Abriss-Häuser an der Kreisstraße in Selm Angehender Architekt kritisiert Gestaltungs-Pläne

Alternative Pläne für die Selmer Kreisstraße: Angehender Architekt hat nachhaltige Ideen
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Die Pläne für den Umbau der Kreisstraße in Selm stehen schon lange fest. Acht Häuser aus der Gründerzeit sollen entlang der Hauptverkehrsader Selms abgerissen werden und durch Neubauten ersetzt werden. In den neuen Gebäuden sollen dann Filialen von dm und Netto entstehen. Zusätzlich sollen die neuen Gebäude mit den Hausnummern 68 bis 84 als Wohnungen genutzt werden. Im Zuge der Baumaßnahmen werden nach aktuellen Plänen 6000 Quadratmeter Fläche versiegelt. Mit Blick auf den Klimaschutz und einen Wandel, den es auch in der Baubranche braucht, gehe das besser, findet Tobias Teschner.

Er studiert an der Fachhochschule Dortmund Architektur und absolviert aktuell ein Praktikum beim Selmer Architekten Wilhelm Gryczan-Wiese. In einem Parktikums-Projekt hat er sich die aktuellen Pläne zum Umbau der Kreisstraße genau angeschaut - und einfach mal neu gedacht. Mit einem alternativen Ergebnis: mehr Wohnungen, mehr Räume für Handel und Fassaden, die den historischen Charakter der Selmer Kreisstraße aufgreifen. „Ich habe mir nach einer Standortanalyse alte Pläne aus dem Archiv angeschaut. Da hat man die ursprünglichen Fassaden erkannt“, sagt Tobias Teschner. Die waren vor gut 100 Jahren aufwendig und verschnörkelt gestaltet. In den 1950er-Jahren wurden sie dem Zeitgeist angepasst, deutlich zurückhaltender gestaltet – so wie sie heute aussehen.

Die Pläne von Tobias Teschner sehen deutlich mehr Grün vor als die bisherigen Baupläne für die Kreisstraße.
Die Pläne von Tobias Teschner sehen deutlich mehr Grün vor als die bisherigen Baupläne für die Kreisstraße. © Tobias Teschner

Mehr Wohnungen und mehr Grün

„Mir war es wichtig, nicht nur die historische Optik wieder aufzugreifen“, sagt der angehende Architekt. Denn schon immer seien die stadtbildprägenden Häuser an der Kreisstraße, die erneuert werden sollen, Orte des Handels gewesen. Das sollen sie wieder sein. Dabei will der Student die immer noch gut erhaltenen Fundamente der Gebäude für die Weiternutzung verwenden. Während die aktuellen Pläne des Investors große Ladenflächen für dm und Netto vorsehen, will Tobias Teschner noch weiteren Geschäften im Erdgeschoss der neuen Häuser Platz geben. Dabei denkt er an einen Feinkostladen, einen Imbiss, ein Café und auch eine neue Poststelle. „Damit könnte die Kreisstraße zu einer Flaniermeile werden“, sagt er. Das sei nach den aktuellen Plänen seiner Ansicht nach nicht so gut zu realisieren, auch weil die Fassaden im Vergleich zu seinen Plänen viel einfacher und zurückhaltender gestaltete seien, eben den stadtbildgebenden Charakter weniger berücksichtigen.

Auch mit Blick auf die Wohnungen unterscheiden sich die Entwürfe des Investors und die des Architektur-Studenten. Denn der Student plant 30 Wohneinheiten in den acht Häusern – also zehn mehr als der Investor plant. Dabei stehen Teschners Plänen Wohnungen zwischen 57 und 110 Quadratmeter zur Verfügung. So wird ein Angebot für verschiedene Zielgruppen geboten. Da alle Wohnhäuser über Aufzüge verfügen, steht das Generationenübergreifende im Fokus. Auch Giebel und Loggien werden in die geplanten Wohnungen von Tobias Teschner integriert, ebenso wie Balkone. Eine Besonderheit gibt es zudem noch: Die Wohnungen könnte man auch in den sozialen Wohnungsbau integrieren, erklärt Teschners Mentor Wilhelm Gryczan-Wiese.

Die Außengestaltung der Häuser an der Kreisstraße unterscheidet sich ebenfalls. Während die aktuellen Pläne des Investors eine deutlich breitere Einfahrt zwischen den beiden Häuserkomplexen vorsieht, bleibt diese bei den Plänen von Tobias Teschner so schmal wie bisher. Doch die Fußgänger sollen einen breiten Gehweg bekommen, um mit Einkaufswagen gut aneinander vorbeizukommen, wie er erklärt. „Bei den aktuellen Plänen ist der Lärm ein großes Thema. Denn der Verkehrslärm wird durch die breite Einfahrt zum Parkplatz hinter den Häusern und damit auch in den Wohnungen deutlich zu hören sein“, so der angehende Architekt. Durch seine schmalere Einfahrt könne er dieses Problem lösen.

Acht Häuser an der Selmer Kreisstraße sollen abgerissen werden. Neubauten sollen diese dann ersetzen – dort sollen der dm, Netto und Wohnungen Platz finden.
Acht Häuser an der Selmer Kreisstraße sollen abgerissen werden. Neubauten sollen diese dann ersetzen – dort sollen der dm, Netto und Wohnungen Platz finden. © Marie Rademacher

Weniger Fläche versiegelt

Seine Gestaltung der Fläche hinter den Häusern unterscheidet sich auch hinsichtlich der Klimafreundlichkeit von denen des Investors. Während bei den derzeitigen Plänen ein großer Parkplatz vorgesehen ist, will Teschner lediglich ein Parkdeck bauen, das zwar immer noch genügend Plätze bietet, aber dabei weniger Fläche versiegelt. „Ich möchte das autozentrierte Denken durchbrechen“, begründet er. Denn der Kern der Kreisstraße, dort wo die Geschäfte sind, könne innerhalb von zehn Gehminuten erreicht werden. Hinzukommt, dass viele Selmer mit dem Rad unterwegs seien und es auch im direkten Umfeld ausreichend Parkmöglichkeiten gibt, so Tobias Teschner. Daher wolle er in seiner Planung das Auto nicht mehr an die erste Stelle rücken.

Durch diese Einsparung könne mehr Grün in das Areal hinter den Häusern geschaffen werden und neben der Dachbegrünung auch etliche Bäume integriert werden. „Während bei den Plänen des Investors 6000 Quadratmeter Fläche versiegelt werden, sind es bei mir 1000 weniger“, sagt Teschner. Damit könne den Selmern mehr öffentliche Grünfläche geboten werden.

Eines ist dem Selmer und seinem Mentor wichtig: „Es geht uns nicht darum, die bestehenden Pläne schlecht zu machen, sondern wir wollen ein Angebot machen, es besser zu machen“, sagt Gryczan-Wiese. Noch vor dem Abriss will Tobias Teschner seine Pläne dem Selmer Bürgermeister vorstellen.

Dass sich die Pläne dann ändern, ist aber sehr unwahrscheinlich: Die Verträge mit Investor Ten Brinke sind längst gemacht. Voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres soll es einen Bauantrag und dann die Baugenehmigung geben, hatte Bürgermeister Orlowski im Oktober angekündigt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass der Erbbaupachtvertrag zwischen der Stadt Selm und Ten Brinke greift und das Unternehmen sein vertraglich geregeltes Eigentum übernimmt.