Grau in Grau zeigte sich das Wetter am Samstag, begleitet von einem kalten Nieselregen, der fast den ganzen Nachmittag über Selm niederging. So ein Wetter hatte man zum Karnevalsumzug in Selm noch nie gehabt - darin waren sich die Besucher einig. Umso ausgelassen feierten die Clowns, Priester, Space-Prinzessinnen, Löwen, Hühner, Indianerinnen, Hippies, Teufel, Paradiesvögel, Dinos und Piraten.
Die Atmosphäre unter den nach Schätzungen der Polizei 6000 bis 7000 Besuchern des Zuges am Samstag, 18. Februar, war fantastisch. Familien, Jugendliche, junge Erwachsene, Senioren - alle freuten sich, nach zwei Jahren Zwangspause mal wieder so richtig feiern zu können.
Das erzählt auch auch die 20-jährige Jill, die mit ihrer alten Borker Schul-Clique unterwegs ist. Einer von ihnen ist sogar extra zu Karneval aus Amsterdam angereist. „Wir haben so richtig Bock zu feiern“, sagt Jill, „und wir versuchen auch alles mitzunehmen. Wir sind heute hier, morgen in Olfen und am Montag in Werne.“
Jana und Katrin sitzen am Fenster ihrer Wohnung an der Ludgeristraße, als der Zug vorbeizieht. „Es bedeutet uns alles, wieder ausgelassen zu sein“, sagt Karin. Elke Krzeyzyk steht zwar ein paar Meter weiter allein am Straßenrand, doch „alle ihre Kinder“ sind im Zug mit dabei. „Wir sind so eine richtig karnevalsbegeisterte Familie“, erzählt sie.
Vielfalt unterm Regenbogen
Andere sind diesmal zum ersten Mal Zuschauer - sonst waren sie häufig Teil des Zuges. Am Straßenrand steht zum Beispiel Rainer Baumeister. Seinerzeit - 2014 bis 2016 - war er gemeinsam mit seiner Frau Beate als Rainer I. Karnevalsprinz. Seit 53 Jahren ist er im Selmer Karnevalsverein aktiv. Etwas wehmütig beobachtet er das Treiben auf der Straße. „Im Gegensatz zu 1969, als ich eingetreten bin, hat der Zug sich schon sehr verändert“, sagt er. „Wir sind offener geworden, Themen wie Homosexualität sind selbstverständlicher geworden. Und das ist auch gut so.“ Damit bezieht er sich auf Marc, den diesjährigen Prinzen. Er hatte den Regenbogen als Motto gewählt: die bunte Vielfalt.
Ex-Prinzessin Beate verkauft derweil Gummientchen aus ihrem Bauchkasten. Der Erlös kommt der Jugendarbeit des Karnevalsvereins zugute. „Es ist mir ein Herzensanliegen, den Verein zu unterstützen.“ Für ihr Engagement trägt sie die sogenannte Ehrenkette.
Ladykracher am Straßenrand
Ebenfalls am Rand als Zuschauer, statt wie zuvor 20 Jahre mittendrin im Zug: Die sechs Damen, die sich als Gruppe den Namen „Die Ladykracher“ gegeben haben. „Wir sind viele Jahre mitgelaufen, mit Herzblut. Wir sind ein bisschen traurig, jetzt Zuschauer zu sein. Aber manche von uns haben eben Kinder bekommen oder sind etwas in die Jahre gekommen“, erzählt Sabrina Holz. „Aber wir haben die Tradition gewahrt und wie immer gemeinsam gefrühstückt und uns geschminkt.“ In diesem Jahr gehen sie als Indianerinnen. Eine der Ladykracher ist sogar aus alter Tradition aus dem Rheinland angereist, um mit „ihren Mädels“ zu feiern. „Wir machen jetzt einfach im Hintergrund Stimmung“, sagt sie, bevor sich Marie und Jörg, die beide als Piraten verkleidet sind, in die Gruppe drängen. „Wir haben uns super auf dieses Jahr gefreut“, ruft Marie.
„Tiefenentspannter“ Verlauf
Und auch die Space-Prinzessinnen, die gemeinsam mit einem Space-Piloten unterwegs ist, waren in früheren Jahren als Teil des Zugs unterwegs. „Früher bin ich oft auf dem Wagen der Küken mitgefahren, um meine Tochter zu begleiten“, erzählt Jennifer Stallein. „Inzwischen tanzt sie mit und ich bin zur Zuschauerin geworden.“ Gemeinsam mit Maren und Maik Arens und Debby Kapuschenski hat sie sich dieses besondere Space-Kostüm ausgedacht und in reiner Handarbeit hergestellt. In den emblem-bestickten Tutus der Damen blinken elektrische Lichter, die Köpfe zieren Glitzersteine und metallene Fühler, die weißen Overalls schmücken Nasa-Embleme. Der Zug sei etwas kurz gewesen, bemerken sie: etwas, das auch andere Zuschauer feststellen. Aber: „Hauptsache mal wieder feiern. Hauptsache mal wieder einen Grund, fröhlich zu sein.“
Laut Aussage von Karl-Heinz Bliecke, Einsatzleiter der Polizei waren - wohl wegen des Wetters, wie er meint - nur etwa die Hälfte an Zuschauern dabei im Vergleich zu anderen Jahren. Der Verlauf war ruhig, „tiefenentspannt“, wie er sagt.

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