Das Leben in Wandhofen profitiert von seiner Nähe zum Stadtzentrum. Für die Bewohner kann das zum Ärgernis werden. Denn im Ort selbst finden sie kaum Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
Wibke Marquardt verbringt ihre Tage im Grünen. Seit 25 Jahren betreibt sie mit ihrer Familie einen Reiterhof an der Holzstraße in Wandhofen - am nördlichen Ende des Ortsteils, umgeben von Feldern, Weiden und Bäumen. Im beschaulichen Wandhofen legt man viel Wert auf eine gute Nachbarschaft. „Wer in Wandhofen lebt und dort mit Körper und Seele angekommen ist, der fühlt sich dort auch wohl. Man kennt sich, lebt nicht anonym. Das ist schön“, sagt sie.
Das Dorf im Südwesten an der Grenze zu Schwerte-Mitte verbindet eine gute Lage nahe zum Ballungsraum mit dem Charakter einer zusammengewachsenen Gemeinschaft. „Wir profitieren direkt von den Vorzügen der Innenstadt, haben es aber sehr ruhig.“ Kein Wunder also, dass Wandhofen bei der Lebensqualität 8 von 10 Punkten erreicht hat und damit im stadtweiten Durchschnitt liegt.
Da ist es schon fast erstaunlich, dass es in der Kategorie Wohnen nur 6 Punkte gab. „Wandhofen besteht hauptsächlich aus Einfamilienhäusern, hinzu kommen aber auch beispielsweise die neuen Mehrfamilienhäuser Am Bruch“, erklärt Wibke Marquardt. Im Moment sei ein deutlicher Generationswechsel in Wandhofen spürbar: „Es gibt viele Ältere, die noch in Häusern aus den 70er-Jahren leben. Da, wo jüngere Familien einziehen, wird es moderner.“ Trotzdem habe aber jeder Wandhofener viel Platz auf seinem Grundstück - für Gärten und Nutzfläche.

Zum Radfahren eignet sich Wandhofen laut Umfrage besonders gut. © Foto: Bernd Paulitschke
An vielen Stellen in Wandhofen kann man noch deutlich die alte Dorfstruktur erkennen: Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war Wandhofen als bäuerliche Ansiedlung in Sachen Größe und Struktur fast unverändert geblieben. Erst zu Zeiten der Industrialisierung fielen einige Höfe weg, immer mehr Arbeiter siedelten sich im Ort an. So erweiterte sich das Dorfgebiet nach und nach, weitete sich immer mehr nach Süden aus - jede Menge Wohnraum entstand an der Hagener Straße und im Bruch-Gebiet.
Wibke Marquardt schätzt die Natur in Wandhofen - auch die Bewohner freuen sich über viele Grünflächen und Waldstücke, geben ihrem Ortsteil 8 von 10 Punkten. Ein bisschen bangen sie aber schon um die Idylle.
Viele neue Bauprojekte sind im Wandhofener Bruch geplant - moderne Gewerbehallen und möglichst auch das größte Fußballstadion der Stadt sollen in den kommenden Jahren im neuen Gewerbegebiet entstehen. „Wenn der Fußballplatz nach oben in den Bruch zieht, wird am jetzigen Sportplatz bestimmt auch gebaut“, überlegt Wibke Marquardt. Genug Grün gebe es dann aber trotzdem noch: die Ruhr, den Ruhrwald, den alten Babywald und viele Felder und Wiesen - um nur einige Beispiele zu nennen.

Einer der prächtigsten Bäume auf der Naturdenkmalliste des Kreises Unna ist die 300-jährige Kastanie im Innenhof von Haus Ruhr. © Foto: Reinhard Schmitz
Ein besonders grünes Fleckchen finden die Wandhofener außerdem am Haus Ruhr. Die Wasserburg, wo heute Design- und Grafikstudenten der Ruhrakademie büffeln, ist eines der bekanntesten und schönsten Denkmäler. Besonders stolz ist man in Wandhofen auch auf die mehr als 350 Jahre alte Kastanie im Innenhof von Haus Ruhr. Man bezeichnet sie auch als „Urkastanie“, von der alle anderen Kastanien im Schwerter Raum abstammen sollen.
Viel Grün, viel Ruhe, viel Nachbarschaft: Wandhofen klingt nach einem sehr beschaulichen Stadtteil. Fast sogar zu beschaulich, finden die meisten Bewohner hier. Keine andere Kategorie abseits von Lebensqualität, Radfahren und Grünflächen wird mehr als sieben Punkte erreichen.
Besonders heikel scheint es bei den Angeboten für Jugendliche: Gerade mal 3 Punkte haben die Wandhofener hier vergeben. „Zu Recht“, urteilt auch Wibke Marquardt. „Außer Fußball und Reiten gibt es hier nichts. Fast alle Jugendlichen fahren oder laufen dann ins Stadtzentrum. Viele weichen auch nach Hagen oder Dortmund aus“, sagt die 43-jährige Mutter. Schlechter als in Wandhofen schneidet das Angebot für Jugendliche in keinem anderen Ortsteil ab.

Da sei man eben auf Freunde oder auch Vereine angewiesen. Überhaupt seien diese beiden Faktoren in Wandhofen stark ausgeprägt. „Der Ort lebt stark von der Vereinsarbeit oder Nachbarschaftsprojekten. Was das angeht, hat Wandhofen eine sehr einzigartige Struktur“, weiß Marquardt. „Wer von außerhalb nach Wandhofen zieht, muss sich erstmal einfinden. Aber dann hat man tolle Kontakte und ein gutes Netzwerk.“
Das wurde (noch) positiv bewertet:
Verkehrsbelastung: Wandhofen erzielt hier 7 Punkte, während es stadtweit nur 6 Punkte sind. Die stadtnahe Lage wirke sich kaum merklich auf den Verkehr aus, sagt Wibke Marquardt. Die Autobahn ist nah, man könne in Wandhofen aber auch viel mit dem Fahrrad erledigen. „Nur in den Außenbereichen, wo Wandhofen an Westhofen oder Schwerte-Mitte grenzt, da ist im Straßenverkehr ganz schön was los.“
Gastronomie: Für den kleinen Ortsteil sind 6 Punkte eine gute Bilanz. Das könnte vor allem an der neuen American Burger Lounge an der Wandhofener Straße liegen. Wer keine Lust auf amerikanische Küche hat, dem bleibt immer noch das Haseneck oder die Imbiss-Bude an der Hagener Straße.
Das wurde negativ bewertet:
Nahversorgung: Kein Supermarkt, kein Bäcker, kein Kiosk. Eine Tankstelle. Das spiegelt sich auch in der Punktevergabe wieder: Nur 5 Punkte gab es, damit liegt Wandhofen weit unter dem stadtweiten Durchschnitt. „Es gibt nichts. Wandhofener weichen auf die Supermärkte in Schwerte-Mitte aus, besorgen dort alles, was sie zum täglichen Leben brauchen“, sagt Wibke Marquardt. Die Leute dort seien es aber gewohnt, weitere Strecken für ihre Besorgungen zurückzulegen.
Gesundheit: Ähnlich sieht es auch bei Ärzten und Apotheken aus. Auch da bedienen sich die Wandhofener beim Angebot umliegender Ortsteile. Für Senioren könnten solche Zustände aber besonders schwierig sein. „Wenn man im Alter noch fit ist, stelltein Arztbesuch in anderen Stadtteilen kein Problem dar. Aber sobald man nicht mehr gut zu Fuß ist, wird es umständlich“, glaubt Marquardt. 5 von 10 Punkten gab es von den Wandhofenern in der Kategorie Gesundheit.
Kinderbetreuung: Es gibt nicht viel - aber das, was da ist, sei gut, urteilt die Mutter einer kleinen Tochter. Die Grundschule ist Vergangenheit, ein paar Tagesmütter und Erzieherinnen in der Kita - dort verbringt auch die Tochter von Wibke Marquardt ihre Vormittage - kümmern sich aber um den Wandhofener Nachwuchs. Sonst könne man sich auch in dem Punkt auf die starke Gemeinschaft im Ort verlassen, weiß Marquardt: „Viele Familien kennen sich seit vielen Generationen. Man fühlt sich für seine Nachbarn und Freunde zuständig und hilft, wo es nur geht. Dazu gehört es auch, mal einen freien Nachmittag nach dem Nachwuchs zu schauen oder eine halbe Stunde spazieren zu gehen.“
Ortsteil-Chronik
Die Industrialisierung machte Wandhofen groß
© Repro: Reinhard Schmitz
Aus tiefster Liebe zum Ruhrgebiet bin ich gerne immer und überall auf der Suche nach Geschichten – für Kultur, Kindergärten und Schulen, Umwelt, Politik und alles, was Menschen sonst noch beschäftigt.
