
© Foto: Reinhard Schmitz
Wo die jüdische Gemeinde Schwerte ihre Schule hatte, wird heute Pizza serviert
Serie: Häuser erzählen
Manche Gebäude geben sofort ihre Geheimnisse preis. Andere bleiben rätselhaft. Wir spürten solchen Geschichten nach. Folge 5: Die jüdische Schule
„Für unsere Kinder“ steht in Stein gemeißelt über der Eingangstür der Pizzeria Europa. Wer würde sich auch nicht gerne vom Papa zu Spaghetti oder Pizza einladen lassen. Doch die Jahreszahl „1898“ macht stutzig. Denn vor über 100 Jahren kamen italienische Spezialitäten in der Ruhrstadt wohl kaum auf den Teller.
Jüdische Schule lag neben dem jüdischen Friedhof
Die Inschrift verweist darauf, dass das Gebäude am Nordwall 7 ursprünglich als jüdische Schule errichtet worden ist. Das Grundstück, das direkt an den jüdischen Friedhof grenzt, hatte eine Bertha Marx der Synagogengemeinde Schwerte-Westhofen 1896 geschenkt. Die war auf 165 Mitglieder angewachsen und wünschte sich ein eigenes Schulhaus. So recherchierte Lieselotte Hagenah für ihr Buch „Geschichte der Juden in Schwerte“, das der Heimatverein 1988 herausgab.
Eine Klasse und eine Wohnung für den Lehrer
Geplant wurde ein Gebäude mit einer Klasse sowie einer Lehrerwohnung und einem WC. Zur Finanzierung nahm die Gemeinde eine Hypothek von 9000 Euro auf ihre Synagoge auf. Die Stadt beteiligte sich mit einem Darlehen von 4000 Mark.
Die Schule, die am 17. Oktober 1898 fertiggestellt war, wurde bereits in den 20er-Jahren wieder geschlossen, weil es in der überalterten Gemeinde nicht mehr genug Kinder gab.
Später Hilfsschule, islamischer Betsaal, heute Pizzeria
Danach diente das Gebäudes noch einige Jahre als „Hilfsschule“ für schwach begabte Kinder, später als Wohnhaus und islamischer Betsaal, bevor es zur Pizzeria wurde.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
