Erinnerungen an Sizilien zu Weihnachten Giorgio Pardo zog der Liebe wegen nach Schwerte

Der Liebe wegen in Schwerte: Im Advent träumen die Pardos von Sizilien
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Der prächtige Weihnachtsbaum überstrahlt den ganzen Schmuck, mit dem sich die Wohnung für das Fest herausgeputzt hat. Dabei ist sein Duft eigentlich das einzige, das bei Giorgio Pardo keine Erinnerungen an die Kinderzeit in der Heimat weckt. „Tannen gibt's nicht in Sizilien“, berichtet der 65-Jährige: „98 Prozent haben eine Kunststofftanne.“ Und erst jetzt begännen einige damit, deren Zweige zu nutzen, um darunter Geschenke abzulegen. Auch Italien kann sich vor den Trends der Konsumgesellschaft nicht vollständig abschotten.

Gemeinschaft ist wichtig

Doch unter zunehmendem Glitzer, Glamour und verschwenderischem Essen sieht Giorgio Pardo den eigentlich Sinn der Weihnacht verloren gehen. „Christus ist geboren, um Frieden und Einklang in diese Welt zu bringen. Für Leute, die am Rand der Gesellschaft stehen“, sagt er. Das vergesse man heute: „Bei uns steht das unter einem anderen Aspekt.“

Eine Wohnung in weihnachtlichem Schmuck.
Die ganze Wohnung glitzert: Einen Hauch von sizilianischem Weihnachtszauber holen sich Angela und Giorgio Pardo auch nach rund 40 Jahren in Schwerte in ihr Zuhause. © Giorgio Pardo

Gerade im Advent denkt der selbständige Finanzberater, der seit über 40 Jahren in der Ruhrstadt lebt, an die Gemeinschaftserlebnisse zurück, die in seiner Kindheit in Palagonia (bei Catania) die Wochen vor Weihnachten geprägt haben. Vom ersten Adventssonntag bis zum Heiligen Abend habe in den Straßen rund um die Hauptkirche an jedem Tag eine andere Familie einen Raum ihres Hauses geschmückt, wo jeder willkommen war: „Zuletzt kam der Priester, und wir haben zusammen gebetet.“ Auch eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken sei angeboten worden. In der Nase hat er noch den Geruch aus den Holzöfen, in denen alle auf ihren Dachterrassen das typische sizilianische Festgebäck aus Mandeln und Zucker backten.

Schäfer musizieren vor Häusern

Jeden Sonntag in der Dämmerung - so erzählt der 65-Jährige weiter - hätten sich auch die Schäfer von den Weiden getroffen und frischen Ricotta zubereitet: „Wer vorbeikam, durfte kostenlos mitessen.“ Das Brot habe man selbst von zu Hause mitgebracht. Dazu zogen Musikgruppen mit typischen Schäfer-Instrumenten wie Flöte und Dudelsack durch die Straßen, um vor den Türen Weihnachtslieder zu spielen.

Der Adventskreuz leuchtet in einer Wohnung.
Der Advent ist eine besondere Zeit für Angela und Giorgio Pardo. © Giorgio Pardo

„Dieses Wir-Gefühl zur Weihnachtszeit war etwas ganz Besonderes, weil die ganze Gemeinschaft sich verändert hat“, spürt Giorgio Pardo immer noch. Die Menschen hätten schließlich nicht das ganze Jahr über ihre Türen für die Anderen geöffnet. Am Heiligen Abend gingen dann alle nach einem leckeren Pizzaessen um 23.30 Uhr zur Christmette in die Kirche. Am ersten Weihnachtstag war dann noch einmal Gottesdienst angesagt, bevor mit der engeren Familie weitergefeiert wurde.

Kein Geld für die Hochzeit

Doch nicht alles auf Sizilien war so himmlisch wie die Weihnachtszeit. Es gab auch die harte Arbeitswelt, in der es schwer war, Fuß zu fassen. Das musste der junge Giorgio Pardo erfahren, als er nach seinem Studium als frisch gebackener Technischer Zeichner vergeblich über 100 Bewerbungen schrieb. Er jobbte als Lkw-Fahrer in Catania und als Hafenarbeiter: „Von 5 bis 19 Uhr, wenn's gut ging. Bis 20 oder 21.30 Uhr, wenn's schlecht ging.“ Trotzdem blieb der Lohn so knapp, dass er seinen Vater um ein paar Lire bitten musste, um seiner Freundin und heutigen Ehefrau Angela Pardo auch nur ein Eis auszugeben.

Die Weihnachtskrippe ist in Sizilien besonders wichtig.
Die Weihnachtskrippe ist in Sizilien besonders wichtig. © privat

Die ersehnte Hochzeit, die als einmaliges Erlebnis im Leben in Sizilien sehr aufwendig gefeiert wird, ließ sich auf diese Weise nie und nimmer finanzieren. Deshalb fasste Giorgio Pardo einen Entschluss: Am 8. August 1980 setzte er sich in den Zug nach Schwerte, wo eine Tante bei den Nickelwerken beschäftigt war: „Am 23. August hatte ich Arbeit bei Theile.“ Es wurde gespart, ein Kredit aufgenommen und endlich geheiratet. Die Hochzeitsreise führte das glückliche Paar nach Schwerte, wo es seither lebt.

40 Stunden mit dem Zug

In den ersten Jahren fuhren die Beiden in der Weihnachtszeit jedes Mal zurück zu ihren Familien - 40 Stunden mit dem Zug. Als die Kinder klein waren, legten sie 2.382,5 Kilometer in einem Rutsch mit dem Auto zurück. Doch auf die Dauer lohnten sich diese Strapazen nicht für die kurzen Winterferien. Weihnachten wurde in Schwerte gefeiert: „Die Essensgewohnheiten haben wir ein bisschen beibehalten.“ Und den Brauch der schönen Weihnachtskrippe, wie sie in Sizilien in jedem Haus aufgebaut wird.