Der Jakobsbrunnen lädt seit 130 Jahren zum Verweilen ein: eine Adresse mit münsterländischer Tradition. Aber auch mit spanischem Feuer, das dem Schnitzel fast zum Verhängnis geworden wäre.

Selm

, 06.01.2019, 05:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Heute geht es in eine Traditionsgaststätte. Mal eben um die Ecke liegt sie nicht, sondern ist ein schönes Ziel für eine Fahrradtour: von Selm, Südkirchen und Nordkirchen jeweils fünf Kilometer entfernt. An diesem nasskalten Donnerstag Anfang Januar nehmen wir aber lieber das Auto zum Jakobsbrunnen.

Als wir eintreten, sehen wir grün: die Fahne des Schützenvereins Ondrup-Westerfelde 1888 hinter Glas. Der Verein ist drei Jahre jünger als das Gasthaus. 1885 war es, als ein Bauer und Bäcker aus Westerfelde, ein gewisser Jakob, die Schanklizenz beantragte. Wie er denn seine Wirtschaft nennen wolle, fragte der Amtmann. Achselzucken. Ob es denn etwas Besonderes gebe, von dem sich der Name ableiten lasse? Pause. Da fiel Jakob der Brunnen ein. Und der Name war da: eine Anekdote, die die Männer am Tresen vermutlich alle kennen: Kegelbrüder, die die neuen Gäste mit fröhlichem Stimmengewirr begrüßen. Tresenkultur scheint hier noch gepflegt zu werden. Wir sind aber nicht zum Trinken gekommen, sondern zum Essen und biegen links ab.

Viel los am ersten Donnerstag des Jahres

Für einen Abend kurz nach den Feiertagen ist viel los. Mein Begleiter und ich suchen uns einen Tisch im ersten von mehreren Räumen – deftige Eichenmöbel, passend zum Duft von deftigem Essen – und sehen den emsigen Bedienungen erst einmal beim Rennen zu: von der Küche in einen und dann in den nächsten Raum, in Richtung Kegelbahn und wieder zurück. Überall sind Gäste. Trotzdem haben wir bald die Speisekarte vor uns und vertiefen uns in die gastronomische Pflichtlektüre.

Davon am liebsten noch einen Nachschlag: die Hochzeitssuppe.

Davon am liebsten noch einen Nachschlag: die Hochzeitssuppe. © Sylvia vom Hofe

Bei den Vorspeisen sieht es eher mau aus, genau genommen gibt es keine auf der Karte, dafür zwei Suppen: Münsterländer Hochzeitssuppe und Käse-Chilisuppe. Für jeden von uns eine. Ohne Gruß aus der Küche müssen wir etwas warten, bis die Suppen kommen, aber dafür herrscht schnell Einigkeit: zwei Volltreffer. Ein gelungener Auftakt weckt die Neugier auf das Hauptgericht, aber steigert auch die Erwartungen.

Pikant und sättigend: die Käse-Chilisuppe.

Pikant und sättigend: die Käse-Chilisuppe. © Sylvia vom Hofe

Ob Strammer Max, Krüstchen und Schnitzelparade oder Steak und Ratsherrenteller: Das ganze gutbürgerliche Repertoire steht auf der Karte, allerdings weder Wild noch Fisch. Ich entscheide mich für den Exoten im Angebot: das Schnitzel à la Fuego mit Kartoffelspalten und Salat. Gebraten in einer Sesam-Kräuterhülle, gefüllt mit feuriger Käse-Peperonifüllung und garniert mit Tomatensoße.

„Medium bis blutig, aber nicht durch“

Mein weltbester Schnitzelbrater gegenüber entscheidet sich für den Ratsherrenteller: Nürnberger Rostbratwürstchen mit Speck, verschiedene Steaks mit Bratkartoffeln und Salat. Die ansonsten aufmerksame Bedienung vergisst es, zu fragen, wie der Gast denn sein Steak wolle. Den Wunsch „medium bis blutig, keinesfalls durch“ reicht der vorsichtshalber nach, als die Getränke kommen: ein Bier für ihn und einen Grauburgunder für mich. Wir haben Zeit, die Getränke zu genießen, denn das Essen lässt noch auf sich warten: Zeit genug für mein Gegenüber zu dozieren. „Fuego“, sagt er, sei das spanische Wort für Feuer. Der von mir gewählte Grauburgunder passe da eigentlich gar nicht zu, schmecke aber auch ihm.

Den Bratkartoffeltest gewonnen

Nach einer Weile stehen die Hauptgerichte vor uns. Mein feuriges Schnitzel mit der Sesampanade ist auf einer Seite ein wenig zu dunkel geraten. Der Geschmackstest aber beweist: Das Auge lügt offenbar. Das Schnitzel ist ausgezeichnet. Insbesondere die fruchtig-pikante Tomatensoße imponiert mir. Die dazu in einer Schüssel servierten Kartoffelecken scheinen eher für eine Familie als für eine Person gedacht zu sein.

Die Bratkartoffeln verstecken sich unter den Steaks der Ratsherrenplatte.

Die Bratkartoffeln verstecken sich unter den Steaks der Ratsherrenplatte. © Sylvia vom Hofe

Mein Mann wendet sich als erstes seinen Bratkartoffeln zu. Wie schon an anderer Stelle bei unseren Restaurantchecks erwähnt: Gute Bratkartoffeln sind keine Selbstverständlichkeit. Pfannenfrisch seien sie, steht auf der Speisekarte. Nich zu viel versprochen. Der Fleischtest folgt, und zu seiner großen Überraschung sind zwei Rinderhüftsteaks auf dem Teller. Zwar dünn, aber dafür zwei. „Gerade noch medium“, urteilt mein Fleisch-Freund. Allerdings medium bis durch und nicht medium bis blutig. Ein dickeres anstatt zwei dünne Steaks wären besser gewesen, doziert er wieder.

Etwas zu knuspring, aber dennoch köstlich: das Schnitzel à la Fuego.

Etwas zu knuspring, aber dennoch köstlich: das Schnitzel à la Fuego. © Sylvia vom Hofe

Nachtisch bestellen ohne Blick auf die Karte

Die Steaks sind in jedem Fall im Nu verputzt. Und auch das Schweinelendchen findet bei dem anspruchsvollen Hobbykoch Gefallen. Nachdem ein Teil meines Schnitzels Fuego, - nur zu Testzwecken, wie er behauptete -, ebenfalls auf dem Teller gegenüber gelandet ist, bekomme ich Appetit auf einen Nachtisch. Auf der Karte ist jedoch kein Dessert zu finden. Eine Herrencreme wäre toll, aber leider nicht da. „Eis oder eine Nugatcreme mit Vanillesoße“, fragt die Bedienung. Ich wähle Letzteres und mein Mann einen Cappuccino: ein gelungener Abschluss.

Fragen lohnt sich. Das Dessert steht nicht auf der Karte.

Fragen lohnt sich. Das Dessert steht nicht auf der Karte. © Sylvia vom Hofe

Service

Personal und Inhaber sind freundlich und offen für den Gast. Eines der wenigen Restaurants, die auch noch Thekenkultur pflegen.

Preis-Leistungs-Verhältnis

Ein Schnitzel in drei wählbaren Größen von klein bis XL für 9,40 Euro bis 14,90 Euro ist ausgesprochen günstig. Das einfache Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat gibt es sogar schon von 6,40 Euro bis 10,90 Euro. Der Ratsherrenteller bewegt sich dagegen im normalen Preisbereich. Die sättigende Käse-Chilisuppe ist für 4,40 Euro auf üblichem Preisniveau, die Hochzeitssuppe für 3,50 Euro eher günstig. Auch die Getränkepreise liegen mit 2,50 Euro für 0,3 l Bier und 4,20 Euro für 02 l Weißwein in der Norm.

Kinderfreundlichkeit

Kindermenüs stehen nicht in der großen Karte. Für Mädchen und Jungen gibt es vielmehr eigene Kinderkarten. Das Restaurant lädt zudem zu Kinderkegelpartys ein.

Barrierefreiheit

Der Eingang ist stufenlos.

Fazit

Da gibt es nichts zu meckern. Nicht nur die dunkle Seite des Mondes, auch die dunkle Seite des Schnitzels birgt manchmal Überraschungen. Steaks sollten immer eine gewisse Dicke haben, sofern man nicht ausdrücklich well-done bestellt. Wir waren zufrieden und kommen gerne wieder.

Was sagt das Internet

Wer den „Jakobsbrunnen“ googelt, findet 89 Rezensionen: 4,2 von 5 möglichen Sternen erreicht der Gasthof. Ein Gast vergibt nur zwei Sterne, aber schreibt „Essen gut“. Wie das zusammengeht, bleibt sein Geheimnis. Bei dem Portal Tripadvisor.de erreicht der Gasthof 3,5 von 5 Punkten. Allerdings gibt es nur 8 Bewertungen.

Der Brunnen neben der Südkirchener Straße hat kein Wasser. Wer kühle Getränke liebt, sucht sie besser drinnen.

Der Brunnen neben der Südkirchener Straße hat kein Wasser. Wer kühle Getränke liebt, sucht sie besser drinnen. © Sylvia vom Hofe

Infos zum Restaurant

Jakobsbrunnen: Restaurant mit Kegelbahn, Südkirchener Straße 119, Selm, Tel. (02592) 1240, info@jakobsbrunnen.de. Öffnungszeiten: mittwochs bis freitags ab 17.30 Uhr, samstags ab 17 Uhr, sonntags/feiertags durchgehend ab 10.30 Uhr.

Wie funktioniert der Restaurant-Check?

Wir gehen ohne Vorankündigung in die jeweiligen Restaurants – als ganz normale Gäste. Wir sind keine Gastro-Experten, sondern einfach Menschen, die gerne an schönen Orten essen. Wir beschreiben die Läden so, wie wir über sie auch mit Freuden und Bekannten sprechen würden. Mit ihren Schwächen, mit ihren Stärken. Ehrlich.