Marion Küpper bleibt dabei. Sie wolle sich nicht zu den laufenden Ermittlungen gegen sie äußern, sagt sie am Telefon, um später doch noch in einem Punkt ihr Schweigen zu brechen. Die Selmerin, die sowohl Mitglied des Kreistags Unna als auch des Stadtrates Selm ist, steht seit Ende 2021 im Verdacht, bei der Abrechnung ihrer Aufwandsentschädigungen betrogen zu haben. Küppers Partei, die Grünen, hat ihre bisherige Haltung zu der populären Beschuldigten inzwischen geändert - vor allem auf Kreisebene. Aber auch im Ortsverein Selm ist etwas anders geworden.
Ende 2021, kurz nachdem der Verdacht gegen Küpper bekanntgeworden war, hatte sich der Grünen-Ortsverein Selm noch empört vor seine Mitbegründerin, Fraktionsgeschäftsführerin, ehemalige Selmer Bürgermeisterkandidatin und Landtagskandidatin von 2017 gestellt. Von einer „Schmutzkampagne“ gegen Küpper war damals die Rede. Heute ist direkt aus Selm gar nichts zu erfahren.
Kreis spricht für Ortsverein
Fraktionsvorsitzende Christine Grave-Leismann sagt, sie hätten sich intern geeinigt, sich nicht zu äußern. Auch die neue Sprecherin des Selmer Ortsvereins, Lara Malberger, gibt kein Statement: „Wir stehen in Austausch mit dem Kreisverband, der auch für die Beantwortung von Presseanfragen zuständig ist.“ Genau dieser Kreisverband hat aber inzwischen mit Marion Küpper klar gebrochen.
Die Kreis-Grünen haben die Selmerin nicht nur aus ihrer Fraktion geworfen, sie haben sie auch aufgefordert, ihre Mandate niederzulegen: Appelle, die bislang an Küpper abperlten. Sie hielt am Montag (14.11.) daran fest, den Kreistagsausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz zu leiten - als fraktionsloses Kreistagsmitglied. In Selm wird sie am Donnerstag (17.11.), wenn der Stadtrat tagt, wohl weiterhin neben ihren Fraktionskolleginnen sitzen, wenn auch deutlich Distanz spürbar ist.
Appell, Mandat abzugeben
„Sämtliches Parteiengagement“ sei gemeint, als die Grünen Küpper aufforderten, ihre Mandate niederzulegen, lässt der Kreisvorstand der Grünen mitteilen. Das heißt: auch das Mandat für den Selmer Stadtrat und die Geschäftsführung der Fraktion. Der Kreisvorstand ist es, an den der Selmer Ortsverein die Presseanfrage weitergeleitet hat, die er selbst nicht beantworten wollte. Es gehe darum, so heißt es, „Schaden von unserer Demokratie abzuwenden“.
Weitere Einblicke in das zunehmend schwierige Verhältnis zwischen Küpper und ihrer Partei gewährt er nicht: „Da es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt und wir eine Vorverurteilung ausschließen möchten, wollen wir uns darüber hinaus nicht äußern.“ Das gelte auch für die internen Gespräche im Ortsverein Selm, an denen Küpper nach wie vor teilnehme. Auf Kreisebene diskutieren erste Grüne indes bereits über ein Parteiausschlussverfahren.
Küpper: „Bin gewählt“
Die aktuelle Diskussion um ihr Mandat lässt Marion Küpper doch ihr Schweigen brechen. Sie nehme ihren Auftrag ernst, den sie von den Wählerinnen und Wählern erhalten habe, sagt sie am Telefon. Das Mandat ruhen zu lassen, finde sie „undemokratisch“. Schließlich könne dann auch niemand anderes nachrücken. Das Mandat abzugeben, käme wiederum nicht in Frage, weil sie zum einen keinen Grund dafür sehe und weil zum anderen Kommunalwahlen Personenwahlen seien, und die Wählerinnen und Wähler sich bewusst für sie ausgesprochen hätten.
„Für glaubwürdige Politik“ war Küpper bei der Kommunalwahl 2020 angetreten. „Wir ringen streitbar um die beste Lösung und sind offen für Kritik“, hatte sie geworben, aber auch eingeschränkt: „Das ist nicht immer einfach, und birgt auch das Risiko des Scheiterns.“ Ob sie jetzt an diesem Punkt steht, will sie nicht kommentieren.
10,3 Prozent der Stimmen hatte ihre Partei 2020 errungen: ein Plus von 3,54 Prozentpunkten. Sie selbst war über die Reserveliste, auf der sie ganz oben stand, in den Rat eingezogen. Von den sechs Bürgermeisterkandidaten kam Küpper auf Platz vier - mit 7,49 Prozent der Stimmen. Der Einzelbewerber, der damals knapp hinter ihr landete, gehört jetzt zu Küppers größten Verteidigern: Willi Gryczan-Wiese.
Unterstützung von Gryczan-Wiese
„Obwohl konkrete Beweise nicht vorliegen, hetzen die Fraktionen à la Couleur einzelne, vom Volk gewählte Vertreter/innen zu persönlichen Konsequenzen und zum Verzicht ihrer Volksvertreterrolle, und das mit wachsender Beharrlichkeit“, schreibt Gryczan-Wiese in einem Leserbrief. Für ihn mache es einen großen Unterschied, ob die Beschuldigten der Abrechnungsaffäre in betrügerischer Absicht gehandelt hätten „oder aus Schusseligkeit“. Das sei offen.
Im Selmer Rat muss sich nicht nur Marion Küpper gegen Vorwürfe wehren. Auch Hubert Seier, der Fraktionschef der UWG, steht im Verdacht, sich durch falsche Abrechnungen bereichert zu haben. Er hält bislang ebenfalls an seinem Mandat fest und seine Fraktion an ihm. Auch Werner Sell (SPD) soll damals noch als Mitglied der Partei Die Linke Verdienstausfälle für Fraktionssitzungen doppelt abgerechnet haben – und so mutmaßlich sein Einkommen durch das Ehrenamt Kommunalpolitik aufgebessert haben. Die Untersuchungen laufen.

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