Persönlich oder per Mail? Am Fenster? In der Aula? Verschlüsselt oder versiegelt? Die Schulen in Schwerte müssen sich was einfallen lassen in Sachen Zeugnisvergabe. Ein Schulleiter macht gerade Nachtschichten.
Galgenhumor, den hat Dirk Schnitzler ja. Seine Frau könne momentan abends gemütlich allein fernsehen, erzählt er. Denn der Leiter der Albert-Schweitzer-Grundschule in Schwerte ist gerade damit beschäftigt, Zeugnisse per Mail zu verschicken. „Das ist mein Nachmittags- und Abendprogramm. Seit drei Tagen.“
Am Freitag (29.1.) bekommen nämlich alle Schwerter Schüler ihre Halbjahreszeugnisse. Und wegen Corona haben sich die Grundschulen und die weiterführenden Schulen verschiedene Strategien ausgedacht, um ihren Schülern das wichtige Dokument zukommen zu lassen.
Drei Ausgabestellen mit Zeitstaffelung
Die Viertklässler der Albert-Schweitzer-Grundschule bzw. deren Eltern kommen zur Zeugnisaugabe persönlich vorbei. Denn sie erhalten auch die wichtigen Dokumente für die Anmeldung an den weiterführenden Schulen. Die Eltern haben dafür schon gestaffelte Abholzeiten erhalten. „Wir regeln das an drei Ausgabestellen. Die Wege verlaufen so, dass sich niemand begegnet.“

Schulleiter Dirk Schnitzler verschickt gerade viele Zeugnisse per Mail. Dabei achtet er auf den Datenschutz. © Manuela Schwerte
Und was hat es mit dem Mailstress auf sich? Weil viele Eltern gerade mit Homeschooling und Homeoffice kämpfen, hatte Dirk Schnitzler den Drittklässler-Eltern versprochen, die Zeugnisse der Kinder per Mail zu versenden. „Als kleine Dienstleistung sozusagen.“
Eltern konnten Word-Dokumente nicht öffnen – jetzt noch mal als pdf
Das ist doch eine nette Idee. Aber Schnitzler schnaubt. „Ich könnte Ihnen jetzt sagen, das läuft ja wunderbar. Tut es aber nicht.“ Denn die Zeugnisse, die er mit einem Passwort geschützt als Word-Dokument verschickte, konnten viele Eltern nicht öffnen.
„Die Endgeräte der Eltern haben oft kein Office-Paket. Deshalb muss ich jetzt 75 Zeugnisse noch mal per pdf verschicken.“ Die könne man in der Version, die der Schule zur Verfügung steht, allerdings auch nicht mit Kennwort versehen. „Deshalb habe ich jetzt die Namen der Schüler rausgenommen. Das Geburtsdatum bleibt stehen.“
Echtes Zeugnis erst im Präsenzunterricht
Eine Mammutaufgabe also, um dem Datenschutz gerecht zu werden. Schnitzlers Kollege Martin Krämer von der Lenningskampschule sieht das Thema gelassener. „Wir haben die Eltern der Drittklässler gefragt, ob sie damit einverstanden sind, die Zeugnisse per Mail als pdf-Datei zu bekommen“, sagt er. Das echte Zeugnis gebe es dann, wenn wieder Präsenzunterricht möglich ist.
Auch an der Lenningskampschule kommen nur die Viertklässler persönlich zur Aula. „Die bekommen ja ein ganzes Paket mit Dokumenten“, sagt der Schulleiter.
An den Gymnasien kommen nur die Q1-Schüler persönlich vorbei
Die Gymnasien und Gesamtschulen händeln die Zeugnisvergabe ebenfalls unterschiedlich: Während die Gymnasien auf einen hohen Anteil an digitaler Vergabe setzen, holen die Gesamtschüler ihre Dokumente ab.
„Wir möchten nicht, dass größere Schülergruppen in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in der Stadt unterwegs sind“, sagt Schulleiterin Bärbel Eschmann vom Ruhrtal-Gymnasium. Sie hat sich dabei mit Heiko Klanke vom Friedrich-Bährens-Gymnasium abgesprochen, weil beide Schulen nah beieinander in der Innenstadt liegen.

Pfeile weisen den Weg im FBG. Zur Zeugnisvergabe sollen die Schüler aber gar nicht groß ins Gebäude hinein. Sie werden durch eine Art „Drive-in“ geleitet. © Björn Althoff
Heiko Klanke sagt: „Nur die Schüler der gymnasialen Oberstufe holen ihre Zeugnisse persönlich und einzeln ab.“ Die Ausgabe erfolge an mehreren Orten wie bei einem Drive-in-Schalter. Die Oberstufenschüler, ergänzt Bärbel Eschmann, müssten sowieso noch ihre Klausuren abholen.
Schulinterne Mailadressen sind geschützt
Alle anderen Schüler am FBG erhalten eine Vorabversion des Zeugnisses auf ihre schulinterne Mailadresse, und die sei geschützt, erklärt Heiko Klanke. Am RTG läuft es ähnlich: Vom 8. Schuljahr bis zur EF bekommen die Kinder ihre Zeugnisse per Mail über den schulinternen Server „iserv“. „Da haben wir das Thema Datenschutz im Griff“, betont Eschmann.
Für die jüngeren Schüler schicke man ein kleines Vorabzeugnis in einem Briefumschlag nach Hause. Bärbel Eschmann: „So haben sie etwas in der Hand, das ist in dem Alter wichtig.“
Gesamtschule setzt auf persönliche Begegnung
Auch Eva Brinkhoff von der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule hält es für wichtig, dass die Schüler ihr Zeugnis in der Hand halten. Dort holen allerdings alle Schüler ihr Dokument persönlich ab.

An der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule holen die Schüler ihre Zeugnisse gestaffelt ab – an mehreren Ausgabestellen. © Manuela Schwerte
„Wir haben den für die Schülerinnen und Schüler wichtigen Tag der Zeugnisausgabe in der persönlichen Begegnung organisiert und uns gegen einen postalischen oder elektronischen Versand entschieden“, sagt die Schulleiterin.
Für die Kinder sei es wesentlich, „gerade in der aktuellen Situation“, ihre Zeugnisse persönlich ausgehändigt zu bekommen.
Individuelle Termine über den Tag verteilt
Die Klassenlehrer hätten dazu individuelle Termine vereinbart. „Sie treffen sich einzeln mit den Kindern im jeweiligen Klassenraum, sodass keine Schülerströme entstehen und die Anzahl der Schüler im Gebäude sehr gering ist.“ So würden alle Sicherheits- und Hygienemaßnahmen „strengstens eingehalten“.
Jürgen Priggemeyer von der Gesamtschule Gänsewinkel rotiert in Sachen Zeugnisausgabe. „Wir haben hier mit Hochdruck gedruckt, versiegelt und gestempelt“, erzählt er. Die Kinder kämen über den ganzen Tag verteilt. Es gibt bis zu vier Abgabeorte. „Auf dem Schulhof passen Lehrer auf, dass sich keine Gruppen bilden“, erklärt der Schulleiter. Schüler aus Risikogruppen bekämen ihre Zeugnisse aber zugeschickt.
Dirk Schnitzler von der Albert-Schweitzer-Grundschule macht sich inzwischen auf einen weiteren Abend am Computer gefasst. Er hofft, allen Drittklässler-Eltern die Zeugnisse rechtzeitig schicken zu können – und baut auf ihr Verständnis, sollte es einen Tag später werden. „Kommt Zeit, kommt Zeugnis“, sagt er.
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
