - in diesem Fall für Knochenteile, von denen die Gläubigen vor mehr als 900 Jahren glaubten, sie stammten unter anderem vom heiligen Johannes. Auf ihn weise die Inschrift hin, die, wie eine materialtechnische Untersuchung bewiesen habe, von vorne herein existiert habe und nicht erst nachträglich angefertigt wurde.

Der Kopf ist etwas Außergewöhnliches

Solche Reliquiare seien durchaus üblich gewesen, sagt Röckelein. Aber der Cappenberger Kopf sei etwas ganz Außergewöhnliches - wegen der unvergleichbar hohen Qualität der Arbeit. „Es ist sicher, dass der Kopf nicht im Auftrag Barbarossas in Aachen gefertigt wurde“, sagt sie. Das habe dort niemand vermocht. Wahrscheinlich stamme er aus einer Werkstatt in Hildesheim oder in der Rhein-/Maas-Region.

Jetzt lesen

Röckelein räumt auf mit gerne gepflegten Vorurteilen - nicht nur, was den goldenen Kopf angeht, sondern auch die Ehe als Liebesbündnis. Die Gefühle der Partner füreinander seien nebensächlich gewesen im Mittelalter. Bei den arrangierte Ehen, die die Eltern ausmachten, sei es nicht um Zweisamkeit gegangen, sondern um das Wohl der jeweiligen Familien, ihr Vermögen und ihre Macht. Politische Allianzen und Netzwerke ließen sich so knüpfen - zum Beispiel vor 900 Jahren zwischen dem einflussreichen Grafen Gottfried von Cappenberg und Jutta, der Alleinerbin der Grafschaft Arnsberg. Die Ehe der beiden, die nicht lange dauerte, wird Thema sein in dem Vortrag, den Röckelein am Donnerstag in Cappenberg hält, aber auch die Ehen der Staufer: „Beide Familien repräsentieren Extreme.“

Monogamie ist eine vergleichsweise junge Entwicklung

1000 Jahre umfasst das Mittelalter: ein langer Zeitraum, in dem sich die Bedeutung der Ehe durchaus gewandelt habe - unter dem Einfluss der Kirche, wie Röckelein sagt. Anfangs sei es noch nicht gesellschaftlicher Konsens gewesen, sich ein Leben lang nur an einen Partner zu binden. „Karl der Große war zum Beispiel nicht monogam, die Merowinger waren es auch nicht.“

Online anmelden zum Vortrag

Der Rotary-Club Kaiser Barbarossa lädt zu dem Vortrag am Donnerstag, 24. September, 19 Uhr im Schlosstheater ein. Zeitgleich wird er auch in die Buchhandlung Beckmann in Werne übertragen und ins Westfälische Literaturarchiv in Unna. Anmeldungen sind online möglich unter www.der-pate-des-kaisers.de

Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.

Jetzt kostenfrei registrieren

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.

E-Mail erneut senden

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Sie sind bereits RN+ Abonnent?
Jetzt einloggen